Dienstag, 30. November 2010

Sprachkurs nach der Nature One

Die Nature One zählt wohl zu den bekanntesten "Festivals der elektronischen Tanzmusik" und findet alljährlich im eher beschaulichen Hunsrück statt.

Dass dort Drogen verkauft und konsumiert werden, ist kein Geheimnis. Ein aus den Niederlanden stammender Mandant hat sich dort durch Verkauf von Pacs den Eigenkonsum finanziert, wurde festgenommen und landete in der nahegelegenen JVA.

Nach 4 Monaten wurde er heute nach einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe auf freien Fuß gesetzt und dürfte sich inzwischen auf dem Rückweg in die Heimat befinden.

Die 4 Monate in der JVA habe er seinem Studium der Elektrotechnik nicht nachgehen können, mangels Deutschkenntnissen habe er sich auch nicht mit Mithäftlingen unterhalten können und daher häufig ferngesehen. Ein wenig Deutsch habe er hierbei gelernt.

Im Plädoyer habe ich darum gebeten, meinen Mandanten nicht mit einer Fortsetzung des unfreiwilligen Deutschkurses zu ahnden. Das Gericht gab ihm in der Urteilsbegründung mit auf den Weg, dass er von einer Auffrischung derselben im kommenden Jahr im Rahmen der Nature One tunlichst absehen solle.

Freitag, 26. November 2010

Das wichtige Glied

Heute Nachmittag rief mich ein lieber Kollege an und nachdem wir "unseren" Fall besprochen hatten, gerieten wir ins Plaudern.

Leute über 30 schwelgen dann schon mal recht schnell in Erinnerungen an die Studentenzeit (gibt es sowas wie ein Feuerzangenbowlenphänomen?) und so war es auch bei uns.

Mein Kollege vermochte die Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen noch sehr genau anhand ihres Phänotyps zu beschreiben: die Zivilrechtler waren die im Dreiteiler, die lässig mit einer Hand in der Hosentasche pralierend ihre Vorlesungen hielten. Die Öffentlichrechtler trugen meist Kombinationen, die manchmal nicht recht zueinander passen wollten und die Strafrechtler waren die in den Cordhosen (teils mit Flicken). Wir haben zwar an unterschiedlichen Universitäten studiert, aber auch ich erkannte den ein oder anderen meiner Professoren in der Beschreibung wieder.

Einig waren wir uns darin, dass die Strafrechtler den größten Unterhaltungswert hatten. Ich erinnere einen Professor, der ein Merkmal der schweren Körperverletzung, nämlich den Verlust eines wichtigen Gliedes wie folgt erklärte: "Stellt man sich die Frage, ob auch das männliche Glied ein sogenanntes wichtiges Glied ist. Nach der Definition ist dies dann der Fall, wenn es mit einem anderen Körperteil durch ein Gelenk verbunden ist. Dies wird man beim männlichen Glied verneinen müssen, obschon es sehr beweglich ist..." Alles Weitere ging im Gelächter unter.

Herrlich. Da wünscht man sich glatt, nochmal in einer Vorlesung zu sitzen.

Dienstag, 23. November 2010

Wir überprüfen zur Abwechslung mal eine Redewendung: Tacheles reden

Anwälten wird ja häufig vorgeworfen, sie drückten sich so aus, dass ein Nichtjurist kaum in der Lage sei, sie zu verstehen.

Bei den meisten Strafverteidigern, die ich kenne, ist das anders, denn die sind es gewohnt, sich je nach Klientel sprachlich auf ein Level zu begeben, das manch einem ausschließlich zivilrechtlich orientierten Anwalt eher fremd ist.

Es ist zwar schon einige Jahre her, aber ich erinnere mich immer wieder gerne an einen Prozess, in dem ich zusammen mit einer sehr geschätzten Kollegin verteidigte. Die Kollegin und ich waren uns einig, dass unsere Mandanten von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen würden und hatten das mit diesen auch so im Vorfeld besprochen. Am 1. Hauptverhandlungstag erschien der Mandant der Kollegin und erklärte, er habe sich das nochmal überlegt, er wolle eine Aussage machen. Er sei schließlich unschuldig und auch sein Zellengenosse habe ihm dazu geraten.

Solche Auswüchse der "Knastberatung" kennt man als Verteidiger und man könnte gleich noch das Sprichwort mit dem Propheten und dem eigenen Land prüfen, aber zurück zum Wesentlichen:

Zunächst hatte die Kollegin noch versucht, ihrem Mandanten klarzumachen, dass sie besser wisse, was gut für ihn sei als ein Zellengenosse, dass das Gericht aus seinem Schweigen keine nachteiligen Schlüsse ziehen dürfe etc.. Da der Mandant aber derart vernünftigen Argumenten nicht zugänglich war, der Zeiger der Uhr immer weiter in Richtung der 9 rückte und der Kollegin hörbar die Hutschnur krachte, brüllte sie ihn an:

"Du hältst das Maul, sonst ist hier Achterbahn!!"

Das war das, was man unter Tacheles versteht. Es hat übrigens gewirkt.

Donnerstag, 18. November 2010

Allgemeine Verkehrskontrolle mal anders

Liebe Leser,

wenn Sie schon immer mal wissen wollten, wie eine "allgemeine Verkehrskontrolle" ein wenig belebt werden kann, dann schauen Sie mal hier:

http://www.youtube.com/watch?v=yvWyWqsJYXw&feature=related

Wenn zufällig jemand weiß, wo man diese reizende Wachtmeisterhandpuppe erwerben kann, bin ich für einen Hinweis dankbar. Mir fallen da spontan ein paar Kollegen ein, denen ich zu Weihnachten damit eine ganz große Freude machen könnte.

OWi-Quickie

Ganze 7 Minuten dauerte die Hauptverhandlung in der OWi-Sache heute vormittag.

Die bis knapp unter 1 Promille angeschickerte mofafahrende Mandantin war ohne ihr Verschulden von einem Pkw angefahren worden. Unabhängig von der Frage der zivilrechtlichen Haftung für das zerdepperte Mofa ging es in dem gegen sie gerichteten OWi-Verfahren um ihr Fahren unter Alkoholeinfluss, das mit strammen 750 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot geahndet worden war.

An dem Vorwurf selbst gab es wenig zu deuteln, wohl aber an der Höhe der Geldbuße.

Der Richter sah das genauso, der Einspruch wurde auf die Rechtsfolgen beschränkt, die Geldbuße deutlich herabgesetzt und eine Ratenzahlung bewilligt.

Wie gesagt - 7 Minuten (und das obwohl die einzig geladene Zeugin einen fünfsilbigen Doppelnamen hatte).

Mittwoch, 17. November 2010

Wir überprüfen Stichwörter. Heute: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen

Eine Prozesssituation, wie sie häufig vorkommt: eine Strafkammer stellt fest, dass Fortsetzungstermine benötigt werden und bittet die Verfahrensbeteiligten, entweder im Kalender nachzusehen oder mit ihrem Büro zu telefonieren. Ich greife zum Handy: beide Telefonleitungen in meinem Büro sind besetzt. Ich muss dreimal anwählen, bevor eine Leitung frei ist und meine Sekretärin sich meldet.

Zwischen den Anrufen sieht sich der Vorsitzende zu der Bemerkung bemüßigt, dass meine Büroorganisation verbesserungsbedürftig sei.

Man mag von einem besetzten Kanzleitelefon halten, was man will (vielleicht sogar einfach, dass eine Kanzlei gut frequentiert ist), aber wenn die eigene Geschäftsstelle es nicht auf die Reihe bekommt, den Verfahrensbeteiligten, die für 9.00 Uhr geladen sind, vorterminlich mitzuteilen, dass der einzige Zeuge an diesem Tag erst um 13.30 erscheint und somit dafür sorgt, dass man sich geschlagene 4 Stunden in der zugigen Kantine aufhalten darf, dann ist es unvorteilhaft, sich über eine nur wenige Minuten Verzögerung verursachende besetzte Telefonleitung dergestalt zu äussern. Gleiches gilt, wenn alle Verfahrensbeteiligten auf den Protokollführer warten, zu dem es offenbar nicht vorgedrungen war, dass die Verhandlung um 8.30 Uhr statt um 9.00 Uhr beginnt und der es (Heimvorteil!) nicht einmal nötig hatte, die Verzögerung zu entschuldigen.

Ergebnis: das Sprichwort stimmt.

An dieser Stelle ein Dank an meine Mitarbeiterinnen, die zwar auch nichts daran ändern können, dass ich ausgerechnet dann anrufe, wenn alle Leitungen besetzt sind, aber bei freien Leitungen immer ein offenes Ohr haben und selbst dann noch gut gelaunt sind, wenn meine Laune längst verhagelt ist.

Dienstag, 16. November 2010

Der Kronzeuge und das Lustprinzip

Erst war er noch recht auskunftsfreudig, der Kronzeuge. Als sich dann aber dunkle Wolken über ihm zusammenzogen, zog er es vor, zu antworten, er wolle auf die von der Verteidigung gestellte Frage nicht antworten.

Die Kammer erklärte ihm dann den Unterschied zwischen Zeugenpflicht und Lustprinzip. Unmissverständlich. Daraufhin bequemte er sich dann doch noch zu einer Antwort.

Zu seinem Leidwesen muss er nochmal wiederkommen. Es sind noch so viele Fragen offen...

Donnerstag, 11. November 2010

Narrhalla - wir schlumpfen in Hippinesien

Am 11.11. beginnt bekanntlich im Rheinland die 5. Jahreszeit.

Man erkennt dies als bekennender Nichtkarnevalist in der Regel daran, dass erwachsene Menschen in farbenfrohen, meist schlecht geschnittenen Sakkos mit bunten Stickern auf den Revers und - nun sagen wir - lustig anmutenden Kopfbedeckungen einen Teil des Straßenbilds beherrschen. Bisweilen führen sie Musikinstrumente bei sich, die zur Gattung der "Dickebackenmusik" zählen. Gelegentlich können sie nicht mehr so ganz richtig geradeaus gehen, oft verbunden mit einem strengen Mundgeruch, den man auch unter dem Begriff "Fahne" kennt. Entkommt man ihnen nicht rasch genug, läuft man Gefahr, ungefragt "gebützt" zu werden, für Nichtkarnevalisten eine Form des Erstkontakts, die gemeinhin als despektierlich empfunden wird und je nach charakterlicher Prägung schon mal in einem dissozialen Impulsdurchbruch enden kann.

Als Strafverteidiger erkennt man den Beginn der 5. Jahreszeit daran, dass der Kanzleiumsatz, der mit Trunkenheitsdelikten erwirtschaftet wird, ansteigt.

Für die Schnittmenge beider Personengruppen, also den nichtkarnevalistischen Strafverteidiger, der einzige Vorteil der Karnevalszeit.

Einen Einblick hinter die Kulissen eines Oberkarnevalisten gibt´s übrigens hier bei Gerhard Polt.
Helau, liebe Leser! *ein Tusch*

Mittwoch, 10. November 2010

Der Zeuge bekundet - nichts

Beim ersten Beweisaufnahmetermin in einer Zivilsache glänzte der Zeuge durch Abwesenheit. Die übrigen Zeugen wurden vernommen und bestätigten allesamt den Vortrag meines Mandanten.

Die Gegenseite bestand verständlicherweise auf der Vernehmung ihres Zeugen, den sie zum Beweis des Gegenteils benannt hatte.

Dann der große Tag: der Zeuge erschien und bekundete zum Beweisthema - nichts. Gar nichts. Er war nicht mal am fraglichen Tag am behaupteten Ort gewesen.

Auch gut.

Montag, 8. November 2010

Mit dem Kopf durch die Wand

"Ich könnte mit dem Kopf voran durch die Wand rennen", meinte ein Mandant zur Begrüßung als ich ihn kürzlich in der JVA besuchte.

Als Verteidiger denkt man da sofort in Richtung Haftkoller, hervorgerufen durch die Trennung von der Familie und/oder den Umstand, dass Untersuchungshaft 23 Stunden am Tag Zelle bedeutet.

In diesem Fall war es ein wenig anders.

Seit fünf Tagen habe er nicht mehr geraucht. Die versprochene Zahlung seiner Familie auf seinem Gefangenengeldkonto sei noch nicht eingegangen und Mithäftlinge anschnorren wolle er nicht. Also müsse er weiter schmachten. Einfach sei das zwar nicht, aber vielleicht schaffe er es ja auf diese Weise, sich das Rauchen abzugewöhnen.

Warten wir ab, wieviele Wände er schafft. Sollte ihm im Rahmen seines Entzugsprogramms der Ausbruch gelingen, dürfte der Ausbruch nicht strafrechtlich geahndet werden - ganz im Gegensatz zu den dabei verursachten Sachbeschädigungen.

Freitag, 5. November 2010

Alle Zähler wieder auf Null - Präsidentenposten beim OLG Koblenz wieder vakant

Kein Strafprozess, sondern ein Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht, der gestern zu Ende ging, beschäftigt derzeit die Koblenzer Justiz.

Hintergrund war die Ernennung von Ralf Bartz zum Präsidenten des Oberlandesgerichts durch den rheinland-pfälzischen Justizminister Bamberger. Dieser hatte Bartz ernannt, noch bevor dessen Konkurrent, der Präsident des Landgerichts Graefen, seine Rechtsmittelmöglichkeiten ausgeschöpft hatte.

Grundsätzlich gilt die sog. "Ämterstabilität", d.h., wer einmal in ein Amt ernannt ist, kann nicht mehr aus selbigem befördert werden. Von diesem Grundsatz wich das Bundesverwaltungsgericht nun offensichtlich ab.

Wir dürfen gespannt sein auf das schriftliche Urteil.

Der Posten des Präsidenten am Koblenzer OLG ist nun wieder vakant.

Donnerstag, 4. November 2010

Das bringt doch alles nichts!

Meine Mandantin hatte ihre Mutter im Schlepptau als sie zum Termin erschien. Vorwurf: sie soll unter Drogeneinfluss Auto gefahren sein. Eine Vorsatztat, für die der Bußgeldbescheid einen Monat Fahrverbot und 500 € Geldbuße vorsah.

"Das bringt doch alles nichts!", tönte die Frau Mama lauthals auf dem Flur. Meine Frage, wie sie das beurteilen könne, blieb unbeantwortet. Das einzige Laut, der ertönte, war ein verächtliches Schnauben.

Die Verhandlung lief wie erwartet: der Polizist konnte sich auf konkrete Nachfrage nicht mehr genau erinnern, welche Ausfallerscheinungen er (abweichend vom Arzt!) beobachtet haben wollte und da auch die Konzentration der im Blut der Mandantin festgestellten Abbauprodukte der Drogen für einen länger zurückliegenden Konsum sprachen, kam nur noch eine fahrlässige Begehungsweise in Betracht.

Ergebnis: Reduzierung der Geldbuße um die Hälfte und eine schweigsame Mutter.

Mittwoch, 3. November 2010

Einmal Knast und zurück

Kollege Müller berichtet hier von einer richterlich genehmigten Reise in die JVA und zurück (!).

Unlängst hatte ich in einer Umfangssache ebenfalls beantragt, meine Fahrten in die JVA W. zu meinem Mandanten für erforderlich zu erklären. Eine Amtsrichterin lehnte meinen Antrag ab unter Hinweis darauf, dass Fahrten in die JVA ohnehin von der Pflichtverteidigerbeiordnung umfasst seien. Dem Grunde nach hat sie ja Recht. Tatsächlich aber kennt sie vermutlich die Auseinandersetzungen zwischen Verteidigern und Revisoren nicht, die sich gelegentlich auch um die Frage ranken, welche Fahrt aus welchem Grund notwendig gewesen sein soll.

Ich habe ihr geantwortet, dass ich gleichwohl um Verbescheidung bitte, um späteren Meinungsverschiedenheiten mit dem Bezirksrevisor vorzubeugen. Prompt kam ein paar Tage später der gewünschte Beschluss.

Nach festgestellter Erforderlichkeit reist es sich beschwingter.

Dienstag, 2. November 2010

Keine Auswechslung wegen fehlender Vollmacht

Ein Amtsrichter schreibt mir, dass eine Auswechslung des Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt, da ich meine Wahlverteidigung nicht durch Vorlage einer Vollmacht nachgewiesen hätte.

Ich stehe nun vor der Grundsatzfrage, ob der Amtsrichter und ich eine Brieffreundschaft begründen sollen, ich einfach als Wahlverteidiger zu dem Termin anrücke oder ihm kommentarlos die Vollmachtsurkunde auf´s Fax lege.

Egal, wie ich mich entscheiden werde, die Verhandlung wird - wie üblich bei diesem Gericht - prozessual interessant werden.