Mittwoch, 28. Juli 2010

Pflichtverteidigungen - Nehmen Sie Herrn X., der ist unkompliziert

Vor Kurzem habe ich mich mit einem Kollegen über Beiordnungen als Pflichtverteidiger unterhalten.

Der Kollege X. berichtete mir, dass er regelmäßig von Jugendrichter A. beigeordnet werde. Er habe ihn mal gefragt, wie er denn auf ihn gekommen sei. Antwort: "Mein Kollege B. hat zu mir gesagt: Nehmen Sie Herrn X., der ist unkompliziert."

Ich habe dem Kollegen daraufhin gesagt, dass das wahrscheinlich kein Kompliment war. Er wirkte irritiert.

An dieser Stelle wünsche ich allen Pflichtverteidigten im Sinne einer Strafverteidigung, die nicht bloße Urteilsbegleitung ist, reichlich komplizierte Pflichtverteidiger.

Die Bahn kommt ... irgendwann

Gestern war ich mal wieder in Bayern. Wie üblich reiste ich mit dem Auto an. Termin war auf 13 Uhr angesetzt, ich war 12.30 da. Kaum, dass ich den Gerichtssaal betreten, erreicht mich ein Anruf meines Mandanten: er verspätet sich um mindestens eine Stunde.

Grund: die Bahn.

Ich schimpfe mit ihm. Wie kann man nur mit der Bahn am Terminstag anreisen? Am Ende noch ohne akkubetriebenes Klimagerät und Kühltasche mit Kaltgetränken?!

Der Vorsitzende nahm´s gelassen, obwohl die Verspätung nicht eine, sondern fast zwei Stunden betrug.

Freitag, 23. Juli 2010

Reisen in Sachen Strafverteidigung

Ein anonymer Kommentar zu diesem Posting beweist, dass nicht alle Verteidiger gleichermaßen gerne die Republik bereisen wie das bei mir und beispielsweise auch dem Kollegen Siebers der Fall ist.

Nicht nur, dass man mal was Anderes sieht als sein eigenes Büro und das örtliche Gericht, nein, man kann quasi ganz nebenbei befreundete Kollegen besuchen, bei günstiger Terminierung (Montag oder Freitag) ein verlängertes Wochenende draus machen und - schon Oma hat´s gewusst: Reisen erweitert den Horizont. Ohne meine Reisen in Sachen Strafverteidigung hätte ich beispielsweise Dresden nicht so schnell erkundet, ich würde das Goethehaus in Weimar nicht kennen, wüsste nicht, dass gleich hinter dem Landgericht Kempten ein wunderschöner Park angrenzt und auch die Braunschweiger Kneipe Mutter Habenicht wäre mir entgangen.

Es mag sein, dass man viele Stunden auf der Autobahn verbringt und es mag auch sein, dass man in derselben Zeit im Büro sitzend mehr Akten bearbeitet bekäme, aber mehr Spaß macht es allemal - zumindest mir.

Gestern übrigens erreichte mich ein Anruf einer lieben Mandantin, die demnächst umzieht - nach Sylt! Ich wünsche mir zwar für sie nicht, dass sie meine Dienste bald wieder benötigt, aber freuen würde ich mich sehr über einen Ausflug auf die Insel.

P.S.: Ich weiß, örtlich zuständig ist das Amtsgericht Niebüll, aber wo man schonmal in der Nähe wäre...

Donnerstag, 22. Juli 2010

Auch wenn´s noch so falsch ist - Berufungsrecht

Auf den ersten Blick war der Fall nicht schwierig: in erster Instanz war mein Mandant wegen Diebstahls verurteilt worden, § 242 StGB.

In der Berufungsinstanz hatte ich die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, was bedeutet, dass es nur um eine Korrektur der ausgeurteilten Strafe ging. Die Staatsanwaltschaft hatte keine Berufung eingelegt.

Beim Schlußvortrag der Staatsanwältin geriet ich ins Stutzen. Sie war der Auffassung, dass die Verurteilung im Schuldspruch vom "einfachen" Diebstahl hin zum Regelbeispiel, § 243 StGB, abzuändern sei. Bei einer auf die Rechtsfolgen beschränkten Berufung? Hatte ich eine Änderung der Rechtsprechung verpasst? Bislang war ich davon ausgegangen, dass die wirksame Beschränkung der Berufung bedeutet, dass im Hinblick auf den nicht angefochtenen Teil des erstinstanzlichen Urteils (hier also den Schuldspruch) Rechtskraft eintritt.

Der Vorsitzende erklärte es in seiner Urteilsbegründung sehr viel volkstümlicher: "Das Urteil im Schuldspruch können wir nicht abändern. Auch wenn´s noch so falsch ist."

Mittwoch, 21. Juli 2010

Hasophobie- ein tierischer Prozess und sein vorläufiges Ende

Ich hatte hier über eine Lehrerin berichtet, die eine Schülerin verklagt hatte.

Nach einer Information der welt wurde die Klage gegen die Schülerin abgewiesen. Auf die schriftliche Abfassung des Urteils darf man gespannt sein. Angeblich soll eine Schülerin als Zeugin vernommen worden sein, die die "Hasophobie" der Lehrerin bestätigt habe.

Frau Lehrerin klagt übrigens nicht zum ersten Mal gegen eine Schülerin, nur beim ersten Mal war das Medieninteresse nicht so groß wie jetzt. Ob sie wohl in Berufung gehen wird? Falls ja, ist ihr das weitere mediale Interesse sicher. Fragt sich nur, ob das so in ihrem Sinne ist. Der Urteilsverkündung soll sie jedenfalls nicht erschienen sein. Laut welt sei die Pädagogin krankgeschrieben.

Da wird doch nicht wieder jemand einen Hasen an die Tafel gemalt haben?

Einmal Bayern und zurück und nochmal und nochmal

Der Ausflug ins Allgäu war schön.

Ich habe festgestellt, dass Kühe im Seitenprofil irgendwie eckig aussehen, ich habe mich über eine bärbeißige Hoteliersfrau geärgert und das Urteil des Amtsgerichts K., das mir den Termin beim dem ebenfalls im Allgäu gelegenen Landgericht K. bescherte, wurde erfreulicherweise zugunsten meines Mandanten dahingehend abgeändert, dass er nun keine Freiheitsstrafe mehr verbüßen muss, sondern ihm eine solche zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Kommende Woche wird es mich wieder nach Bayern verschlagen, diesmal zum Amtsgericht P., bei dem ich schon mehrfach das Vergnügen hatte. Den dortigen Vorsitzenden (Einzelrichter) kenne ich inzwischen auch schon und weiß daher, dass die Verhandlung sachlich und freundlich ablaufen wird.

Damit nicht genug; auch im August heisst es wieder: aufi geht´s zur Hauptverhandlung nach Bayern.

Ich würde ja gerne mal wieder im Norden verhandeln, wobei ich nicht wählerisch bin, ob es Nord- oder Ostsee sein soll. Sylt zum Beispiel finde ich zu jeder Jahreszeit schön, Timmendorfer Strand dito. ;-) Wäre mal eine gelungene Abwechslung zu Bayern (auch sprachlich) und hätte unbedingt touristischen Reiz.

Worüber ich mich allerdings am meisten freue, ist, dass ich wieder rechtzeitig zurück bin um heute Abend mit dem Kollegen Siebers, der morgen bei einem nahen Amtsgericht verhandelt, das ein oder andere Bierchen zu trinken und dabei über Fälle, Unfälle und sonstige Ungereimtheiten zu reden.

Sonntag, 18. Juli 2010

Der Angeklagte verteidigte sich selbst

Eigentlich war ich auf 11.15 Uhr geladen beim Amtsgericht G..

Ich war gegen 10.45 schon da, setzte mich in den Sitzungssaal und lauschte gespannt der Verhandlung. Es ging um Urkundenfälschung. Der Angeklagte soll irgendwelche Stempelaufdrucke (TÜV o.ä.) gefälscht und verwendet haben.

Während der Verhandlung stand er hinter seinem Stuhl, die Hände auf der Stuhllehne, sofern er mit diesen nicht wild herumfuchtelte. Erkennbar war sein Bestreben, sich selbst so gut als möglich zu verteidigen.

Um es vorweg zu nehmen: das ging richtig in die Hose.

Und dabei hatte er gute Ideen. Er stellte sogar Beweisanträge, bei denen man erahnen konnte, worauf er hinauswollte, nur gelang es ihm nicht, sie so zu stellen, dass sie den Mindestanforderungen genügt hätten. Dementsprechend flogen sie ihm um die Ohren und das Urteil gleich hinterher.

Gegen das Urteil kann er Rechtsmittel einlegen. Vielleicht versucht er sich in der 2. Instanz mit Verteidiger.

Samstag, 17. Juli 2010

Sachrüge - vergissmeinnicht!

Der Kollege Burhoff weist hier darauf hin, dass es Verteidiger gibt, die im Rahmen des Revisionsverfahrens die Sachrüge nicht erheben, obwohl der Satz "Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts" rasch diktiert und fast ebenso rasch selbst getippt ist.

Als ich seinen Blogbeitrag las, dachte ich zunächst, dass das ja wohl nicht wahr sein darf. Selbst ein Kollege Schönwetter sollte das noch hinbekommen.

Tatsächlich aber gibt es eine Reihe von Entscheidungen, auf die der Kollege hinweist, die exakt diesen Fehler zum Gegenstand haben.

Für die mitlesenden Nichtjuristen: in der Revisionsinstanz wird das Urteil auf Rechtsfehler hin überprüft. Diese Rechtsfehler können formeller oder materieller Natur sein. Formeller Natur sind sie z.B. dann, wenn das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt war, die Grundsätze über die Öffentlichkeit nicht eingehalten wurden oder wenn etwa ohne Verteidiger verhandelt wurde, obwohl dem Angeklagten ein Verteidiger hätte beigeordnet werden müssen.

Materielle Fehler können darin bestehen, dass Fehler in der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts stattgefunden haben oder aber dem Gericht bei der Strafzumessung ein Lapsus unterlaufen ist. Alles, was nicht formell fehlerhaft war, ist materiellrechtlich unter die Lupe zu nehmen und da sind die Damen und Herren der Revisionsgerichte sehr genau.

Sämtliche formellen Fehler muss man haarklein darlegen und begründen. Das ist es, was Revisionen sehr aufwändig macht.

Jeder Verteidiger hat es sicher schon einmal erlebt, dass er seitenweise formelle Fehler gerügt hat, ohne dass das Revisionsgericht auch nur einen davon als solchen gewertet hätte und trotzdem wurde das Urteil wegen eines materiellen Fehlers aufgehoben.

Das Schöne an diesen materiellen Fehlern ist, dass man sich ihretwegen nicht die Finger wundtippen muss, sondern dass der eingangs erwähnte kurze Satz reicht, damit das Revisionsgericht das Urteil materiell filettiert. Selbstverständlich darf man begründen, worin man die materiellen Fehler meint zu erkennen, aber man muss es eben nicht.

Die Sachrüge darf also niemals vergessen werden, selbst dann nicht, wenn man meint, dass das Urteil keine materiellen Fehler enthält. 2 Verteidigeraugen sehen bekanntlich weniger als 10 Senatsrichteraugen.

Freitag, 16. Juli 2010

Akquise mal anders

Nach einem langen Tag machte ich mich gestern auf den Weg zum allmonatlichen Juristenstammtisch. Ein wichtiger Termin. Leider war ich schon etwas spät dran und die Stammtischvorsitzende hatte bereits per sms mit dem Erlass eines Versäumnisurteils in Form einer Runde Gerstenkaltschale gedroht, weshalb ich mich zügig mit dem Auto auf den Weg machte. An einer Kreuzung ca. 50 Meter vor unserem Stammtischlokal musste ich den von rechts kommenden Verkehr passieren lassen. Da auf der linken Seite der bevorrechtigten Straße Autos (ganz vorne ein Kleinbus) standen, fuhr ich in den Kreuzungsbereich hinein um die Straße einsehen zu können. Eine E-Klasse musste ich durchlassen. Der Fahrer fuhr ziemlich fahrbahnmittig, so dass ich ein Stückchen zurückfuhr.

Plötzlich machte es leise PATSCH. Beim Rückwärtsfahren hatte ich einen Pkw übersehen.

Der Fahrer, ein junger Mann, stieg aufgelöst aus dem Wagen und schimpfte drauflos. Ich bedeutete ihm, um die Ecke auf den Parkplatz zu fahren. Dort angekommen besahen wir uns unsere Autos. Da es nur PATSCH, nicht aber KRACH-SPLITTER-PENG-SCHEPPER gemacht hatte, war ich voller Hoffnung, dass sich vielleicht nur die Stoßstangen "geknutscht" hatten. So ähnlich war es. An meinem Auto nichts zu sehen, beim Unfallgegner der linke Blinker leicht eingedrückt, aber noch funktionsfähig. Der Abend war gerettet. Wir regelten die Sache mit einem Scheinchen und tauschten vorsichtshalber Adressen aus. Ich gab ihm der Einfachheit halber eine Visitenkarte von mir. Er :"Oh, prima, Sie sind Anwältin. Ich hätte da so eine Sache. Könnte ich mal einen Termin bei Ihnen kriegen?" Klar doch. Bis demnächst. Dank meines neuen Fuhrparks können wir sogar den Unfall nochmal nachstellen.

Beim Stammtisch sorgte diese Neuform der Akquise für Heiterkeit. Durchsetzen wird sie sich aus Kostengründen allerdings nicht.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Anwaltsausflug in die Prärie

"Willst du mich in die Prärie schicken?", schallte es mir heute Mittag am Telefon entgegen.

Am anderen Ende war eine Kollegin, die ich gefragt hatte, ob sie kommenden Montag einen Sprungtermin in einer Strafsache für mich wahrnehmen kann. Der Termin findet in einem eher beschaulichen Städtchen ca. 100 Kilometer von Koblenz entfernt statt und die Anreise dorthin dauert bei Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, insbesondere innerhalb der zahlreichen Baustellen, etwas über eine Stunde.

"Leg mir wenigstens `ne Wegbeschreibung auf´s Fax", waren ihre letzten Worte an mich, bevor sie gut gelaunt auflegte.

Mach ich, liebe Kollegin und ich schreib auch dazu, welches Parkhaus sich in der Nähe befindet.

Dienstag, 13. Juli 2010

Sänk ju for trawelling wis Deutsche Bahn

Spiegel online berichtet hier von dem Abenteuer, mit der Bahn zu verreisen.

Ich persönlich bin kein Freund von Erlebnistourismus auf Schienen und fahre bereits seit annähernd 10 Jahren nicht mehr mit der Bahn.

Die war nämlich schuld, dass ich seinerzeit einen Gerichtstermin in Leipzig verpasst hatte, da der Anschlusszug in Frankfurt nicht auf den verspäteten IC aus Koblenz gewartet hatte, was besonders ärgerlich war, da es sich um exakt 2 Minuten gehandelt hatte, die der IC in Frankfurt dann hätte später abfahren müssen. Was dann folgte, waren endlose Diskussionen wegen der Erstattung der Fahrtkosten, die nur bezogen auf die Strecke Frankfurt-Leipzig erfolgen sollte. Argument: von Koblenz bis Frankfurt haben wir Sie doch befördert. Dass ich nicht in Frankfurt bleiben, sondern nur dort umsteigen wollte, war den Damen und Herren der Bahn zunächst egal. Ich habe mich damals stimmlich sehr verausgabt und bin sicher, dass man mich mühelos bis in den Taunus gehört hat. Zu guter Letzt erhielt ich die Fahrtkosten Koblenz - Frankfurt jedenfalls auch noch erstattet.

Seither ignorieren wir uns - die Bahn und ich.

Das alles ist aber nichts zu den ausgefallenen Klimaanlagen am vergangenen Wochenende, die zu tropischen Temperaturen innerhalb des Zuges geführt und einige Fahrgäste schlicht aus dem Schuhen gehauen zu haben scheinen. Im Ansatz zynisch fand ich in diesem Zusammenhang übrigens ein TV-Interview mit einem der Herren, die bei der Bahn was zu sagen haben. Der verkündete nämlich, man wolle den Geschädigten Reisegutscheine zukommen lassen. Ob die wirklich Lust haben, nochmal mit der Bahn zu verreisen?

Gespannt sein dürfen wir jedenfalls auf das Ende der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen.

Ohne Robe - nein danke!

Der Kollege Siebers berichtet hier von einem gemeinsamen Robenstrip in der Hauptverhandlung, nachdem alle Beteiligten hiermit einverstanden waren.

Ich saß unlängst auch in einer Verhandlung, in der der Vorsitzende angesichts der gefühlten 40 Grad im Saal fragte, ob ohne Robe weiter verhandelt werden soll.

Ich hatte das für mich abgelehnt, was dazu führte, dass der Vorsitzende verfügte, dass es für alle in voller Montur weiterging. Während die Staatsanwältin und der Protokollführer unter der Robe eher leicht beschürzt waren, trug der Vorsitzende Oberhemd und weiße Krawatte, womit er klar im Nachteil war.

Wer jetzt denkt, ich hätte aus bloßer Lust am Querschießen mein Einverständnis verweigert, irrt. Ich hätte nur zu gern ohne Robe weiter verhandelt, aber ich hatte mich auf der Fahrt zum Gericht etwas dämlich angestellt und mir den in meiner Lieblingsbäckerei erworbenen Eiskaffee über das T-Shirt geschüttet, was unangenehme Flecken hinterlassen hatte, die ich mit der Robe gut verdecken konnte. Mein Motto des Tages: lieber schwitzen als bekleckert dasitzen.

Montag, 12. Juli 2010

Der Angeklagte musste freigesprochen werden

"Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung und der darin stattgefundenen Beweisaufnahme musste der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen werden."

So steht es drin, im Urteil des Amtsgerichts S..

Die Formulierung "musste freigesprochen" werden, finde ich allerdings nicht - nett.

Ähnlich geht es auch meinem Mandanten, der, das Urteil in Händen, bei mir anrief und fragte, ob diese Formulierung so üblich sei. Es klinge ja gerade so, als sei es dem Gericht unangenehm oder gar peinlich gewesen, ihn freizusprechen.

Ein Blick in andere "Freispruchakten" beweist, dass man einen Freispruch auch anders formulieren kann, etwa: "Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen".

Mag die Formulierung auch ein wenig unglücklich klingen - am Ausgang des Verfahrens ändert sie nicht.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Schöffen nur Statisten?

Heute Morgen war ich beim Amtsgericht W. (Schöffengericht). Es geht um den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Ein Zeuge, der meinen Mandanten entlastet, wird durch das Gericht besonders genau unter die Lupe genommen. Irgendwann stellt der Vorsitzende eine Frage, die ich als unzulässig beanstande.
Auf meine Beanstandung hin erklärt er: "Die Frage ist zulässig."
Ich beantrage einen Gerichtsbeschluss.
Daraufhin der Vorsitzende (ohne seine Schöffen auch nur anzusehen): "Beschluss: die Frage ist zulässig."

Ich gebe einen entsprechenden Vermerk zu Protokoll. Daraufhin zieht sich das Gericht zur Beratung zurück, was immerhin fast 15 Minuten dauert. Danach wird der Beschluss des Gerichts verkündet (Frage ist zulässig).

Vielleicht hat der Vorsitzende die Zeit auch dazu genutzt, seinen Schöffen zu erklären, dass sie bei Beschlüssen des Gerichts ebenfalls mitzuwirken haben. Ob sie das wussten, weiß ich nicht.

Ich kann nur mutmaßen, dass sie es nicht wussten. Seit mal eine Schöffin in einem Vorgespräch gesagt hatte: "Wenn er (der Angeklagte) es doch nicht war, wieso schweigt er dann? Wenn er nichts zu verbergen hat, kann er das doch sagen", weiß ich, dass es bisweilen nicht ganz so weit her ist mit den Rechtskenntnissen der Schöffen. Diese Bemerkungen hatte den damaligen Vorsitzenden übrigens dazu veranlasst, der Schöffin in aller Deutlichkeit das ganz kleine Einmaleins der Beschuldigtenrechte beizubringen.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Der neue Fuhrpark

Ich habe mir einen neuen Fuhrpark zugelegt, weil ich es leid bin, mir die Unfallhergänge, von denen mir Mandanten berichten, mit Handies, Zigarettenschachteln und Kugelschreibern vorführen zu lassen. Deshalb stehen jetzt auf meinem Tisch im Besprechungszimmer Spielzeugautos.


Eben waren zwei niedliche Flitzer des Fuhrparks erstmals im Einsatz. Der Mandant, ein seriöser Herr um die 50 hatte sichtlich Spaß, die Autochen über den Besprechungstisch sausen zu lassen. Ich übrigens auch. Herrlich!

Dienstag, 6. Juli 2010

39 Euro - und die Sache war geritzt

Ein Mandant war in einer nordrhein westfälischen Stadt mit seinem Pkw in ein "Groschengrab" hineingerasselt.

Angesichts seiner mit 10 Punkten dotierten Voreintragungen war das Bußgeld auf 80 Euro angehoben worden und ihm drohte ein weiterer Punkt, den er nun so gar nicht gebrauchen konnte.

Das Foto, das die Anlage von ihm aufgenommen hatte, was gut genug, dass es für einen Gutachter gereicht hätte, die Identität zu bestimmen. Folglich musste die Verteidigung in eine andere Richtung gehen. Nachdem ich bereits mit der städtischen Ordnungsbehörde eine Art Brieffreundschaft begründet hatte, die die Nichtvorlage meiner Vollmacht betraf und die sich nicht veranlasst sah, meinen Anträgen auf Beiziehung der Lebensakte etc. nachzukommen, war die Sache irgendwann an das zuständige Amtsgericht abgegeben worden. Dort wies ich auf meine gestellten Anträge nochmals schriftlich hin.

Das wiederum nahm der Richter zum Anlass, bei mir anzurufen. Das tun Richter in einem solchen Verfahrensstadium häufiger; meist um einen Termin zu vereinbaren. Dieser hier aber rief an, um eine sinnvolle Möglichkeit der Verfahrensbeendigung zu besprechen (ob er wohl zu Recht befürchtete, die Beweislawine komme nun erst richtig ins Rollen?). Wir unterhielten uns nett und kamen überein, dass ich den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränke und danach ein Bußgeld von 39 Euro gegen meinen Mandanten verhängt wird. Damit war die Sache geritzt und der drohende Punkt wird nun nicht in Flensburg notiert.

Wenn´s doch nur immer so wäre.

Montag, 5. Juli 2010

Für die Ehe ungeeignet - Teil 2

Fortsetzung des Verfahrens um 80 Gramm Marihuana-Pflanzenteile. Gleiches Gericht, gleicher Richter, immer noch geht es um den Strafbefehl, der satte 200 Tagessätze enthält. Zwischenzeitlich liegt das Gutachten vor. Nicht mal 1 Gramm THC in den 80 Gramm Pflanzenteilen.

"Da muss man sich eine richtig große Tüte bauen um davon was zu merken", stellt der Vorsitzende zutreffend fest. Leider führt diese ebenso schlichte wie wahre Erkenntnis nicht dazu, dass das Verfahren eingestellt wurde.

70 Tagessätze standen am Ende des Verfahrens. Damit wird die Tat nicht in ein Führungszeugnis eingetragen, was ja schon mal was ist (dafür braucht es mehr als 90 Tagessätze), aber für nicht mal ein Gramm THC ist das trotzdem zu viel. Eine Berufung allerdings würde den Mandanten mehr Gerichtskosten und Anwaltshonorar kosten als die Zahlung der 70 Tagessätze.

Freitag, 2. Juli 2010

Jugendrichterin Heisig - Das Ende der Geduld

Der Kollege Hoenig berichtet hier über die Berliner Jugendrichterin Heisig, die seit einigen Tagen spurlos verschwunden ist.

TVB hatte die Richterin im April letzten Jahres interviewt.

Ihre Äusserungen polarisieren. Sie tritt für beschleunigte Verfahren gegen sog. jugendliche Intensivtäter ein. Dies passt zum Titel eines Buches, das laut Focus online noch in diesem Jahr erscheinen soll - Das Ende der Geduld.

Drei verärgerte Zeugen

Heute Mittag, Amtsgericht M., im Sitzungssaal herrscht bei geschlossenen Fenstern nach einem langen Verhandlungsvormittag sprichwörtlich dicke Luft bei gefühlten 40 Grad.

Es sind drei Zeugen geladen, die einen Anfahrtsweg zwischen 70 und 200 km hatten. Alle drei transpirieren mit dem Richter, dem gegnerischen Kollegen und mir um die Wette. In der Sache selbst dreht es sich um eine vollkommen unspannende Zivilsache und ich beneide den Richter nicht um das Urteilschreiben in dieser Sache, denn es geht um viele Einzelpositionen und deren Abrechnung.

Der Richter beneidet sich selbst offenbar auch nicht darum und probiert, die Sache im Vergleichsweg zu beenden. Das hatte er vor ein paar Wochen in der Güteverhandlung auch schon versucht, aber es scheiterte leider am Gegner, der damals noch nicht anwaltlich vertreten war und irgendwie nicht wahrhaben wollte, dass seine Karten nicht wirklich gut sind. Ich signalisiere, dass ich mit dem Vergleich nach wie vor einverstanden bin und setze meine Hoffnung auf den Kollegen. Der muss zwar erst noch mit seinem Mandanten telefonieren, aber wenige Minuten später ist der Vergleich beschlossene Sache.

Richter, Kollege und ich sind glücklich. Müssen also nur noch die Zeugen entlassen werden. Die glauben zunächst an einen Scherz als der Richter verkündet, auf ihre Vernehmung könne verzichtet werden. Da ich die drei übrigens als Zeugen für die Behauptungen meiner Partei benannt hatte, kriegte ich auch ihren Ärger über die Anreise ab. Damit konnte ich gut leben. Lieber drei Minuten Mecker als 2 Stunden Beweisaufnahme.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Vuvuzela - Fehlgebrauch durch Maradona

Der Kollege Burhoff berichtet hier von einer Disqualifikation der argentinischen Mannschaft wegen Fehlgebrauch der Vuvuzela durch Maradona.

Was Maradona sich da wohl in die Nase zieht? Wehe dem, der Böses dabei denkt. Ich bin sicher, es ist - die Torlinie.

Abseits - Erklärung für Frauen

Angeblich sollen wegen Beherrschens des Abseitsbegriffs Männerhirne ja 100 Gramm schwerer sein als Frauenhirne. Dabei ist es doch gar nicht so schwer, wenn man es Frauen richtig erklärt.

Du befindest Dich in einem Schuhladen und stehst an der Kasse. Vor Dir in der Schlange steht nur noch eine einzige Dame, eine nette, sympathische Erscheinung. Sie scheint die Kassiererin zu kennen. Auf einmal entdeckst Du auf dem Regal hinter der Kassiererin ein Paar Schuhe, in das Du Dich sofort verliebst. Du hast zwar schon genügend Schuhe, aber dieses Paar ist einzigartig, Du musst es einfach haben, dieses Paar ist nur geschaffen worden, um Dir zu gehören. Du musst es besitzen, damit Dein Leben glücklich fortgeführt werden kann, es geht nicht mehr ohne dieses Paar ...! Plötzlich bemerkst Du, wie die Dame vor Dir in der Schlange mit demselben Paar Schuhe liebäugelt ... die blöde Kuh! Per Blickkontakt signalisiert sie, daß das Paar nicht in Deine Hände gelangen soll. Ihr beide habt nicht genügend Geld dabei, um das Paar zu bezahlen. Vordrängeln macht also keinen Sinn ohne bezahlen zu können. Die Verkäuferin schaut Euch geduldig an und wartet. Deine Freundin, die gerade im Laden andere Schuhe anprobiert, erkennt Deine mißliche Lage und reagiert, wie es eine wirkliche Freundin tut, die man in einer Extremsituation wie dieser braucht. Sie plant, Dir ihr Portemonnaie zuzuwerfen, damit Du das hinterhältige, fiese Biest vor Dir geschickt umrunden und die Schuhe kaufen kannst. Sie wird Dir den Geldbeutel über sie hinweg nach vorne werfen, und während dieser sich in der Luft befindet, umrundest Du das Miststück, fängst das Geld und kaufst blitzschnell die Schuhe. Aber! So lange Deine Freundin den Akt des Zuwerfens nicht abgeschlossen hat, d.h. das Geld sich noch in ihrer Hand und nicht in der Luft befindet, darfst Du Dich beim Überholen zwar auf gleicher Höhe, aber nicht schon vor der anderen Kundin befinden; andernfalls bist Du im Abseits.

Edit: Die Erklärung ist seit Jahren (meist in abgewandelter Form) im Netz zu finden. Der ursprüngliche Verfasser ist mir nicht bekannt.

Robenfrei und Männerhirne

Heute Morgen beim Amtsgericht N.. Die Stimmung ist gut, der Sitzungssaal hat gefühlte 35 Grad.

"Nehmen Sie Platz und lassen Sie die Roben aus. Mir ist jetzt schon zu heiß", sagt der Vorsitzende beim Reinkommen.

Bevor es losgeht, plaudern wir über die WM. Mein Mandant ist übrigens kein Deutscher; seine Mannschaft ist bereits ausgeschieden. Die Frage des Vorsitzenden, warum Männerhirne 100 Gramm schwerer seien als Frauenhirne, beantworten die Amtsanwältin und ich übrigens schneller als mein Mandant - sie haben die Abseitsregelung gespeichert, wobei wir unstreitig stellen, dass es mit deren Umsetzung bisweilen nicht ganz so weit her ist.

Im Folgenden geht es dann noch um den Videobeweis und das Spiel am kommenden Samstag.

Ach ja, verhandelt haben wir übrigens auch noch, aber das war total unspektakulär.