Donnerstag, 20. Dezember 2012

Aktionsbüro Mittelrhein - Nikolausschöffe ist raus!

Ich hatte hier darüber berichtet, dass ein Befangenheitsgesuch gegen einen Schöffen angebracht worden war, weil dieser am Nikolaustag den beiden Staatsanwälten Schokoladennikoläuse an den Sitzplatz gestellt hatte.

Heute wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt - ohne den Schöffen.

Der Vorsitzende begründete die Entscheidung der Kammer nicht weiter, sondern sagte lediglich im Hinblick auf sich selbst sowie seine beiden Beisitzer: "Wir 3 haben zusammen 100 Jahre Berufserfahrung und es ist das erste Mal, dass wir einen Befangenheitsantrag für begründet ansehen."

An die Stelle des Nikolausschöffen ist einer der beiden Ergänzungsschöffen gerückt, so dass der Prozess nicht erneut begonnen werden muss. In großen Prozessen ist es üblich, dass die Kammer mit Ergänzungsrichtern und Ergänzungsschöffen besetzt ist, damit das Verfahren nicht "platz" falls ein Kammermitglied krank wird oder - wie hier - wegen der Besorgnis der Befangenheit ausscheidet.

Der Fall des Nikolausschöffen zeigt, wie schlecht es teilweise um das prozessuale Wissen von Schöffen bestellt ist. Ich frage mich seit Jahren, warum es nicht verpflichtende Lehrveranstaltungen für Schöffen gibt, die diese besuchen müssen, bevor sie über andere Menschen urteilen dürfen.

Montag, 17. Dezember 2012

Weihnachtsrobe mit güldenem Besatz

Mir ist seit spätestens heute Morgen richtig weihnachtlich zumute. In der Mission Zeugenbeistand hatte ich um 9.00 Uhr einen Termin beim Amtsgericht N. und konnte zwei Stunden lang (bis endlich auf die Vernehmung meines Mandanten verzichtet wurde) die Prozessbeteiligten betrachten. Der männliche Schöffe sah in einem grau-weiß geringelten Pullover bei mittig durchaus vorhandener Körperfülle ein wenig unvorteilhaft aus. Die weibliche Schöffin trug einen Schal mit den Ausmaßen eines Perserteppichs und ebensolchem Muster und kaute fleissig Kaugummi. Der Kollege, der den Angeklagten verteidigte, trug eine Robe, wie ich sie noch nirgendwo gesehen hatte.

Nun ist es ja so, dass sich Richter- und Rechtsanwaltsroben in einem wesentlichen Punkt unterscheiden: die Roben der Richter haben schwarzen Samtbesatz, die der Rechtsanwälte normalerweise schwarzen Satinbesatz. Sicher gibt es einen Grund, warum das so ist, aber ich kenne ihn nicht.

Bei manchen Anwaltskollegen ist der schwarze Satinbesatz grün. Ob das am Alter der Robe liegt, am falschen Waschmittel oder ob es gar von Beginn an ein grüner Besatz war, habe ich nie hinterfragt.

Der Kollege heute Morgen hatte eine Robe mit  mattgoldenem Satinbesatz, so in etwa wie diese Karmellbonbons, die man weiland bei Frau Lange erwerben konnte. Das passte schön zur Weihnachtszeit und ich hoffe, die Weihnachtsstimmung hat sich am Ende der Verhandlung zugunsten seines Mandanten niedergeschlagen.

Mal ungeachtet dessen, ob man sich selbst güldenen Besatz auf der Arbeitskleidung vorstellen mag oder nicht, nimmt die Tendenz zur individualisierten Robe zu. Eine Kollegin zum Beispiel trägt anstelle des in der Robe innen eingestickten Namens einen Aufnäher mit "Troublemaker Germany", was sie hinreichend charakterisiert und auch ich überlege bisweilen, was ich anstellen kann, damit meine einfache schwarze Robe ein wenig mehr Individualität erlangt.  

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Aktionsbüro Mittelrhein - Der Schöffe und die Nikoläuse

Lange habe ich hier nicht berichtet über den Aktionsbüro-Mittelrhein-Prozess bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz. Gemeinsam mit meiner Kollegin Katja Kosian und unserem Mandanten sitze ich immer noch ganz hinten, ganz links und schon aufgrund der Sitzposition geht das Ein oder Andere an uns vorbei wie beispielsweise verbale Schlagabtausche zwischen anderen Verteidigern und dem Oberstaatsanwalt, der leider nur allzu oft vergisst, sein Mikrofon einzuschalten.

Ebenfalls nicht mitbekommen hatte ich, dass am Nikolaustag ein Schöffe vor Beginn der Hauptverhandlung den beiden Vertretern der Staatsanwaltschaft, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend waren, je einen Schokoladennikolaus an den Platz gestellt hat.

Hierauf wurde von einem Angeklagten ein Ablehnungsgesuch, vulgo: Befangenheitsantrag, gegen den betreffenden Schöffen vorgebracht, dem sich weitere Angeklagte - darunter auch unser Mandant - angeschlossen haben.

Den Nichtjuristen unter den Lesern sei zum Sinn und Zweck von Befangenheitsgesuchen Folgendes erläutert:
Ein Angeklagter in einem Strafprozess muss sich darauf verlassen können, dass die Richter, (und hierzu zählen die Schöffen, die das gleiche Stimmrecht haben wie die Berufsrichter) ihm unvoreingenommen gegenübertreten. Ein Richter tut also gut daran, seiner Neutralität auch nach außen hin Ausdruck zu verleihen und Handlungen oder Bemerkungen zu unterlassen, die einen Angeklagten hieran zweifeln lassen.

Bevor Sie nun lachen und meinen, es sei doch Unsinn, die Besorgnis der Befangenheit aus zwei Schokonikoläusen herzuleiten, überlegen Sie bitte kurz, wem Sie vergangene Woche einen Nikolaus geschenkt haben. Ihrer Frau, Ihren Kindern - sicher bis wahrscheinlich. Ihrer Sekretärin - vielleicht, wenn Sie ein netter Chef sind und eine nette Sekretärin haben. Ihrem Nachbarn - eher unwahrscheinlich. Ihrem Vorgesetzten - noch unwahrscheinlicher, da anbiedernd. Versetzen Sie sich nun in die Lage eines Angeklagten und überlegen Sie, wie es auf Sie wirkt, wenn der Richter dem Staatsanwalt, der Anklage gegen Sie erhoben hat, einen Nikolaus verehrt.

Über den "Nikolaus-Antrag" wird in der kommenden Woche entschieden werden.