Mittwoch, 28. Juni 2017

Außer Spesen nichts gewesen - Tücken des Selbstladungsrechts

In einem Verfahren vor einem Amtsgericht, in dem es um fahrlässige Tötung (ein tragischer Verkehrsunfall) ging, saß ich an ungewohnter Stelle gleich neben der Staatsanwaltschaft an einem kleinen Katzentisch und vertrat die Nebenklage.

Der Verteidiger hatte einen Tag vor der Hauptverhandlung schriftlich angekündigt, dass er einen eigenen Sachverständigen mitbringe.

Ein Angeklagter bzw. dessen Verteidiger ist nach dem Gesetz durchaus berechtigt, eigene Zeugen oder auch Sachverständige zu laden, allerdings reicht es dazu nicht aus, diese einfach mit zu Gericht zu bringen, sozusagen im leichten Handgepäck und wie man es vielleicht aus nachmittäglichen Gerichtssendungen kennen mag.

Die Ladung muss förmlich erfolgen und förmlich meint nach § 38 StPO, also durch den Gerichtsvollzieher. Zudem muss der Verteidiger einen Beweisantrag stellen, d.h., er muss dem Gericht mitteilen, was sein präsentes Beweismittel wird bekunden können. Man nennt dieses Procedere "Selbstladungsrecht". Dieses Selbstladungsrecht ist eine ganz interessante Möglichkeit, Zeugen und Sachverständige zugunsten eines Angeklagten in den Prozess einzuführen, die das Gericht nicht von Amts wegen geladen oder deren Vernehmung es bereits abgelehnt hat. Der wesentliche Vorteil liegt bei der ordnungsgemäßen Selbstladung eines Sachverständigen darin, dass das Gericht seine Vernehmung nur unter ganz engen Voraussetzungen ablehnen darf, § 245 Abs. 2 StPO.

Hier verhielt es sich so, dass bereits die Förmlichkeit der Ladung nicht eingehalten worden war, so dass der Umstand, dass kein Beweisantrag gestellt worden war, sozusagen nur noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen darstellte.

Der namhafte Sachverständige, der von weit her angereist war, kam also nicht zu Wort, was einiges Erstaunen beim Verteidiger und sichtlichen Ärger beim Angeklagten hervorrief.

Außer Spesen nichts gewesen, könnte man zusammenfassen, wenn da nicht die Vermutung nahe läge, dass der Sachverständige ganz sicher nicht nur "für ein Butterbrot" den Weg zu dem beschaulichen Amtsgericht angetreten war.  

 

Mittwoch, 14. Juni 2017

Die Zeugin übt nicht mehr und andere Kuriositäten

Zeugen müssen bei Gericht aussagen. Selbst dann, wenn ihnen ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, müssen Sie Angaben zu ihrer Person machen. Das, so meint man, sollte nicht so schwierig sein, doch manchmal kommt es anders.

Meine Glanzlichter des Jahres 2017 in umgekehrter Reihenfolge.

Platz 3
Richter: "Wie alt sind Sie, Herr A?"
Herr A: "45."
Ich: "45? Niemals!"
Richter: "Wie bitte, Frau Rechtsanwältin?"
Ich: "Also wenn Herr A. 45 ist, sind wir beide zusammen 30."
Richter: "Herr A. - stimmt das, dass sie 45 sind?"
Herr A: "Ja, ´45 geboren."

Platz 2
Richter: "Was machen Sie beruflich, Herr B.?"
Herr B: "Nix."
Richter: "Also sind Sie arbeitssuchend?"
Herr B: "Nein, äh, doch, also ja, offiziell ja."

Platz 1
Richter: "Welchen Beruf üben Sie aus, Frau C.?"
Frau C.: "Fleischereifachverkäuferin, aber ich bin schon fertig mit der Lehre. Ich übe nicht mehr"

Freitag, 2. Juni 2017

Befangenheitsrecht - das ganz kleine Einmaleins

Wenn ein Angeklagter einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt, muss er einen sogenannten Ablehnungsantrag oder Befangenheitsantrag einreichen.

Ganz wesentlich dabei ist, dass er Gründe darlegen muss, warum er die Besorgnis hegt, der Richter sei befangen. Wenn ein Richter beispielsweise zu Beginn der Hauptverhandlung gegenüber einem Angeklagten sagt: "Sie sind für das Gericht der Typ des Gewohnheitsverbrechers", dann besorgt der Angeklagte zu Recht, dass der Richter ihm gegenüber die Neutralität eingebüßt hat.

Entscheidend ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 24 StPO, dass eine Besorgnis gegeben sein muss; es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen IST. Dies festzustellen würde bedeuten, man müsste die Gedanken des Richters lesen können. Der schlaue Gesetzgeber aber wusste bei Abfassung der Vorschrift, dass es nur ganz wenigen Auserwählten vorbehalten ist, Gedanken zu lesen und deshalb hat er darauf abgestellt, dass es auf die Besorgnis anzukommen hat. Sorgen kann man nämlich teilen; das findet schon in dem Sprichwort "Geteiltes Leid ist halbes Leid" Widerklang und wenn eine andere Person mit klarem Verstand außer dem Angeklagten nachvollziehen kann, dass der Angeklagte sich zurecht Sorgen wegen der Unparteilichkeit des Richters macht, dann ist einem solchen Antrag stattzugeben und ein anderer Richter mit der Sache zu befassen.

Wurde ein Richter abgelehnt, sieht das Gesetz vor, dass er eine dienstliche Stellungnahme zu dem Antrag abzugeben hat, § 26 Abs. 3 StPO. Auch bei dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber wieder etwas Schlaues gedacht: es kann nämlich Fälle geben, in denen der Richter die Besorgnis des Angeklagten mittels eine geeigneten Erklärung oder einer Handlung ausräumen kann. In obigem Beispielsfall ist dies zwar nicht vorstellbar, aber unmöglich ist es nicht.

Ab und an (es ist in der Tat nicht auszurotten) erklärt ein Richter dienstlich, er fühle sich nicht befangen.
Das Gesetz stellt, siehe oben, nun aber gerade nicht darauf ab, ob der Richter befangen IST oder wie er sich FÜHLT, sondern darauf, ob der Angeklagte zurecht BESORGT, der Richter sei befangen.
Ein Richter, der eine solche Erklärung abgibt, beweist im Grunde nichts Anderes, als dass er das ganz kleine Einmaleins des Befangenheitsrechts nicht beherrscht. Der Angeklagte, der ihn abgelehnt hat, tut gut daran, dies in der Stellungnahme, die er zu der dienstlichen Äußerung abgeben darf, zu problematisieren, denn es stützt seine Besorgnis mehr denn dass es sie ausräumt.