Donnerstag, 27. Januar 2011

Ein Amtsgericht im Dornröschenschlaf

Seit November versuche ich vergeblich, das Amtsgericht N. dazu zu bewegen, mir die meinen Mandanten betreffende Akte zu übersenden und über meinen Antrag auf Beiordnung zu entscheiden. Es tut sich - nichts. Gar nichts.

Auf Schreiben wird nicht reagiert, ruft man an, erhält man die Auskunft, die Sache werde umgehend bearbeitet, was dann nicht geschieht und der Mandant, der verständlicherweise wissen möchte, wann und wie es weitergeht, muss vertröstet werden.

Ob es so schwierig ist, eine Akte in einen Umschlag zu stecken? Damit wäre zumindest einmal ein Antrag bearbeitet.

Die Sache liegt jetzt bei mir eine weitere Woche auf Frist, nachdem ich gestern erneut schriftlich erinnert habe. Sollte sich weiterhin nichts tun, werde ich den Direktor des Amtsgerichts bitten, sich der Sache anzunehmen. Vielleicht gelingt es ihm ja, die Dornröschen wachzuküssen.

Dienstag, 25. Januar 2011

Es ist einfach Wut...

... die einen in den USA seit 1985 inhaftierten Deutschen umtreibt, der nach langen Jahren endlich nachweisen kann, dass keine DNA-Spuren von ihm am Tatort vorhanden waren.

Doch das alles hilft ihm nichts: weder wird er nach Deutschland überstellt, noch greift die Gnadenentscheidung zu seinen Gunsten, nachdem ein neuer Gouverneur sie widerrufen hat.
Besonders bitter: eine Frist wurde versäumt, weil weder er noch seine Verteidiger damit gerechnet hatten.

Montag, 17. Januar 2011

Reporterfrage - bitte mehr "Drama"

Seit vergangener Woche verteidige ich (wieder) einen Mandanten, der im Jahre 2009 vom Landgericht freigesprochen wurde. Vorwurf war sexueller Missbrauch.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft war das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

Natürlich war auch die Presse anwesend. Da die meisten Vertreter der schreibenden Zunft aber wissen, dass ich für Fragen und Interviews nicht zur Verfügung stehe, hatte ich die Hoffnung, auch diesmal davon verschont zu bleiben. Weit gefehlt. Auf dem Weg aus dem Sitzungssaal sprach mich ein Reporter an, ob der Freispruch im vergangenen Jahr eigentlich in demselben Saal erfolgt sei.

Woher bitte soll ich wissen, welches Urteil vor mehr als einem Jahr in welchem Saal gesprochen wurde? Und nein, mein Mandant sagt dazu auch nichts.

Ich kann nur mutmaßen, dass der Reporter seinen Prozessbericht in etwa wie folgt beginnen wollte: "Saal 128 - mehr als ein Jahr ist vergangen, seit der Angeklagte hier freigesprochen worden war. Hinter dem Richterpult ein Wandmosaik, riesige Fenster mit Sicherheitsglas, zur Verständigung der Prozessbeteiligten werden Mikrofone eingesetzt. Hätte er gedacht, dass er sich nach dem Freispruch noch einmal hier wiederfinden würde, hier in demselben Saal, den er 2009 als freier Mann verlassen hatte?"

Selbst wenn ich heute noch wüsste, wo es war - ich wüsste es offiziell nicht. Strafprozessen wohnt schon genug Drama inne, da braucht es keine Drama-Artikel.

Montag, 10. Januar 2011

Kachelmann und Schwarzer - lesenswerte Fundstücke

Eine Oberstaatsanwältin a.D. schreibt hier über Alice Schwarzers Prozessberichterstattung im Fall Kachelmann. Sprachlich brilliant und juristisch sauber.

Ach, übrigens: sollte jemand wissen, wo man den abgebildeten Korkenzieher käuflich erwerben kann, bitte melden.

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Wenn 2 dasgleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe

Aus aktuellem Anlass:

Ein Rechtsschutzversicherer lässt sich Zeit und ist noch pampig, wenn man nachfragt, wann mit Begleichung einer Rechnung von Anfang Oktober 2010 zu rechnen ist.

Wie groß das Geschrei aber ist, wenn ein Versicherungsnehmer nicht pünklichst seine Beiträge zahlt, ist bekannt.

Ergebnis: das Sprichwort stimmt.

Samstag, 8. Januar 2011

Dank eines Úrteilsbegleiters

Exakt so wie es der Kollege Feltus hier beschreibt, pflegen sich Kollegen der Gattung "Urteilsbegleiter" gerne bei den sie beiordnenden Richtern zu bedanken.

Ich bin sicher, dass sie dieses Schreiben nicht an die jeweiligen Mandanten zur Kenntnisnahme weiterleiten. Vielleicht käme der ein oder andere ja dann auf die Idee, dass die Verbundenheit seines Verteidigers zum Gericht eine größere ist als die, die er ihm entgegenbringt.

Erfreulich: auch im kleinsten Knast sprechen sich die Namen der Kollegen rum, die immer wieder gerne zu solchen Aufgaben herangezogen werden.

Freitag, 7. Januar 2011

Was ein Verteidiger jedenfalls nicht tun sollte

Der Kollege Müller wirft hier die Frage auf, was ein Strafverteidiger muss und darf.

Das von ihm gewählte Beispiel der unterschiedlichen Belehrung unterschiedlicher Zeugen durch einen Richter zeigt dabei recht deutlich, was ein Verteidiger auf keinen Fall tun sollte. Er sollte sich von derartigen richterlichen Unsachlichkeiten nicht den Schneid abkaufen lassen.

Heisst es doch immer so schön, der Anwalt sei Organ der Rechtspflege, dann darf es in diesem Zusammenhang nicht nur erlaubt, sondern es muss sogar geboten sein, einem Zeugen die richterliche Belehrung über seine Wahrheitspflicht nochmal in Erinnerung zu rufen.

In einer derartigen Situation sollte man also auch gegen richterlichen Widerstand getrost weiter belehren. Was - außer einem verunsicherten Zeugen, der danach seine Worte vielleicht etwas sorgfältiger wählt - soll schon passieren?

Das letzte Wort und der Hund

Eigentlich mag ich ja gar nicht, wenn Mandanten wortreich zu einem letzten Wort ausholen, denn die Erfahrung zeigt, dass dabei meist eine Menge Unfug geredet wird, weshalb ich jedem Mandanten sage, dass er sich meinen Ausführungen anschließen soll.

Kürzlich war es anders. Ein Mandant, der durch seine Tat und das sich anschließende Strafverfahren seine Existenz verloren hatte, hatte ein letztes Wort vorbereitet, dass ihm selbst die Tränen in die Augen trieb und bei den übrigen Beteiligten zumindest Betroffenheit auslöste.

Besonders hart traf es ihn, dass seine Ehefrau durch den Umzug in eine kleinere Wohnung gezwungen war, den (großen) Hund abzugeben. Der besonderen Verbundenheit von Hund und Herrchen hatte ich vor längerer Zeit schon mal einen Beitrag gewidmet.

Als Verteidiger kann man noch so gut plädieren, aber man kann selbst nie die Auswirkungen einer Haft und einer ruinierten Existenz so darlegen wie dies der Angeklagte kann.