Ich hatte mich ja schon häufiger geoutet, dass ich nicht zu den Verteidigern gehöre, die ihre Nase in jede Kamera halten müssen und die scharf darauf sind, Gespräche mit der Presse zu führen.
Auskünfte, damit
"mehr Drama" gemacht werden kann, sind bei mir nicht zu holen. Was aber dabei herauskommt, wenn man sich weigert, mit der Presse zu sprechen und wenn zudem noch nicht einmal ein Vertreter der Presse die Hauptverhandlung (in der der Freispruch erfolgte) mitverfolgt, zeigt nachfolgender Bericht der RZ:
"Missbrauchsprozess: Zweiter Freispruch für Stiefvater aus dem Kreis N. - Bereits zum zweiten Mal ist ein 42-jähriger Stiefvater vom Vorwurf des schweren Kindesmissbrauchs freigesprochen: Die Staatsanwaltschaft K. hatte dem Mann vorgeworfen, seine zwei Stieftöchter und seinen Stiefsohn in der Wohnung der Familie im Kreis A. und später in seiner Wohnung im Kreis N. zum Sex genötigt zu haben. Jetzt hat das Landgericht K. den 42-Jährigen freigesprochen – zum zweiten Mal. Damit endete für den Mann ein fast zweijähriger Rechtsstreit. Er saß gut ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, musste in zwei Prozessen auf die Anklagebank. Und: Er lebte permanent in der Angst, bei einer Verurteilung wegen Missbrauchs für Jahre hinter Gitter zu müssen.Für den Mann war der Freispruch ein Freudentag, sicher einer der wichtigsten Momente in seinem Leben. Trotzdem: Als er im Gerichtssaal von dem Freispruch hörte, zeigte er laut anderen Prozessbeteiligten keinerlei Reaktion."
Es war also wieder entschieden zu wenig Drama. Man erwartet offenbar von Freigesprochenen eine für alle wahrnehmbare Reaktion - ein Freudenschrei, die geballte Faust (kennen Sie die auch noch von Boris Becker, weiland in Wimbledon?), begleitet von einem "Yeah" oder "Jawoll", vielleicht gar von einer Kampfansage in Richtung Nebenklage. Dass mein Mandant - für den das Urteil genauso wenig überraschend war wie für alle anderen Beteiligten auch - ruhig blieb, hat natürlich wenig Dramatisches an sich.
Eine Schattenwirkung vieler Freisprüche ist, dass ihnen meist ein"Wo-Rauch-ist-ist-auch-Feuer" anhaftet. Fazit für die Betroffenen: sie tun gut daran, Wohnumfeld und Arbeitsstelle zu wechseln (so sie diesee nicht ohnehin durch die Haft verloren haben) und ihren Bekanntenkreis hinter sich zu lassen.
Darüber schreibt niemand (außer mir und vielleicht ein paar Verteidigerkollegen) und warum, dürfte klar sein: es ist- bei aller Dramatik, die für einen Unschuldigen mit einem solchen Prozess einhergeht - einfach zu wenig Drama.