Freitag, 30. April 2010

Fortbildung in Sachen Zeugnisverweigerungsrecht

Neulich in der Hauptverhandlung. Der Zeuge ist Kriminalhauptkommissar. Er hatte den Stiefsohn des Angeklagten vernommen. In der Akte fand sich kein Hinweis auf eine stattgefundene Belehrung.

Vorsitzender: "Haben Sie den Stiefsohn belehrt?"
KHK: "Nein."
Vorsitzender: "Warum nicht?"
KHK: "Er ist doch STIEFsohn."
Vorsitzender: "Eben! Damit hat er ein Zeugnisverweigerungsrecht."
KHK: "Ach ja?"
Vorsitzender: "Ja!"

Zugegeben, der § 52 I Nr. 3 StPO: "wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war", führt immer wieder dazu, dass selbst erfahrene Juristen bei Vettern und Neffen sicherheitshalber in der Kommentierung nachlesen, aber dass Stiefkinder zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, sollte jemand, der regelmäßig Zeugen vernimmt, eigentlich wissen.

Vielleicht muss man sich ab und an mal ein paar Gedanken machen über den Sinn und Zweck der Vorschrift: sie soll den zur Wahrheit verpflichteten Zeugen vor der Zwangslage beschützen, in die er geraten könnte, wenn er mit seiner Aussage einem Angehörigen schaden würde. Der Gesetzgeber schützt also "Familienbande" und es wäre nicht sinnvoll, wenn dies zwar für leibliche Kinder, nicht aber für Stiefkinder gelten würde.

Donnerstag, 29. April 2010

ESO 1.0 - das Urteil

Da mich immer wieder Anfragen wegen des Urteils und des Aktenzeichens der Entscheidung zum Messverfahren ESO 1.0 erreichen, hier das Aktenzeichen des AG Koblenz:



2030 Js 64625/07.34 OWi


Das freisprechende Urteil ist nicht mit Gründen versehen. Die Staatsanwaltschaft hat kein Rechtsmittel eingelegt.
Wer also von dem ESO 1.0 im Wortsinne betroffen ist, dem kann nur angeraten werden, sich die Messfotos ganz genau anzusehen, vor allem dann, wenn in der Dämmerung oder Dunkelheit gemessen wurde. Dann nämlich kann es sein, dass die Fotoregistrierung nicht durch das Fahrzeug, sondern durch das Fahzeuglicht erfolgte, was im Ergebnis die Messung ungültig macht.

Untunliche Vorschussanforderung

Ich hatte in einer Strafsache, nachdem auf unbestimmte Zeit vertagt worden war, Pflichtverteidigergebühren abgerechnet. Dies wurde seitens des Rechtspflegers zu Recht beanstandet unter Hinweis auf § 8 RVG.

Daraufhin habe ich einen Vorschuss auf die Pflichtverteidigergebühren angefordert, § 9 RVG.

Das brachte mir einen Anruf des Rechtspflegers ein, der wissen wollte, ob der Antrag aufrecht erhalten bleibe. Es sei nämlich ungewöhnlich, Vorschüsse zu fordern und im Übrigen auch untunlich, da es dem Rechtspfleger doppelte Arbeit mache.

Wie ich Verfahrensakten immer wieder entnehmen kann, ist es alles Andere als unüblich, keinen Vorschuss zu nehmen. Über die Arbeit eines Rechtspflegers hatte ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht nachgedacht. Er hat Recht, wenn ein Verteidiger erst einen Vorschuss möchte und dann später die Endabrechnung einreicht, hat er die Akte tatsächlich zweimal auf dem Tisch. Das bedeutet sicher Arbeit, aber gearbeitet habe ich in der Sache auch schon. Im Gegensatz zum Rechtspfleger habe ich für meine Tätigkeit aber noch kein Geld bekommen und wann das Verfahren fortgesetzt wird, steht in den Sternen. Eine Haftsache, die bevorzugt zu terminieren ist, ist es nicht.

Das weitere Gespräch gestaltet sich trotz unterschiedlicher Auffassungen freundlich. Selbst dann, als es darum geht, dass die Anzahl der Kopien hinterfragt wird, behalte ich die Nerven und berichte, dass es neben einer Hauptakte noch Fallakten gibt, die ich ebenfalls kopiert habe. Dass es Fallakten gibt, ergibt sich zwar aus der Hauptakte, aber sie liegen dem Rechtspfleger nicht vor. Er macht sich nun eigens zur Verbescheidung meines Antrages die Arbeit, die Fallakten von der Geschäftsstelle anzufordern und die Seiten nachzuzählen. Ein schlechtes Gewissen habe ich deswegen nicht, denn diese Arbeit hätte er sich selbst bei einer Abrechnung nach § 8 RVG gemacht/machen müssen.

Mittwoch, 28. April 2010

Terminsverlegung nur mit Erlaubnis des Gegners

In einer Zivilsache bei einem Amtsgericht, die seit sage und schreibe September 2009 vor sich hindümpelt, ohne dass das Gericht sich seither gehalten sah, Termin zu bestimmen oder auch nur eine Verfügung zu erlassen, geht mir vergangene Woche eine Ladung zu. Die Beweisaufnahme soll im Juni fortgesetzt werden. Ein Blick in den Kalender zeigt: ich bin an diesem Tag wegen einer Dozententätigkeit verhindert. Dies teile ich dem Gericht mit und beantrage die Aufhebung des Termins.

Heute erreicht mich ein Schreiben der Richterin: "Angesichts der angespannten Terminslage des Gerichts kommt eine Terminsverlegung nur im Einverständnis mit der Klägerseite in Betracht."

Ich staune nicht schlecht. Dass die Terminslage des Gerichts angespannt ist, mag ja sein, aber dass ich, nachdem das Gericht es über ein halbes Jahr nicht für nötig befunden hat, in dieser Sache auch nur Irgendetwas zu veranlassen, auch noch mit dem Gegnervertreter sprechen soll, ob er was gegen eine Terminsverlegung hat, finde ich - zumindest unvorteilhaft.

Da spreche ich doch lieber gleich mit der Richterin und greife zum Hörer. Die ist nicht so wirklich begeistert von meinem Anruf und es stellt sich heraus, dass sie nicht darüber sprechen möchte, weshalb sie es plötzlich derart eilig hat, nachdem sie (s.o). Stattdessen möchte sie nun aber anstelle des Einverständnisses des Gegners eine schriftliche Bestätigung der Einrichtung, für die ich als Dozentin arbeite. Warum sie dann aber nicht dazu auffordert hat, ich möge die Verhinderung glaubhaft machen, § 227 II ZPO, bleibt ungeklärt.

Die Glaubhaftmachung meiner Verhinderung ist freilich kein Problem. Ich werde es anwaltlich versichern und ihr zudem noch eine Telefonnummer meines Auftraggebers mitteilen, unter der sie sich nach meinem Stundenplan erkundigen kann - sofern es die angespannte Terminslage zulässt.

Montag, 26. April 2010

Ordnungsamt kreativ - Akteneinsicht und Vollmacht

In einem Bußgeldverfahren hatte ich mich für einen Mandanten bestellt, versichert, bevollmächtigt zu sein, Einspruch eingelegt und die Akte angefordert.

Die Akte sandte mir das Ordnungsamt prompt zu, versehen mit dem Hinweis, dass ich laut der Kommentierung von Göhler zu § 67 OWiG verpflichtet sei, eine Vollmacht vorzulegen.

Ich tue das, was ich schon seit Jahren tue und schreibe zurück, dass nicht mal der BGH die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt und weise freundlich darauf hin, dass die Kommentierung offensichtlich missverstanden wurde, da eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden könne, eine Vollmachtsurkunde indes ein Schriftstück sei, dessen Einreichung der BGH nicht verlange. Für den Fall, dass man anderer Auffassung sei, bitte ich um Mitteilung der Rechtsgrundlage für die Vorlage einer Vollmacht.

Die Verwaltung schreibt zurück, dass sich die Rechtsgrundlage aus § 67 Nr. 2 OWiG ergebe und fordert erneut eine Vollmachtsurkunde an.

Ich stutze. Es war mir neu, dass das inzwischen geregelt sein soll und den § 67 OWiG habe ich auch anders in Erinnerung. Ein Blick ins Gesetz zeigt: es gibt keinen § 67 Nr. 2 OWiG! Es gibt nur einen § 67 Absatz 2 OWiG, dem ich eine Rechtsgrundlage für die Vollmachtsvorlage nicht entnehmen kann.

Die Akte habe ich meiner Stationsreferendarin weiter verfügt mit der Bitte um Überprüfung und nun harre ich gespannt ihrem Vorschlag, ob und ggf. was man auf ein solches Schreiben antworten soll.

Donnerstag, 22. April 2010

Spontanäusserung auf Nachfrage

Die "Spontanäusserung auf Nachfrage" ist bei zumindest vier Strafverteidigern ein Begriff, der eine Vernehmungssituation schildert, mit der fast jeder Strafverteidiger schon einmal zu tun hatte.

In einem Fall, in dem einem Strafverteidiger vorgeworfen worden war, er habe Polizeibeamte beleidigt und ihnen übel nachgeredet, ging es u.a. um eine solche Situation. Ein Beschuldigter soll Angaben zum Tatvorwurf gemacht haben, wobei sich die Frage stellte, ob der Beamte ihn zuvor belehrt hatte (dann wären sie verwertbar gewesen) oder nicht (dann unverwertbar, es sei denn, es wären sog. Spontanäusserungen gewesen). Damals fand sich in der Akte kein Hinweis auf eine stattgefundene Belehrung. In der Hauptverhandlung hatte sich der Polizeibeamte bei Beantwortung der Frage sehr gewunden und der Begriff der Spontanäusserung auf Nachfrage war geboren. (Näheres unter http://www.vier-strafverteidiger.de/)

Aus einer Strafakte ergab sich kürzlich ein in Bezug auf die Frage der Verwertbarkeit der Angaben eines Beschuldigten folgender ähnlich gelagerter Fall, der mich sofort an die kurzweiligen Hauptverhandlungstermine seinerzeit beim AG Braunschweig erinnerte:

Bei der Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme waren die Polizeibeamten auf den Tatverdächtigen gestoßen. Im Vermerk eines der Beamten findet sich eine Passage, wonach der Beschuldigte sich zunächst spontan zum Vorwurf geäussert haben soll. Weiter heisst es dann, er habe auf Nachfrage noch Dieses und auf Vorhalt noch Jenes bekundet. Von einer zuvor erfolgten Belehrung fand sich in der Akte nichts. Dabei blieb es auch. Der Beamte gab in seiner Vernehmung zu, dass er vor Nachfrage und Vorhalt den Beschuldigten nicht über seine Rechte belehrt habe.

Das war zwar nicht lege artis, aber es war glaubhaft. Kein peinliches Herumgeeiere und kein Erklärungsversuch, dass eine Spontanäusserung auch auf Nachfrage eine Spontanäusserung ist.

Mittwoch, 21. April 2010

Besuchsvereinbarung in der JVA X.

Dass man in Koblenz bisweilen lange wartet bis man als Verteidiger in die JVA zur Besprechung vorgelassen wird, darüber hatte ich mich schon ausgelassen. Dass man oft mindestens 20 Anwählversuche braucht bis man die zuständige Beamtin für die Besuchskoordination erreicht hat, war auch vor der Zeit mit dem schleppenden Einlass so. Beides ist irgendwie ärgerlich.

Noch ärgerlicher ist es aber, wenn man die Besuchskoordination der JVA X. anruft, dort 5 Minuten in der Warteschleife hängt und dann einen gar nicht mal so freundlichen Herrn am anderen Ende hat, der einem verkündet, es sei nach 16 Uhr, damit sei eine Terminsvereinbarung nicht mehr möglich und dann grußlos auflegt - um 16.02 Uhr.

Dann doch lieber Koblenz!

Montag, 19. April 2010

Wer ist denn jetzt der Anwalt?

Heute Vormittag in einer Zivilsache vor dem Amtsgericht stehe ich mit der Mandantin auf dem Flur vor dem Sitzungssaal und warte auf den Aufruf zur Sache. Die Gegenseite ist von einer (wie der Kollege Hoenig zu schreiben pflegt) "Großbude" vertreten, weshalb es nicht verwundert, dass die Sachbearbeitung schon mal wechselt. Offenbar hatte eine jüngere Kollegin das große Los gezogen, diesen Termin zu machen. Ich kannte sie nicht, sie mich auch nicht.

Sie fragte in die Runde, ob wir in Sachen X./.Y da seien, was ich bejahe. Daraufhin schüttelt sie meiner Mandantin zuerst die Hand und fragt dann mit einem Seitenblick auf mich: "Wer ist denn hier eigentlich der Anwalt?"

Ich oute mich. Zugegeben, meine Mandantin ist älter als ich, trug einen Hosenanzug und war sorgfältig frisiert. Die Kollegin steckte ebenfalls in einem Hosenanzug, während ich Jeans trug. Ich vermute mal, dass es in der Kanzlei, in der sie arbeitet, einen Dresscode gibt und Jeans nicht mal am "casual friday" gern gesehen sind und freue mich darüber, dass ich keinem Dresscode Folge zu leisten habe.

Freitag, 16. April 2010

Richtertipp zum Schuheinkauf

Immer wenn ich beim Amtsgericht M. verteidige, fahre ich auf dem Rückweg bei einem Schuhgeschäft vorbei und kaufe dort immer mindestens 1 Paar Schuhe. Da ich allerdings nur etwa ein Dutzend Mal im Jahr dorthin komme, hält es sich mit den Schuhen in Grenzen (ok, für eine Frau hält es sich in Grenzen).

Kürzlich war es so, dass die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt werden musste. In einer Sitzungspause, in der der Vorsitzende sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass die Anreise für einen so kurzen Termin sich ja kaum gelohnt hätte, berichtete ich ihm von meinen Einkaufsvorhaben, was dazu führte, dass nicht nur er, sondern auch Staatsanwalt und Schöffen Empfehlungen für meinen Schuhkauf äusserten. Neben dem von mir genannten Laden gäbe es da noch einen Besseren und zwar (es folgte die Wegbeschreibung).

Die Sitzung endete mit den Worten des Vorsitzenden: "Die Sache wird auf unbestimmte Zeit vertagt. Neuer Termin von Amts wegen. Ich wünsche einen angenehmen Tag und viel Spaß beim Schuhekaufen."

Vielen Dank, den hatte ich und der Tipp war wirklich gut!

Donnerstag, 15. April 2010

Anwalts- und Referendarsmemory?

Heute Morgen rief ich die für Referendare zuständige Dame beim Landgericht ein, weil ich eine Frage an sie hatte. Noch bevor ich dazu kam, ihr den Namen meiner Referendarin zu nennen, nannte sie ihn schon.

Ich war baff. Es gibt hier ein paar Dutzend Referendare und die auseinander zu halten, ist schon nicht einfach. Dann aber noch zu wissen, welcher Referendar bei welchem Anwalt seine Stage macht - alle Achtung!

"Das ist mein Job", meinte sie bloß als ich darüber staunte, dass man sich sowas merken kann.

Ob sie sich eine Art Memory gebastelt hat, so mit Bildern von Referendaren und Anwälten, hab ich sie nicht gefragt, denn diese Frage fiel mir erst später ein. Mir hatte es jedenfalls ziemlich die Sprache verschlagen, was so oft nicht vorkommt.

Die Partyfrage

Der Kollege Leitner schreibt in der SZ einen Artikel über den Beruf des Strafverteidigers, der mit dem eröffnet wird, was unter Strafverteidigern als "Partyfrage" bekannt ist.

"Wie kannst du jemanden verteidigen, der ES gewesen ist?". Diese Frage, die jeder, der sich als Strafverteidiger outet, auf wirklich jeder Party gestellt bekommt, ist vergleichbar mit der Frage an einen Zahnarzt, der dieselbe Party besucht, von einem Gast, der mit dem Zeigefinger seine Wange nach hinten zieht :"If hab da waf am Fahn" - jedenfalls hinsichtlich der übergroßen Freude, die den Adressaten ob der jeweiligen Frage erfüllt. Während der Zahnarzt sich aber noch damit herausreden kann, dass er grade nicht die benötigten Instrumente für eine verlässliche Diagnose am Mann hat, wie etwa ein Röntgengerät, ist es für den Strafverteidiger nicht möglich, einfach so die Auskunft zu verweigern, es sei denn, er legt gesteigerten Wert darauf, als muffig zu gelten.

Also erklärt er in der Regel das, was eigentlich aus dem Sozialkundeunterricht (Stichwort: Rechtsstaat) bekannt sein müsste, garniert das ganze mit Anekdoten aus der Praxis um zu guter Letzt die Frage zu stellen, ob der Fragende eigentlich selbst schon mal zumindest einen Bußgeldbescheid zu Unrecht erhalten hat.

Da nahezu jeder schon mal ein Knöllchen kassiert hat und das als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfand, kann man hier ganz gut die Kurve kriegen und vielleicht doch noch davon überzeugen, dass Verteidigung mehr als nur ein notwendiges Übel ist, das ein Rechtsstaat verkraften muss. Für diesen Fall hat man Glück gehabt und wird für den Rest des Abends in Ruhe gelassen.

Hat man es hingegen mit jemandem zu tun, der nicht mal bei Rot über die Ampel geht, ist die Stunde bereits fortgeschritten und hat der genossene Alkohol bei den Anwesenden bereits zur Enthemmtheit beigetragen und sind dann auch noch Verfechter der Todesstrafe anwesend, wird es für den Strafverteidiger ungemütlich. Es zeigt sich dann, dass der von den Anwesenden genossene Sozialkundeunterricht schon Lichtjahre (besser: viele siderische Jahre, vgl. Kommentar zu diesem Post) her sein muss und die Zugänglichkeit für Argumente (wie e.g. die von Leitner genannten) nimmt nicht nur linear, sondern exponentiell ab. Der Strafverteidiger gerät ins Grübeln, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, den "Muffigstempel" verpasst bekommen zu haben und sieht sich in Gedanken schon beim Zahnarzt, weil er insgeheim fürchtet, angegriffen zu werden und dabei einen Teil seiner Beisserchen einzubüßen.

Aber: Glück im Unglück - für diesen Fall könnte er sich ja direkt an den die Party besuchenden Zahnarzt wenden: "If hab da waf..."

Mittwoch, 14. April 2010

Hochgewächs - eine juristische Definition

Hochgewächs - diesen Ausdruck für jemanden, der bereits einmal eine Haftstrafe in erheblicher Höhe verbüßt hat, kannte ich bis heute Morgen noch nicht.

Er fiel in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden einer Strafkammer, der angerufen hatte um die Hauptverhandlungstermine in der Sache abzustimmen.

Dienstag, 13. April 2010

Beratungshilfe und Strafrecht

Der Kollege Ratzka berichtet hier von einem Szenario, das jedem Anwalt bekannt ist: ein potentieller Mandant, der selbst kein Geld hat um die Kosten der anwaltlichen Beratung zu zahlen, kann beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen und mit diesem dann zum Anwalt gehen und sich beraten lassen. Als Anwalt ist man nach dem Berufsrecht verpflichtet, gegen Vorlage eines Beratungshilfescheins zu beraten, was zwar in der Regel unwirtschaftlich, aber völlig in Ordnung ist.

Geht es allerdings um den Vorwurf einer Straftat, braucht man den Weg zum Amtsgericht nicht auf sich zu nehmen, denn Beratungs- und Prozesskostenhilfe gibt es nur für zivilrechtliche Angelegenheiten. Das Pendant zur PKH im Strafrecht ist die Pflichtverteidigung. Ein Verteidiger wird dem Beschuldigten aber nur in Fällen beigeordnet, die hier genannt sind. Ein Fahren ohne Fahrerlaubnis, ein Diebstahl im Supermarkt, eine Beleidigung oder eine einfache Körperverletzung reichen also nicht aus, dass ein Pflichtverteidiger bestellt wird.

Nachtrag: wie ich aus den Kommentaren zu diesem Post gerade erfahren habe, kann man sehr wohl für einen Beratungshilfeschein in Strafsachen beraten, was aber nicht gleichbedeutend ist mit Verteidigung im Vorverfahren, Vertretung in der Hauptverhandlung etc..
An dieser Stelle besten Dank an den Berh-Rechtspfleger, der insoweit zu meiner Fortbildung beigetragen hat!

Therapiestillstand - ein Etappensieg

Ich hatte hier von einem Fall berichtet, in dem ich mich einmal mehr über eine forensische Klinik geärgert hatte, die meinen Mandanten zwar sicher "aufbewahrte", aber seit Jahren keinen Therapiefortschritt verzeichnen konnte.

Das externe Gutachten und die deutlichen Worte der Strafvollstreckungskammer im Protokoll der Anhörung haben gefruchtet. Soeben erreicht mich die erfreuliche Nachricht, dass mein Mandant in eine andere Klinik in ein anderes Bundesland verlegt worden ist.´

Nun will ich hoffen, dass sich in diesem neuen Rahmen neue Chancen für ihn auftun werden.

Samstag, 10. April 2010

Gründlich falsch verstanden

Der Kollege Flauaus berichtet hier von einem Kollegen, der wohl seinen Verteidigerauftrag gründlich falsch verstanden hat.

Dass ein Verteidiger kein Postbote ist, davon wurde schon berichtet.

Als Verteidiger wird man jedoch nicht nur ab und an ersucht, den Postboten zu spielen.

Vor einiger Zeit bat mich ein Untersuchungshäftling, ich möge ihm doch bitte mal 100 Euro auf sein Gefangenengeldkonto einzahlen, damit er das monatliche TV und seine Einkäufe innerhalb der JVA bezahlen könne. Ich sehe dazu keine Veranlassung. Nicht, weil es verboten wäre, sondern weil ich es nicht als Aufgabe eines Verteidigers ansehe, Mandanten Geld zu schicken.

Seit spätestens diesem Post weiß jeder, der ihn gelesen hat, dass es Strafverteidigung jedenfalls nicht umsonst gibt, obgleich man ob der Höhe und Angemessenheit der Honorierung trefflich streiten kann. Ich bin gespannt, ob wenigstens dahingehend Konsens zu erzielen ist, dass es nichts mit fehlender Empathie oder mangelndem karitativen Engagement zu tun hat, wenn ein Verteidiger es ablehnt, TV und Einkäufe zu übernehmen.

Freitag, 9. April 2010

Eine besorgte Mutter...

... hatte mich angeschrieben und wollte wissen, ob ich bereit sei, ihren Sohn in einer Strafsache vor dem Schöffengericht zu verteidigen und falls ja, welche Kosten bezogen auf Erstberatung und ggf. Verteidigung auf sie zukämen.

Ich antwortete, dass die Kosten einer Erstberatung 190 Euro nicht übersteigen dürften, nannte die gesetzlichen Gebührenrahmen für Vorverfahren, Zwischenverfahren, Hauptverhandlungstermin und fügte hinzu, dass davon abweichend Honorarvereinbarungen geschlossen werden können.

Die Antwort der Dame lautete, dass 190 Euro doch sehr viel seien und wenn man bedenke, dass noch die Kopiekosten für die Akte hinzukämen. Sie habe sich für einen Kollegen entschieden, der deutlich billiger sei.

Hmmm. Für weniger als 190 Euro Akteneinsicht anfordern, Akte durchlesen, Besprechung mit dem Mandanten, kurz - Vertretung im Vorverfahren? Allein die gesetzlichen Mittelgebühren ohne auch nur eine Kopie liegen bei 386,75 Euro.
Entweder die Dame hat den Kollegen gründlich missverstanden oder aber der Kollege bietet tatsächlich Strafverteidigung zum Dumpingpreis an.

Manchmal trifft man solche Leute übrigens wieder, nämlich dann, wenn sie sich einen "billigen" Anwalt nicht mehr leisten können.

Donnerstag, 8. April 2010

Schlichte Feststellung

Gerade lese ich in einem psychiatrischen Gutachten zur Feststellung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten unter der Überschrift "Biografie":

"Der Vater war Alkoholiker, die Mutter Hausfrau."

Zwar weiß der geneigte Leser damit nicht, welchen Beruf der Vater ausübte, aber informativ ist diese schlichte Feststellung allemal.

Mittwoch, 7. April 2010

Strafzumessungskriterium: Vermögenseinbuße durch Einziehung von Btm

Es gibt viele Strafzumessungserwägungen, aber dieses lese ich zum ersten Mal:

"Auch wurde berücksichtigt, dass der Angeklagte durch die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel bereits eine Vermögenseinbuße erlitten hat."

Ob sich dieses Argument in der Rechtsprechung wohl durchsetzen wird?

Aktenversendung - Modell Fort Knox

Der Kollege Hoenig bemängelt hier die etwas dürftige Verpackung von Akten durch das Landgericht Köln.

Das es auch anders geht, beweist das Amtsgericht Pfaffenhofen an der Ilm.


Gut und gerne eine Rolle Paketband hat es wohl gebraucht, den Karton einmal komplett zu umwickeln. Die Akte ist damit sicher vor Regen, Sturm, Kälte und Ausbruch.

Dienstag, 6. April 2010

Die Versicherung mit den drei Buchstaben aus der bayerischen Kleinstadt...

... ist gar nicht so leicht telefonisch erreichbar.

Nach geschlagenen 45 Minuten Wartemusik reichte es meiner geduldigen Reno und sie legte auf.
Auch das Anwählen anderer Durchwahlen brachte nichts. Alle Mitarbeiter waren laut der angenehmen Stimme der Dame auf dem Anrufbeantworter der Versicherung mit den drei Buchstaben aus einer bayrischen Kleinstadt in einem anderen (wahrscheinlich wichtigeren) Gespräch.

Liebe Versicherung mit den drei Buchstaben aus der bayrischen Kleinstadt: Ich habe nichts dagegen, wenn ihr nicht ans Telefon geht, aber seid wenigstens so nett und überweist die nächsten Male bitte unter Angabe eines unserer Aktenzeichen oder wenigstens unter Angabe des Namens unseres Mandanten, eures VN oder wenigstens eures Aktenzeichens, damit wir die Geldeingänge hier zuordnen können. Es hat zwar nur weitere 10 Minuten gedauert, eure Zahlung zuzuordnen, aber das war mehr Glück als alles Andere, zumal ihr nicht den Rechnungsbetrag überwiesen habt, sondern einen gekürzten Rechnungsbetrag. Wegen dieser Kürzung hätte ich euch eigentlich auch gerne gesprochen, aber ich schicke lieber ein Fax in der Hoffnung, dass nicht auch euer Fax einen wichtigeren Eingang entgegen zu nehmen hat.

Sonntag, 4. April 2010

Im Anfang war... der Hase?

Diese tiefschürfenden Gedanken von Loriot zum Thema Hasenbrüter möchte ich der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten, obgleich damit noch nicht die Frage beantwortet ist, wer zuerst da war: der Hase oder das Ei?!

http://www.youtube.com/watch?v=gGOlcUGpVKA

FROHE OSTERN!!

Freitag, 2. April 2010

Von grauen Mäusen und bunten Vögeln

Der Kollege Carsten Hoenig berichtet hier von den graumäusigen Betriebsprüfern der Sozialversicherung und gelangt zu der Erkenntnis, dass er sich seine Gesellschaft zum Bier anders vorstellt. Angesichts einiger u.a. mit Carsten Hoenig gemeinsam geleerter Ducksteins (Eigentlich mag ich gar keinen Alkohol, aber Duckstein vor Ort ist einfach nicht zu toppen!) beim Vier Strafverteidiger Treffen in Braunschweig, schließe ich, dass ich zum Betriebsprüfer wohl nicht taugen würde.

Ich kann nur erahnen, was der Betriebsprüfer wohl umgekehrt von Carsten Hoenig im Besonderen und Strafverteidigern im Allgemeinen gedacht haben wird: "Mit dem würde ich nicht mal für Geld ein Bier trinken gehen. Ist Anwalt und trägt nicht mal einen Anzug und eine Krawatte und vertritt Leute, die ich nur aus dem Unterschicht-TV kenne. Und dann die Unregelmäßigkeiten - 63 Euro sind schließlich kein Pappenstiel!"

Nein wirklich, die Kombination graue Maus und bunter Vogel beim Bier ist für keinen der Beteiligten eine Bereicherung.
@ die anderen drei Strafverteidiger: Es ist übrigens schon wieder mehr als ein Jahr her seit dem letzten Duckstein bei Mutter Habenicht. *ungeduldigmitdemfußwipp*

Donnerstag, 1. April 2010

Die mitteilungsbedürftige Zeugin

Die meisten Zeugen sind eher zurückhaltend und warten vor dem Sitzungssaal stehend auf den Aufruf zur Sache.

Gestern beim Amtsgericht N. war das anders. Die Zeugin Z., die für ihre 80 Lenze noch recht rüstig wirkte, saß schon ein paar Minuten vor Beginn der Hauptverhandlung im Sitzungssaal. Als mein Mandant und ich diesen betraten, forderte sie uns auf, ihr sofort zu sagen, was wir hier eigentlich zu suchen hätten und dass die Richterin von Pünktlichkeit wohl nicht allzu viel halten würde. Nachdem ich auf derartige Ansprachen nicht positiv zu reagieren pflege, erfuhr ich ungefragt den Grund ihrer schlechten Laune und gleichzeitig ihre Krankengeschichte der jüngeren Vergangenheit. Ich erspare der geneigten Leserschaft die Einzelheiten und will es mal mit Stichworten bewenden lassen: Ödeme, Asthma, Herzinsuffizienz.

Selten habe ich das Erscheinen eines Spruchkörpers so herbeigesehnt wie an diesem Tag. Die um 3 Minuten verspätete Vorsitzende hatte noch nicht den Richtertisch erreicht, da bekam sie auch schon ihr Fett weg: Das sei nun das dritte Mal, dass sie sich trotz (siehe oben unter "Ödeme" pp) hierher bemühe. (Der erste Termin war verlegt worden, weil mein Mandant verhindert war, der zweite weil die Richterin kurzfristig erkrankt war.) Das hätte man doch alles schon längst erledigt haben können. Und überhaupt - wegen so einer Lapalie eine Verhandlung anzusetzen!

Im Zuge ihrer Vernehmung, die sich nur um eine einzige mit "ja" oder "nein" zu beantwortende Frage drehte, erfuhren wir noch, dass sie früher bei einer Bank gearbeitet hatte "Am Geld und am Körper sind die Menschen am empfindlichsten" und wiederum nochmal zur Sicherheit, dass sie (siehe oben unter "Ödeme" pp).

Es ist ganz gut so, dass wir alle nicht wissen, wie wir mal sein werden, wenn wir die 80 erreicht haben. Vielleicht berichten wir dann auch von unseren Zipperlein und regen uns darüber auf, dass wir zweimal offenbar nicht rechtzeitig abgeladen worden sind, obwohl wir im Zweifel jedes Herauskommen aus dem Alltag als Highlight empfinden und sei es auch am Ende vergeblich.
Vielleicht werden wir dann auch absichtlich Samstags einkaufen gehen um mal wieder unter richtig viele Leute an der Supermarktkasse zu kommen. Vielleicht aber werden wir auch nicht zu den vereinsamten Alten zählen. Für diesen Fall hätten wir so richtig Schwein gehabt.