Donnerstag, 30. Juni 2011

Wir überprüfen Sprichwörter - Heute: Qui s´excuse, s´accuse

Das war einer der Lieblingssprüche meiner früheren Französischlehrerin mit der unvergleichlichen platinblonden Einlegehochsteckfrisur, die ihr eine gewisse Vornehmheit verlieh und von der ich mich frage, wie lange es wohl jeden Morgen gedauert haben mag bis alle Haare im rechten Winkel in ihrem jeweiligen Klämmerchen lagen.

Er fiel mir wieder ein als ich kürzlich in einer Jugendstrafsache verteidigte und die Opferzeugin berichtete, dass sich drei der vier Angeklagten bei ihr im Nachgang zur in Rede stehenden Tat entschuldigt hätten. Mein Mandant war der, der sich nicht entschuldigt hatte. Wozu auch? Die Opferzeugin hatte ihn entlastet. Wer das trotzdem nicht gut fand, war die Frau Mama meines Mandanten, die hinten im Sitzungssaal saß und mehr als mürrisch dreinblickte.


Als sie ihrem Sprößling dann in einer Verhandlungspause auf dem Flur zuraunte, er solle sich gefälligst jetzt entschuldigen, schließlich hätten die Mitangeklagten das auch getan und was würde es denn für einen Eindruck machen, wenn er als Einziger und so weiter und so fort.


Ich gebot der aufgeregten Mutti Einhalt, was einiger sehr deutlicher Worte bedurfte, von deren Sinn sie erst überzeugt war, als ihr Sohn kurze Zeit später freigesprochen wurde.


Der Richterin glaubte sie, dass ihr Sohn nichts angestellt hatte. Der Zeugin nicht. Ihrem Sohn, der von Anfang an eine Beteiligung bestritten hatte, hatte sie offenbar auch nicht geglaubt. Schade. Ich habe sie gefragt, ob sie sich nicht bei ihrem Sohn entschuldigen wolle. Sie hat´s nicht kapiert. Auch schade.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Pro OLG Koblenz - Justizminister fordert Bedienstete zur Zurückhaltung auf

Ich hatte hier schon über die beabsichtigte Schließung des OLG Koblenz berichtet.

Dass der Protestmarsch vom 13.05.2011 erst der Anfang war und Justizbedienstete und Anwälte weiter für "ihr" OLG kämpfen wollen, beweist der Umstand, dass zwischenzeitlich ein Verein Pro Justiz Rheinland gegründet wurde.

Nach einem Bericht des swr soll ein Rundschreiben des Justizministers Hartloff bei der Gründungsversammlung des Vereins für Verärgerung gesorgt haben. In diesem fordere der Minister die Bediensteten zu mehr Zurückhaltung bei ihrem Protest auf.

Bleibt zu hoffen, dass das Schreiben genau das Gegenteil bewirken wird und der Protest gegen die Schließung des OLG Koblenz auch weiterhin laut erschallen wird - bis weit über die Stadtgrenzen von Zweibrücken hinaus.

Wieder mal: zu wenig Drama!

Ich hatte mich ja schon häufiger geoutet, dass ich nicht zu den Verteidigern gehöre, die ihre Nase in jede Kamera halten müssen und die scharf darauf sind, Gespräche mit der Presse zu führen.

Auskünfte, damit "mehr Drama" gemacht werden kann, sind bei mir nicht zu holen. Was aber dabei herauskommt, wenn man sich weigert, mit der Presse zu sprechen und wenn zudem noch nicht einmal ein Vertreter der Presse die Hauptverhandlung (in der der Freispruch erfolgte) mitverfolgt, zeigt nachfolgender Bericht der RZ:

"Missbrauchsprozess: Zweiter Freispruch für Stiefvater aus dem Kreis N. - Bereits zum zweiten Mal ist ein 42-jähriger Stiefvater vom Vorwurf des schweren Kindesmissbrauchs freigesprochen: Die Staatsanwaltschaft K. hatte dem Mann vorgeworfen, seine zwei Stieftöchter und seinen Stiefsohn in der Wohnung der Familie im Kreis A. und später in seiner Wohnung im Kreis N. zum Sex genötigt zu haben. Jetzt hat das Landgericht K. den 42-Jährigen freigesprochen – zum zweiten Mal. Damit endete für den Mann ein fast zweijähriger Rechtsstreit. Er saß gut ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, musste in zwei Prozessen auf die Anklagebank. Und: Er lebte permanent in der Angst, bei einer Verurteilung wegen Missbrauchs für Jahre hinter Gitter zu müssen.Für den Mann war der Freispruch ein Freudentag, sicher einer der wichtigsten Momente in seinem Leben. Trotzdem: Als er im Gerichtssaal von dem Freispruch hörte, zeigte er laut anderen Prozessbeteiligten keinerlei Reaktion."

Es war also wieder entschieden zu wenig Drama. Man erwartet offenbar von Freigesprochenen eine für alle wahrnehmbare Reaktion - ein Freudenschrei, die geballte Faust (kennen Sie die auch noch von Boris Becker, weiland in Wimbledon?), begleitet von einem "Yeah" oder "Jawoll", vielleicht gar von einer Kampfansage in Richtung Nebenklage. Dass mein Mandant - für den das Urteil genauso wenig überraschend war wie für alle anderen Beteiligten auch - ruhig blieb, hat natürlich wenig Dramatisches an sich.

Eine Schattenwirkung vieler Freisprüche ist, dass ihnen meist ein"Wo-Rauch-ist-ist-auch-Feuer" anhaftet. Fazit für die Betroffenen: sie tun gut daran, Wohnumfeld und Arbeitsstelle zu wechseln (so sie diesee nicht ohnehin durch die Haft verloren haben) und ihren Bekanntenkreis hinter sich zu lassen.

Darüber schreibt niemand (außer mir und vielleicht ein paar Verteidigerkollegen) und warum, dürfte klar sein: es ist- bei aller Dramatik, die für einen Unschuldigen mit einem solchen Prozess einhergeht - einfach zu wenig Drama.

Dienstag, 7. Juni 2011

Forensische Pathologie - Erinnerungen

Die Kollegin Braun berichtet hier von einem Todesfall, dessen olfaktorische Auswirkungen sie gleichsam aus nächster Nähe mitbekommen hat, was ihr und ihrer Nachbarin immerhin einen therapeutischen Schnaps einbrachte.

Bei mir ist es schon etwas länger her, dass ich in die Situation geraten war, eine (geöffnete) Leiche aus der Nähe mit allen Sinnen wahrzunehmen. Es war zu Beginn der 90er Jahre. Jeden Freitagnachmittag fand sich in der Bonner Gerichtsmedizin ein kleines Grüppchen Studenten zur Vorlesung über forensische Pathologie zusammen. Anfangs war es kein kleines Grüppchen, sondern der Hörsaal war voll. Das änderte sich schlagartig nach dem Diavortrag des Dozenten über die unterschiedlichen Arten, wie Menschen zu Tode kommen können, weshalb eine Ansage vor Beginn der Vorlesung lautete: "Damit sie nicht erst lange suchen müssen: die nächsten Toiletten befinden sich den Gang runter auf der linken Seite."

Gegen Semsterende war es dann soweit: ein harter Kern fand sich zusammen um einer Leichenöffnung beizuwohnen. Visuell war man nun dank der Diavorträge auf Einiges gefasst, aber was den Geruch anbelangt, war ich noch einige Wochen und diverse Vollwaschgänge später der Meinung, dieser hafte an meiner Kleidung. Meinen Kommilitonen von damals ging es ähnlich, aber wir hielten tapfer durch und belohnten uns im Anschluss mit einem ausgiebigen Hamburgeressen bei einer nahegelegenen Fast-Food-Kette.

Für die hier mitlesenden Studenten: Die Vorlesungen in forensischer Pathologie zählten zu den mit Abstand Spannendsten des gesamten Studiums und sind Garant dafür, dass einen im späteren Juristenleben (egal ob als Verteidiger, Staatsanwalt oder Strafrichter) so schnell kein Bildmaterial umhaut.







Montag, 6. Juni 2011

Ehrlich läuft am Längsten

Meistens ist es keine gute Idee, wenn Leute sich selbst verteidigen.

Nachdem ein Bußgeldbescheid gegen ihn ergangen war, beauftragte der Mandant mich mit der Einlegung des Einspruchs gegen Selbigen. Gesagt, getan - Einspruch eingelegt, Akte angefordert.

Nicht schlecht gestaunt habe ich als ich der Akte entnahm, dass sich das Verfahren ursprünglich gegen eine Dame richtete. Das Radarfoto zeigte eine Person, deren Geschlecht man nur erraten konnte. An sich ein Grund zur Freude, denn anhand des Fotos eine Identifizierung vorzunehmen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Um der Bußgeldstelle jedoch weitere Umstände zu ersparen, hatte der Mandant auf dem an die Halterin gerichteten Fragebogen seine Fahrereigenschaft bereits eingeräumt mit der Folge, dass er demnächst die Einrichtungen des ÖPNV nutzen bzw. zu Fuß gehen darf.

Liebe Leser: bitte machen Sie keinen Unfug beim Ausfüllen von behördlichen Fragebögen. Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt. Gerade machen Meldungen die Runde, wonach mal wieder die Klimaanlagen in deutschen Zügen ausgefallen sein sollen. Wollen Sie sich ernsthaft den Imponderabilien öffentlicher Verkehrsmittel aussetzen? Bei DER Hitze? Falls nicht, fragen Sie rechtzeitig jemanden, der sich damit auskennt.