Ich weiß es noch als sei es gestern gewesen: Am 31.12.08 war es die letzte "Amtshandlung" meiner Sekretärin, eine Klage zu einem Amtsgericht in Hessen zu faxen um die Verjährung des Anspruchs durch Anhängigkeit zu unterbrechen. Gesagt, getan, rasch noch den Sendebericht kontrolliert und fertig. Das Original der Klage nebst Anlagen schickte sie im neuen Jahr hinterher.
Im weiteren Verlauf erwiderte die Beklagtenseite auf die Klage, ich replizierte und dann - erreicht mich ein Schreiben des Gerichts: ein Fax in dieser Sache am 31.12.08 sei nicht eingegangen, die Klage selbst sei im Original im neuen Jahr eingegangen und damit sei der Anspruch verjährt. Ich möge mitteilen, ob die Klage zurückgenommen werde.
Statt die Klage zurückzunehmen übersende ich den Faxbericht und das Faxjournal. Das, so das Gericht, beweise jedoch nur, dass ich ein Schreiben weggefaxt hätte, nicht aber, dass dieses Schreiben auch eingegangen sei. Problem bei der Sache: der Kläger muss den Eingang des Faxes bei Gericht beweisen und nicht bloß dessen Versendung. So steht es auch im Kommentar. Sicher, es gibt hiervon abweichende Meinungen, aber die sind leider rar.
Mir kommt die Idee, bei Gericht nachzufragen, ob man dort noch das Faxjournal vom 31.12.08 archiviert habe. Die Dame von der Geschäftsstelle ist so nett, sich der Sache anzunehmen und eine halbe Stunde später bekomme ich ein Fax: es ist das Faxjournal des Gerichts, aus dem hervorgeht, dass am 31.12.08 ein Fax meiner Kanzlei bei Gericht eingegangen ist. Na also. Damit dürfte auch der Zugang bewiesen sein und ich atme auf.
Wie auch immer mein Fax bei dem Gericht verschütt gegangen ist - das Faxjournal hat man aufgehoben und ich habe dafür gesorgt, dass eine Kopie hiervon zur Akte gelangt ist. Natürlich per Fax.
Demnächst ist Verhandlungstermin in der Sache. Ich werde mir -egal wie das Gericht über die Frage der Verjährung entscheidet- erlauben, mich dann nochmal bei der Dame von der Geschäftsstelle zu bedanken, ohne deren Hilfe ich meine Versicherung hätte anrufen können.
12 Kommentare:
Hat denn der Gegner die Einrede erhoben oder ist das Gericht von sich aus darauf gekommen?
Das ist der nächste Klopper: zunächst hat das Gericht darauf hingewiesen und dann hat der Beklagte die Verjährungseinrede erhoben. Sicher, ich habe über einen Befangenheitsantrag nachgedacht, aber was nützt es? Die aufgeworfene Frage der Verjährung hätte ich damit nicht aus der Welt geschafft.
Die Angewohnheit, alles auf den letzten Tag auf Frist zu legen, in Ehren - aber Klage am letzten Tag einer mehr als dreijährigen Verjährungsfrist, und dann per Fax: das wären Sie selbst schuld gewesen.
Dass man bei materiellrechtlichen Fristen (bei denen es keine Wiedereinsetzung gibt) generell vorsichtiger sein sollte, hat sich offenbar auch noch nicht bei allen Anwälten herumgesprochen.
@Herr: Ich fand mich ganz flott in Anbetracht des Umstandes, dass Klageauftrag am 30.12. erteilt wurde. Unabhängig davon: die Rechtsprechung zum Anwaltshaftungsrecht sieht das ("selber schuld") ein wenig anders: wer einen OK-Sendebericht hat, hat alles Erforderliche getan. Man muss nicht an Silvester die Nachtbriefkästen abklappern. Angenommen, mein Mandant würde im Prozess unterliegen und anschließend mich in Regress nehmen, was ich ihm nicht verdenken könnte, würde er aller Voraussicht nach auch in diesem Prozess unterliegen. Das fände ich vom Ergebnis her mehr als unbefriedigend.
Wenn der Mandant Ihnen erst am Vortag den Klageauftrag erteilt hatte, wäre natürlich der Mandant selbst schuld und nicht Sie.
Anderenfalls hätten Sie die Sache im Verhältnis zum Mandanten aber nicht bis letzten Tag liegen lassen dürfen, sondern den "sicheren Weg" gehen müssen - die großzügige Rechtsprechung zum Anwaltsverschulden unter dem Aspekt der Wiedereinsetzung gilt insoweit (= für die Anwaltshaftung) gerade nicht.
@Herr: ich stimme Ihnen zu.
Jedoch meine ich auch, dass trotz kurzfristigem Klageauftrag die Diskrepanz zwischen der Rechtsprechung zur Frage des Nachweis des Einganges eines Faxschreibens bei Gericht (OK-Vermerk reicht nach h.M. nicht aus) und der Frage einer möglichen Anwaltshaftung (OK-Vermerk reicht aus) zu groß ist. Mittlerweile gibt es zwar Entscheidungen, die in dem OK-Vermerk einen Anscheinsbeweis für den Zugang sehen, aber die h.M. sieht das anders.
Also wenn ich die Gegenseite wäre, würde ich mit Nichtwissen bestreiten, dass das Fax, welches sich im Journal des Gerichts befindet in eben dieser Sache geschickt wurde... Ich hoffe für Sie, dass dieser Umstand zweifelsfrei feststeht!
@Kollege Krause: Erfreulicherweise geht die h.M. insoweit von einem Anscheinsbeweis zugunsten des Absenders aus, d.h., ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen würde Sie nicht wirklich weiterbringen.
Was mich erstaunt ist dass die nette Dame der Geschäftsstelle Ihnen das Faxjournal überlassen hat trotz 1) möglicher Datenschutzbedenken, 2) der Folge dass durch das Journal die Schlamperei des eigenen Gerichts bewiesen wird, 3) sie dadurch zusätzliche Arbeit hatte. Wow!
@Tilman Hausherr: Mir reichte der Teil des Journals aus, der die Faxnummer meines Büros betrifft.
Liebe Kollegin,
die Probleme mit angeblichem Nichtempfang von Telefaxsendungen bei Gerichten treten leider häufiger auf. Ursache ist meistens das Nichtauffüllen des Papierspeichers vor Feierabend und Telefaxe von Großbuden, die pro Buchstabe bezahlt werden und für abendliche Faxe Nachtzuschläge bekommen. Als Referendar habe ich einen Ausbildungsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass ein paar Seiten eines an sich vollständig übertragenen Faxes offenbar nicht zur Akte gelangt sind. Reaktion: Schulterzucken.
Ein Sendeprotokoll mit "o.k." Vermerk reicht aber als Zugangsnachweis aus.
"Das Vorliegen eines „OK“-Vermerks im Sendebericht belegt das Zustandekommen der Verbindung (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1995 - II ZB 6/95 - MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8). Infolgedessen steht aufgrund des vom Beklagten vorgelegten Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten Telefaxgerät der Zeugin H und dem von ihm angewählten Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und 1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit „OK“-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.03.2008 - 4 U 132/07 - veröffentlicht in juris - unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der Sachverständige W mit 0%."
so das OLG Karlsruhe vom 30.09.2008
Aktenzeichen 12 U 65/08.
Ältere Urteile kranken daran, dass die Gerichte die Funktion des Sendeprotokolls nicht verstanden haben. Es bestätigt nämlich mit "o.k." nicht nur den Versand, sondern vielmehr den abgeschlossenen Übertragungsvorgang bei bestehender Leitung! Einziges Argument der Gerichtes könnte nur noch sein: "Vielleicht haben Sie den Schriftsatz ja falsch herum reingelegt so dass ein paar weiße Blätter bei uns angekommen sind". Im Zweifel ist der Anwalt schuld, das Gericht macht keine Fehler.
;-)
@Michael. Besten Dank. Ich habe neben der von Ihnen genannten Entscheidung des OLG Karlsruhe auch auf OLG München 15 W 2631/98 (OK-Vermerk reicht aus) und AG Rudolstadt 2 C 694/03 (OK begründet Anscheinsbeweis für Zugang)verwiesen.
Was das Argument angeht, man habe leere Blätter gefaxt: das lässt sich durch die Übertragungsdauer widerlegen. Leere Blätter gehen fix, beschriftete dauern länger.
Bislang liegt übrigens keine Stellungnahme der Gegenseite zu meinem letzten Schriftsatz vor.
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