Mittwoch, 26. April 2017

Nein, wir werden keine Freundinnen

Die augenzwinkernde Feststellung eines Amtsrichters nach einem Verfahren, in dem ich verteidigt und eine Kollegin für einen mutmaßlich Geschädigten einen Adhäsionsantrag gestellt hatte, lautete, dass wir keine Freundinnen mehr würden. Ein zutreffendes Fazit nach 6 Tagen Hauptverhandlung.

Adhäsionsanträge, also zivilrechtliche Ansprüche im Rahmen eines Strafprozesses sind der papiergewordene Alptraum eines jeden Strafrichters, der mit zivilrechtlichen Ansprüchen in etwa so viel am Hut hat wie ein Verwaltungsrichter mit Kindesunterhaltsansprüchen

Strafverteidiger hingegen sind oftmals der fleischgewordene Alptraum ihrer zivilrechtlich tätigen Kollegen. Das liegt sicher darin begründet, dass die Zivilisten Prozesse vorwiegend schriftlich führen und meist nur kurz zu Gericht müssen um ihre Anträge zu stellen, wohingegen Strafverteidiger relativ wenig schreiben, dafür aber im Gerichtssaal die Klingen kreuzen, was gelegentlich als schlechtes Benehmen empfunden wird.

Aus Sicht der Kollegin hatte ich mich schon gleich nach Beginn der Hauptverhandlung daneben benommen, weil ich moniert hatte, dass die Kollegin auf gleicher Höhe wie die Staatsanwaltschaft saß. Also stellte ich einen Antrag zur Sitzordnung mit dem Argument, dass hier keine Nebenklage im Raum stünde, weshalb die Kollegin im Zuschauerraum Platz zu nehmen habe.  Das Gericht bügelte den Antrag ab, die Kollegin durfte Platz behalten und ich - ich war bei ihr unten durch. Fortan rollte sie bei jedem meiner Anträge (auch bei denen, denen das Gericht nachkam) die Augen, ließ sich - wenn ihr meine Fragen mißfielen - übellaunig sowie unter Wiedergabe schnaubend-nasaler Geräusche in ihren Stuhl zurückfallen und erweckte insgesamt den Eindruck als sei das von ihr an den Tag gelegte Engagement fehlgeleitet, nachdem es ihr bis zum Ende des Verfahrens nicht gelungen war, ihre Klage der Höhe nach auch nur im Ansatz schlüssig zu machen.

Wenn so ein Unternehmen Adhäsionsklage scheitert, ist der Strafrichter nicht böse drum und der Anspruchsteller gehalten, sein Heil beim Zivilgericht zu suchen, wo es dann - sozusagen in alter Freundschaft - in die nächste Runde geht.







Donnerstag, 20. April 2017

Wenn nichts mehr geht - geh´ ich zum Fernsehen

Gelegentlich höre auch ich jedoch von (potentiellen) Mandanten, sie würden sich ans Fernsehen wenden, damit ihr Fall - nachdem die Justiz auf ganzer Linie versagt habe - das ihm gebührende Gehör finden werde. Meist werden in solchen Fällen Privatsender genannt, die allerlei lustige Formate zu Tage fördern, die dem Zuschauer fernab von Sendezeiten, die auf einen Berufsalltag zugeschnitten sind, suggerieren sollen, wie es in der Justiz zugeht oder aber wie einfach doch Konfliktlösung mittels Mediation sein kann. Harmloser, analogjuristischer Klamauk mit Laiendarstellern, könnte man meinen und bei Licht betrachtet ist es oft auch nicht mehr. Problem ist nur, dass allzu viele Menschen diesen Mummenschanz ernst nehmen und glauben, ein solches Format könnte ein Gericht zur Aufgabe seiner Entscheidung bewegen. Der Privatsender als Superrevisionsinstanz sui generis.

Vor nicht allzu langer Zeit wandte sich ein Herr an mich mit der Bitte, seinen Fall pro bono, also umsonst, zu verteidigen. Er habe bereits die Presse eingeschaltet. Diese und das Fernsehen würden seinen Fall ganz groß rausbringen und mich als seine Verteidigerin noch größer. Ich solle mich schon einmal für ein erstes Interview bereit halten und vorsorglich Schreibtisch und Frisur ordnen.

Ich habe das Mandat dankend abgelehnt und den Herrn an mir bekannte Kollegen verwiesen, von denen ich meine, dass sie u.a. ob ihrer häufigen Medienpräsenz dieser Verantwortung besser gerecht werden. Dankesschreiben der genannten Kollegen ob meiner Vermittlungsbemühungen sind bislang leider ausgeblieben.


Donnerstag, 13. April 2017

Der ferngesteuerte Schlafanzug

Ein Strafbefehl über 30 Tagessätze ging meinem Mandanten zu mit folgendem Inhalt:

" Ihnen wird nach dem von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt zur Last gelegt, am (..) in (...) zwei andere beleidigt zu haben.

Nachdem Sie auf dem W-Platz den Eheleuten F und S erläutert hatten, wie man sich als Gast in Deutschland zu benehmen hat, zeigten Sie Ihr eigenes Benehmen, indem Sie die Zeugin F mehrfach als dumme (...) und den Zeugen S als ferngesteuerten Schlafanzug beschimpften (...)."

Die so Titulierten hatten der Polizei das Pkw-Kennzeichen des Täters mitgeteilt und eine Beschreibung seiner Person. Während das Kennzeichen auf meinen Mandanten hindeutete, tat es die Personenbeschreibung nicht, und zwar ganz und gar nicht. Um dem Mandanten eine Hauptverhandlung zu ersparen, wies ich auf diesen Umstand hin, was das Gericht dazu veranlasste, die Akte nochmal an die Polizei zu schicken mit der Bitte, sich meinen Mandanten einmal anzusehen. Nachdem ein Beamter dies getan hatte, staunte ich nicht schlecht, als mir das Ergebnis der Ermittlung zugeleitet wurde. In diesem lautete es, man habe meinen Mandanten aufgesucht und dieser habe angegeben, der Beschuldigte zu sein. Nun ist es relativ unwahrscheinlich, dass ein Beschuldigter sagt: "Ich bin der Beschuldigte", aber sei´s drum. Mehr gab der Bericht nun mal nicht her, insbesondere zu der erheblichen Abweichung im Phänotyp hatte der Ermittler nichts verschriftet.

In der Hauptverhandlung erschienen die Zeugen F und S, der Polizeibeamte P sowie eine Schulklasse, die im Zuschauerraum Platz nahm. Einen Schlafanzug trug übrigens niemand.

F und S sagten aus, meinen Mandanten nie zuvor gesehen zu haben, derweil P wie erwartet ins Schleudern geriet. Ja, es könne auch sein, dass mein Mandant gesagt habe, er sei Halter des Pkw und nicht er sei der Beschuldigte und nein, ob er ihn überhaupt als Beschuldigten belehrt habe, wisse er doch heute nicht mehr.

Die anwesenden Schüler lernten an diesem Tag für´s Leben:
1. Reden ist Silber...
2. Nicht jeder, der auf der Anklagebank sitzt, ist schuldig.
3. Die Bezeichnung eines Anderen als "ferngesteuerter Schlafanzug" kann eine Beleidigung darstellen.





Montag, 10. April 2017

Der Richter und das Rumpelstilzchen

Wenn es im Rahmen eines Strafverfahrens darum geht, Ansprüche geltend zu machen, die eigentlich vor ein Zivilgericht gehören, kann sich ein (mutmaßlich) Geschädigter des sogenannten Adhäsionsverfahrens bedienen. Das funktioniert dann wie ein Zivilprozess während eines Strafprozesses, zwei Verfahren in einem sozusagen und stellt meist den langweiligsten Teil des Verfahrens dar, vor allem dann, wenn es um die Frage der Schadenshöhe geht.

Einem (mutmaßlichen) Mittäter meines Mandanten war vorgeworfen worden, den Pkw des Adhäsionsklägers beschädigt zu haben.
Zur Schadenshöhe sollte der Eigentümer des Fahrzeuges, mit dem mutmaßlichen Opfer verwandt, befragt werden und dieser hatte so gar keine Lust, Fragen zu beantworten. Nun war es dem Zeugen offenbar zu einfach, die Aussage zu verweigern, wozu er qua Verwandtschaftsverhältnis ja berechtigt gewesen wäre und so schloss sich der diesbezüglichen Belehrung des Vorsitzenden eine skurrile Szene an.

Der Zeuge gab vor, seinen Namen vergessen zu haben, genauer gesagt, seinen Vornamen, denn sein Nachname ergab sich aus der Akte. In gleicher Weise äußerte er sich zu seiner Adresse sowie seinem Alter. Der Vorsitzende Richter versuchte es zunächst noch auf die freundliche Tour und erkundigte sich höflich, ob dem Zeugen nicht wohl sei. Dies griff der Zeuge dankbar auf und behauptete, er sei eigentlich krank und gehöre ins Bett und nicht in einen Gerichtssaal. Deshalb habe er auch alles zu seiner Person vergessen. Die Art und Weise wie er dabei grinste, ließ den Richter indes vermuten, er habe es mit einer Art Rumpelstilzchen zu tun, das sich einen Spaß aus der Hauptverhandlung machte, was dazu führte, dass das Stimmungsbarometer recht zügig fiel. Es war ein seltenes Schauspiel, das Richter und Rumpelstilzchen ablieferten und beinahe schade, dass es nach Androhung eines empfindlichen Ordnungsgeldes doch recht zügig vorbei war.

Immerhin brachte die sich anschließende Befragung durch die Verteidigung hervor, dass der Fahrzeugschaden "schwarz" repariert worden war. Ach ja, wie hoch die nicht vorhandene Rechnung war, konnte Rumpelstilzchen nicht sagen. Vielleicht hatte er das tatsächlich vergessen. 

Donnerstag, 6. April 2017

Der Staatsschutzkammer Wunderkammer

Das Dienstzimmer des Vorsitzenden Richters der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz ist ein Panoptikum, eine Wunderkammer - so jedenfalls führen es seine Kollegen aus in einem Beschluss, mit dem zahlreiche Befangenheitsanträge der Angeklagten des Aktionsbüro Mittelrhein Verfahrens als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Begründet wurden die Befangenheitsanträge mit einem Aufkleber, der an der Milchglastür des Dienstzimmers des abgelehnten Vorsitzenden angebracht ist, den man jedoch vor der Tür stehend - freilich spiegelverkehrt - wahrnehmen kann.  Dieser runde Aufkleber zeigt als Silhouette auf weißem Grund das Profil eines Burschenschafters mit Mütze. Der Aufkleber ist rot umrandet, trägt innerhalb des Randes die Aufschrift "falsch-verbunden" (Hinweis auf eine Internetseite "falsch-verbunden.net", wobei das Wort "net" überklebt worden war) und enthält in der Mitte einen schräg verlaufenden roten Balken, ähnlich einem Parkverbotsschild.
Die Zielrichtung des Aufklebers beschränkt sich damit erkennbar nicht isoliert auf die Vereinigung "Deutsche Burschenschaft". Sowohl inhaltlich ("falsch verbunden") als auch in Anbetracht der politischen Richtung, die diesen Aufkleber vertreibt, transportiert er die Aussage, die sich schlagwortartig auf den Nenner "Gegen Rechts!" bringen läßt. 

Die Angeklagten, denen die Anklage vorwirft, sie hätte eine kriminelle Vereinigung gebildet bzw. unterstützt und ihr Ziel sei es gewesen, einen nationalsozialistischen Staat zu errichten, besorgten daher die Befangenheit des Richters.

Nun muss man wissen, dass Befangenheitsanträge nicht dann erfolgreich sind, wenn ein Richter tatsächlich befangen IST. Maßgeblich ist, ob ein Angeklagter eine entsprechende BESORGNIS hegt, die nachvollziehbar ist. Dass Angeklagte, die dem politisch rechten Spektrum angehören, angesichts der einem solchen Aufkleber innewohnenden Aussage den Eindruck gewinnen, der Richter könnte ihnen gegenüber den Boden der Neutralität verlassen haben, erstaunt nicht.

Entsprechend groß war das Erstaunen gestern als der Vorsitzende gegen 14.05 Uhr den Beschluss der Kammer verlas, die über die Befangenheitsanträge entschieden hatte.

Der Aufkleber an der Innenseite der Milchglasscheibe der Tür zum Dienstzimmer sei nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Objekten im Dienstzimmer zu betrachten und zu bewerten. Das Dienstzimmer enthalte eine sehr große Vielzahl von Objekten aus der langjährigen Dienstzeit des Vorsitzenden. Sämtliche Wände und auch sonst nahezu jeder Quadratmeter des Dienstzimmers sei mit Objekten vollgestopft. Alle diese Objekte hätten gemeinsam, dass sie einen sprachlich-humoristischen Aspekt aufwiesen. Der Aufkleber mit einer Silhouette, die ein Mitglied einer studentischen Verbindung darstellen soll (Burschenschaft), enthalte das Wortspiel "falsch verbunden.". Im Zusammenhang mit den übrigen Objekten aus der umfangreichen "Kuriositätensammlung" des Vorsitzenden sei für jeden vernünftigen Betrachter erkennbar, dass der Aufkleber nicht aufgrund einer irgendwie gearteten politischen Aussage, sondern aufgrund des sprachlich-humoristischen Aspekts des Wortspiels "Verbindung" und "falsch-verbunden." in die Sammlung aufgenommen worden sei.

Ein Wortspiel also, Teil einer Kuriositätensammlung im Dienstzimmer eines humorvollen Richters und nur in diesem Gesamtzusammenhang zu sehen. Nun findet die Hauptverhandlung seit August 2012 aber nicht IM Dienstzimmer des Richters statt, sondern im Schwurgerichtssaal.  Das Dienstzimmer kennt mein Mandant nur von außen und von dort sieht man den Aufkleber.

Man fühlt sich erinnert an die Entscheidung des Landgerichts Rostock betreffend den Strafrichter, dessen T-Shirt die Aufschrift "Ich gebe Ihrer Zukunft ein Zuhause - JVA" trug und dem seine Kollegen ebenfalls Humor bescheinigt hatten. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Besorgnis der Befangenheit, die der Angeklagte gegen den Richter aufgrund der Aufschrift hegte, bestätigt. Ich bin mir sicher, dass dieser Richter noch weitere T-Shirts IM Schrank liegen hatte.