Montag, 31. Mai 2010

Doppelt bestraft hält besser - keine pauschale Verdoppelung von Fahrverboten

Ich habe mich schon einige Male geärgert über Richter in Ordnungswidrigkeitenverfahren, die, um die Bereitschaft der Einspruchsrücknahme zu erhöhen, die Verdoppelung der Geldbuße und/oder des Fahrverbots in Aussicht stellen ("Wenn ich ich hier zum Vorsatz komme...")

Kürzlich habe ich eine Entscheidung des OLG Koblenz gefunden, das eine Entscheidung des Amtsgerichts Linz aufgehoben und direkt "durchentschieden" hat. Das Amtsgericht Linz hatte in puncto Strafzumessung falsch gemacht, was ging.

Nicht nur die Geldbuße war pauschal verdoppelt worden ohne Beachtung der Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG, sondern auch gleich noch das Fahrverbot, Letzteres mit haarsträubender Begründung. Der Betroffene hatte sich nämlich erlaubt, einen Beweisantrag zu stellen auf Vernehmung eines Zeugen, der das Fahrzeug tatsächlich geführt haben soll. Die Behauptung hat sich nicht bestätigt, was für das AG Linz Grund genug war, eine besondere charakterliche Ungeeignetheit des Betroffenen anzunehmen. Dass daneben noch die falsche Nummer des Bußgeldkatalogs angewandt worden war, stellt sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen der fehlerhaften Strafzumessung dar.

Das Aktenzeichen der lesenswerten Entscheidung des OLG Koblenz lautet 2 Ss Bs 20/10.

Freitag, 28. Mai 2010

Der Polizist und die Besuchserlaubnis

Ein inhaftierter Mandant (U-Haft) schreibt mir, dass er kürzlich Besuch gehabt habe von einem Bekannten. Der Besuch wurde optisch und akustisch überwacht von einem Polizeibeamten. Das ist während der Untersuchungshaft so üblich, in der allein Verteidigerbesuche nicht überwacht werden.

Der Bekannte habe ihm Grüße von seiner Ehefrau bestellt und ihn gesagt, diese komme ihn demnächst besuchen, da sie die beantragte Besuchserlaubnis erhalten habe.

Hierauf habe der Polizist gesagt, dies werde er verhindern. Begründet habe er dies nicht weiter.

Wie der Polizist es verhindern möchte, dass eine Ehefrau eine Besuchserlaubnis bezogen auf ihren inhaftierten Ehemann erhält, kann ich dem Mandanten natürlich auch nicht sagen. Was er mit der Bemerkung bezweckt hat, kann ich nur mutmaßen.
Ich habe dem Mandanten mitgeteilt, dass für die Erteilung von Besuchserlaubnissen nicht die Polizei zuständig ist, sondern die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht und hoffe, dass dies ein wenig zu seiner Beruhigung beiträgt.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Tyrannosaurus lex

Mein Fundstück der Woche: der Tyrannosaurus lex.

Overchicked

Ich war gespannt auf Herrn A., der im Rahmen eines Verfahrens als Zeuge geladen war. Herr A ist nämlich der Scheidungsgrund von Frau B. Ich vertrete Herrn B., der mir im Vorfeld berichtet hatte, dass er seine Nochfrau nicht verstehen könne, dass diese sich ausgerechnet Herrn A. zugewandt habe.

*Lästermodus an* Ich persönlich kann ja schon kaum verstehen, was Herr B. an Frau B. findet, denn selbst angesichts der steigenden Temperaturen ist sie ein wenig zu dunkel getönt und aufgeklebte Fingernägel mit Glitzersteinchen jenseits der 50... Und dann weiss ich auch nie, was dran sein soll an diesen Haarklammern mit Puscheln dran, die von Weitem so aussehen, als habe ein Kanarienvogel eine Notlandung gemacht. Alles in Allem aber ist sie keine ungepflegte Erscheinung. *Lästermodus aus*

Ach ja, ich wollte eigentlich von Herrn A. berichten. Ich mache es kurz: mein Mandant hatte Recht. Und ich habe von ihm ein neues Wort gelernt: overchicked.

Die Beweisaufnahme verlief unspektakulär, zumindest für Herrn B. und mich, da Herr A. nicht den Vortrag von Frau B. bestätigte. Das hatte nach der Verhandlung ein Nachspiel auf dem Flur. Herr A. sah ganz geknickt aus, was mein Mandant gerne zur Kenntnis nahm.

So ist das nunmal. Die ZPO kennt mehrere Beweismittel. Der Zeuge ist das mit Abstand unsicherste aller Beweismittel. An dem Spruch, das nirgendwo sonst soviel gelogen wird wie bei Gericht, könnte was dran sein, denn anders ist es nicht zu erklären, dass oft beide Parteien Zeugen für dieselbe Beweisbehauptung benennen und dann die Zeugen konträr aussagen. Das ist übrigens nicht nur so, wenn es um Belehrungen geht.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Wasserschaden - ein Update in eigener Sache

Es klingt fast schon grotesk, aber der Wasserschaden in meinem Büro vom vergangenen Jahr ist noch immer nicht behoben. Dafür passieren aber im Zusammenhang mit der Behebung Desselben immer wieder recht kuriose Dinge, von denen ich zuletzt hier berichtet habe.

Nun neigt sich die Sache dem Ende zu, wobei die mit der Schadensbehebung beauftragte Firma am Liebsten während der Büroöffnungszeiten hier werkeln würde und zunächst so gar nicht verstehen wollte, dass das nicht nur störend, sondern auch aus Gründen der Verschwiegenheit schlicht nicht möglich ist. Der schadhafte Raum befindet sich neben dem Besprechungszimmer. Zwischen beiden Räumen befindet sich eine (nicht schallgedämpfte!) Tür. Die weitere Tür (auch nicht schallgedämpft!), die vom "Aquarium" (Dikition meiner Reno) abgeht, führt zu meinem Büro.

Will sagen: alles, was in meinem Büro oder im Besprechungsraum gesprochen wird, ist hörbar im Aquarium. Ich habe dann den freundlichen Herrn der beauftragten Firma gefragt, ob es ihm eigentlich Recht wäre, dass, wenn er beim Anwalt sitze, im Nachbarzimmer tätige Handwerker mitbekommen, was er für ein (vorzugsweise strafrechtliches) Problem habe. Wäre ihm natürlich nicht Recht. Hatte ich auch nicht anders erwartet. Wir haben uns dann so geeinigt, dass an Samstagen und nach Büroschluss hier gewerkelt werden kann. Damit dachte ich, das Thema sei durch.

Offensichtlich aber hatte der Herr Handwerker bis dato falsche Vorstellungen von den Arbeitszeiten eines Anwalts und meinte, er könne ab 16 Uhr nachmittags mit seinem Trupp anrücken. Es mag ja sein, dass die Anwälte, die man im nachmittäglichen Unterschichten-TV sieht, ab spätestens 15 Uhr den Golfschläger schwingen, aber bei vielen Kollegen und auch bei mir sieht es so aus, dass die meisten (nicht in der JVA einsitzenden) Mandanten einer geregelten Tätigkeit nachgehen und daher überhaupt erst nachmittags für Besprechungen zur Verfügung stehen. Erfreulich für ihn, wenn bei ihm der Hammer nicht mehr nach 16 Uhr geschwungen wird/werden muss. Dann geht´s dem deutschen Handwerk wohl zumindest partiell besser als ich dachte.

Ich bin trotzdem Hoffnung, dass das Aquarium bald wieder in altem Glanz erstrahlt.

Dienstag, 25. Mai 2010

Warum verteidigen Sie meinen Bruder?

Zu machen Briefe, die mich erreichen, fällt mir folgendes Kant-Zitat ein:

Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen. (aus: Kritik der reinenVernunft)

Unlängst schrieb mir der Bruder eines Mandanten, er könne nicht verstehen, weshalb ich seinen Bruder verteidige. Der müsse doch endlich mal "richtig auf die Fresse fallen" und das würde er nicht, solange ich ihn verteidigte. Seine Familie sehe das übrigens auch so. Ich solle doch mal zurückschreiben und erklären, weshalb ich das mache.

Um es vorwegzunehmen: auf solche Schreiben reagiere ich nicht. Erstens wäre es ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung, zweitens vertane Zeit und drittens braucht es keine Rechtfertigung, dass ein Verteidiger seinen Beruf ausübt, der viertens nicht darin liegt, Leuten den Rechtsstaat zu erklären, die zu dumm sind, zu begreifen, welches Glück sie haben, in einem solchen zu leben.

Was meinen Mandanten angeht: ich hadere mit mir, ob ich ihm den Brief zur Kenntnisnahme überlassen soll, vielleicht mit der Bemerkung, dass man sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen kann.

Samstag, 22. Mai 2010

Der Mandant, der mich verstand

Mandanten zu erklären, warum man manche Anträge stellt, warum man Widersprüche zu Protokoll erklärt oder Fragen beanstandet, führt aus meiner Sicht oft zu weit. Wo will man anfangen, wo aufhören?

Gestern beim AG S.
Vorwurf: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Einziger Zeuge (neben Polizisten): ein Kronzeuge, der nach seiner Verurteilung Angaben dazu gemacht hatte, wie und an wen er die Kilos verteilt haben will. Wegen der Tat, die meinem Mandanten vorgeworfen wird (dem will er was "mitgebracht", ohne dabei selbst Gewinn gemacht zu haben) war er nicht verurteilt worden.

Also stand ihm ein umfassendes Schweigerecht zu. Der Richter belehrte ihn entsprechend, der Kronzeuge guckte verwirrt aus dem karierten Hemd. Ich beantragte, ihm einen Zeugenbeistand beizuordnen, da zumindest für mich erkennbar war, dass er nach der Belehrung nicht wirklich verstanden hatte, dass ihm ein weiteres Verfahren drohen könnte. Dieser Antrag wurde abgelehnt, nachdem der Zeuge erklärt hatte, er habe die Belehrung verstanden, wolle aber mal zwei Minuten allein mit dem Staatsanwalt sprechen.

Dieser Vorgehensweise widersprach ich. Wurde auch abgebügelt und die Sitzung unterbrochen. Nach dem Gespräch mit dem Staatsanwalt erklärt der Zeuge, keine Aussage zu machen. (Hätte er eine gemacht, hatte ich mir schon notiert, dass eine Frage von mir an ihn sein würde, was er denn mit dem Herrn Staatsanwalt besprochen habe.)

Und dann kam noch eine Polizeibeamtin, die eine Wahllichtbildvorlage der Marke "Ist er das?" (Vorlage von lediglich einem Foto) durchgeführt hatte. Wieder Widerspruch.

Dem Mandanten habe ich gesagt: "Sie müssen das nicht verstehen. Meine Eltern haben viel Geld dafür bezahlt, dass ich das verstehe." Das hat er verstanden.

Freitag, 21. Mai 2010

Schussfeste/r Referendar/in gesucht!

Nachdem die Wahlstation meiner schussfesten Referendarin leider vorbei ist, suche ich eine/n Nachfolger/in.

Hier das Anforderungsprofil:

- keine Schlipsträger/keine Perlenketten
- Spaß am Strafrecht
- keine Angst vor Besuchen in JVA/Psychiatrie
- keine Sprüche wie: "Muss ich tatsächlich kommen oder können wir uns auf 8 Punkte einigen und ich lasse Sie in Ruhe?"
- keine Angst vor Hunden


und nicht zuletzt natürlich:

- Schussfestigkeit


Mittwoch, 19. Mai 2010

Die Möpse der Beklagten

Die Kollegin Braun berichtet hier von einem unwirtschaftlichen Mops.

Mich erinnert dieser Post an einen Fall, von dem vor einiger Zeit ein befreundeter Kollege berichtete, der eine Mopszüchterin vertrat. Diese war verklagt worden, weil sie angeblich ein krankes Tier verkauft hatte.

Der Kollege konnte sich nicht verkneifen, in der Klageerwiderung auf die vorgetragenen Mängel wie folgt zu erwidern : "Bislang waren die Käufer mit den Möpsen der Beklagten sehr zufrieden."
Wie erfreulich für die Klägerin.

Auch ein (Ex)richter lernt nie aus

Dieser Post des Kollegen Burhoff spricht mir aus der Seele, denn es sind exakt diese Situationen, nach denen ich meine Mandanten mit schöner Regelmäßigkeit befrage.

Meistens läuft das wie folgt:

Ich frage den Mandanten: "Sind Sie von den Polizeibeamten belehrt worden?"

Der Mandant antwortet: "Nein." und schaut verständnislos drein.

Noch verständnisloser schaut er dann, wenn ich in der Hauptverhandlung den Polizeibeamten befrage, ob er belehrt habe, denn der antwortet in schöner Regelmäßigkeit mit "Ja". Wenn er gesprächig ist, kommt noch ein "Das mache ich immer so" hinterher und wenn er sehr gerichtserfahren ist, der Satz "Ich habe zwar an den konkreten Fall keine genaue Erinnerung mehr, aber weil ich das immer mache wird das auch in diesem Fall so gewesen sein".

Damit ist klar, dass eine Version nicht stimmen kann. Das versteht der Mandant und schaut immer noch verständnislos.

Im Urteil erfährt er dann, dass der Richter dem Polizeibeamten mehr Glauben schenkt, denn "nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen POK X. wurde der Betroffene/Angeklagte von diesem belehrt. Soweit sich der Betroffene/Angeklagte dahingehend eingelassen hat, nicht belehrt worden zu sein, handelt es sich hierbei um eine Schutzbehauptung".


Schade übrigens, Herr Kollege Burhoff, dass Sie es nicht haben drauf ankommen lassen. Es hätte mich brennend interessiert, ob ein Richter es Ihnen abgenommen hätte, wenn Sie wahrheitsgemäß bekundet hätten, nicht belehrt worden zu sein.

Es gibt aber auch Polizeibeamte, die nicht belehren und das zugeben.

Sympatischer Ausklang

Gestern beim Landgericht B. wurden sozusagen als letzter Punkt der "Tagesordnung" mit allen Beteiligten (Kammer, StA, Nebenklage, 2 Gutachter, Verteidigung) Fortsetzungstermine abgesprochen. Gar nicht so einfach bei so vielen Beteiligten, aber nach längerem Hin und Her wurden Termine gefunden.

Während meine schussfeste Referendarin und ich unsere Siebensachen zusammenpackten, kam der während der Sitzung im Saal anwesende Wachtmeister auf mich zu und sagte ernst: "Den letzten Termin muss die Kammer jetzt doch noch verlegen." Ich stutze. Er weiter mit Seitenblick auf einen Mann, der während der Verhandlung im Zuschauerraum gesessen hatte: "Der Herr hier kann an dem Tag nicht und es muss ja schließlich Öffentlichkeit da sein."

Ein sympatischer Ausklang nach einem anstrengenden Prozesstag.

Für die mitlesenden Nichtjuristen: Hauptverhandlungen sind in der Regel öffentlich, was nicht bedeutet, dass überhaupt jemand im Zuschauerraum sitzen muss. Ausnahmen bestätigen jedoch wie so oft die Regel. Richtet sich ein Strafverfahren beispielsweise gegen Jugendliche, ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das Gericht kann die Öffentlichkeit auch dann ausschließen, wenn es em Schutz einer am Prozess beteiligten Person dient.

Dienstag, 18. Mai 2010

Vollmacht - Anwalt unterschreibt für Mandant

Das ist ja mal eine richtig gute Idee, die mein Freund und Kollege, das Braunschweiger Kantholz, da hatte.

Die von ihm geschilderte Situation zählt zu denjenigen, die früher oder später jedem Verteidiger passieren.

... wie elegant man sie lösen kann.

Schussfeste Referendarin

Ich verteidige heute in einem Verfahren vor dem Landgericht B., in dem meinem Mandanten sexueller Missbrauch vorgeworfen wird.

In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden am gestrigen Tag fragte ich, ob er etwas dagegen habe, wenn ich meine Referendarin zu Ausbildungszwecken mitbringe. Er verneinte dies, fragte dann aber, ob sie wisse, worum es in der Sache gehe, nicht, dass das zuviel für sie sei.

Der umsichtige Vorsitzende kennt sie nicht, meine Referendarin, die unerschrockene Frau R.. Die kennt dafür aber nicht nur diese, sondern auch viele andere Akten mit zum Teil schweren Tatvorwürfen, die ihr bislang weder die Schamröte ins Gesicht getrieben noch die Sprache verschlagen haben. Deshalb versichere ich ihm, dass sie durchaus schussfest ist.

Montag, 17. Mai 2010

Von der Gnade, nicht als Anwalt erkannt zu werden

Die Kollegin Braun berichtet hier darüber, dass man ihr ihren Beruf nicht abgenommen habe.

Ist das denn so schlimm, wenn einen die Leute nicht für einen Anwalt halten?

Aus meiner Sicht ist es das nicht. Ich hatte mich hier schon darüber ausgelassen, wie lästig es ist, auf einer Party mit der gleichnamigen Frage konfrontiert zu sein. Das alleine spricht schon für ein Inkognito.

Aber auch Anfragen à la "Ich hab da ein Problem mit meinem Nachbarn" erreichen einen nicht, wenn man sich nicht outet.

Problematisch wird es nur dann, wenn man irgendwo eingeladen ist, wo potentielle Mandanten gewonnen werden könnten. Dann sollte man jedem, der es im Zweifel gar nicht hören will, von seiner Profession berichten. Und erst hier stellt sich die Outfitfrage, der man je nach Klientel wohl unterschiedlich begegnen wird. Meine Mandanten legen größtenteils keinen Wert auf Dinge, auf die ich ebenfalls keinen Wert lege, was z. B. bedeutet, dass die Handtasche egal ist, die Armbanduhr indes nicht. Kollegen, die es vorwiegend mit Geschäftskunden zu tun haben, müssen schon eher darauf achten, dass ihr Anzug die richtige Marke hat.

Dann gibt es noch die Kollegen, die entweder so bekannt sind und so viel zu tun haben, dass sie auf Äusserlichkeiten überhaupt keine Rücksicht mehr nehmen müssen und schließlich die, die seit jeher mit Äusserlichkeiten nichts am Hut haben und es fertigbringen, mit einer Discounterplastiktüte voller Akten zu einer Hauptverhandlung beim Landgericht aufzulaufen, wie dies vor Jahren eine von mir sehr geschätzte Kollegin tat. Dass sie dabei von manchen Leuten schief angesehn wurde, merkte sie nicht einmal. Fand ich richtig cool.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Endlich richtig verstanden WAR: gründlich falsch verstanden

Nun hat er mich richtig verstanden, der Inhaftierte mit der To-do-Liste, der offensichtlich nicht nur einen Verteidiger wollte, sondern ein Mädchen für Alles.

Er hat mir mitgeteilt, dass er einen anderen Anwalt beauftragt habe und meine Dienste nicht weiter benötige.

Dem Kollegen sei an dieser Stelle herzlich gratuliert. Vielleicht schafft er es ja, den Anforderungen gerecht zu werden - zum Nulltarif versteht sich.

Dienstag, 11. Mai 2010

Die Prostituierte und der angebliche Exhibitionist

Eine Frau hatte bei der Polizei behauptet, der Angeklagte habe mit heruntergelassenen Hosen auf der Straße gestanden und onaniert. Hiervon habe sie sich belästigt gefühlt, sie sei schockiert gewesen, habe schlimme Angst gehabt und sich von einem Freund, mit dem sie verabredet gewesen sei, zur Polizei fahren lassen.

Der Angeklagte hatte den Vorfall anders geschildert: Er habe im Auto gesessen, sie habe ihn angesprochen und ihm angeboten, ihn gegen Zahlung von 20 Euro oral zu befriedigen. Er habe ihr kein Geld geben wollen und ihr stattdessen CDs angeboten. Sie habe dann zu ihm gesagt, sie müsse kurz weg und komme gleich zurück. Zurück sei nicht sie gekommen, sondern die Polizei, um ihn mit dem Vorwurf zu konfrontieren.

In der Hauptverhandlung erzählte die Zeugin dieselbe Geschichte wie schon bei der Polizei, allerdings ergänzt um den Umstand, dass sie sich mit dem Angeklagten unterhalten haben will über dessen Auto und Wohnort.
Weiter hatte sie in der Verhandlung davon berichtet, früher einmal als Prostituierte gearbeitet zu haben.

Am zweiten Verhandlungstag berichtete eine Bekannte der Opferzeugin, diese habe ihr gegenüber den Vorfall im Wesentlichen so geschildert wie es der Angeklagte getan hatte. Sie habe ihm "Liebesdienste" angeboten. Der Freund, mit dem die Opferzeugin verabredet gewesen sein will, wusste von einer Verabredung nichts. Er habe einen Anruf von ihr erhalten als er gerade mit Freunden unterwegs gewesen sei. Auf ihr Bitten habe er sie zur Polizei gefahren.

Nach den Aussagen der Bekannten und des Zeugen war auch die Staatsanwaltschaft von der Unschuld des meines Mandanten überzeugt und hatte Freispruch beantragte.

Nicht verkneifen konnte ich mir im Plädoyer die Bemerkung, dass es seltsam anmutet, wenn eine ehemalige Prostituierte behauptet, vom Anblick eines entblößten männlichen Geschlechtsteils schockiert gewesen zu sein und gar Angst verspürt zu haben. Ihren eigenen Angaben zufolge war sie immerhin gelassen genug, über Wohnort und Auto zu plaudern. Ein Verhalten, dass sich sicher nicht jeder Frau in einer Situation wie der behaupteten aufdrängt.

Montag, 10. Mai 2010

Beleidigungsgenerator

Hier meine Fundsache des Tages: der Beleidigungsgenerator

Übrigens: die Beleidigung wird zwar nur auf Antrag verfolgt, ist aber ein Delikt, das die Tür zur Nebenklage öffnet.


Verzicht auf Fingernägel und Stringtangas

Bevor die Beweisaufnahme in einem Strafprozess geschlossen wird, wird über sichergestellte bzw. beschlagnahmte Gegenstände entschieden.

In einem Fall, in dem es um eine Gewalttat zum Nachteil der Ehefrau ging, fanden sich im Asservatenverzeichnis neben 9 mm Patronen auch Stringtangas und künstliche Fingernägel. Die beiden letztgenannten Gegenstände waren unstreitig der Ehefrau zuzuordnen.
Mein Mandant erklärte auf Frage des Gerichts, auf die Herausgabe zu verzichten.

Dies wurde zunächst einmal auch so protokolliert bis dann auffiel, dass man auf fremde Fingernägel und Stringtangas nicht verzichten kann, sondern nur auf Gegenstände, deren Eigentümer man ist.

Der Vermerk im Protokoll der Hauptverhandlung wurde entsprechend ergänzt. Hätte sonst auch irgendwie seltsam angemutet.

Sonntag, 9. Mai 2010

Akademikerzoff

Nein, Gewalt ist keine Lösung. Wer wird denn so plump sein, seinem Widersacher schlicht die Zähne in den Hals zu schlagen?

Dass es auch anders geht, zeigt folgendes Beispiel aus dem außergerichtlichen Schriftverkehr zwischen drei Akademikern:

Herr X. ist Mathematiker. Er betitelt Herrn Y. als "Querulanten". Herr Y ist Lehrer, lässt sich aber von Herrn X. nicht aus der Reserve locken. In den Streit schaltet sich Herr Z., seines Zeichens Ingenieur, ein, der Partei für Y. ergreift und will, dass der seine beleidigende Äusserung zurücknimmt. Folglich schreibt er Herrn X. an und empfiehlt ihm "Bodenturnen - Rolle rückwärts".

Köstlich.

Samstag, 8. Mai 2010

Richterwitz

Amtsrichter X kommt nach dem Sitzungstag zurück in sein Dienstzimmer und erblickt im Hinsetzen auf seinem Schemel eine Reißzwecke, Dorn nach oben. Mit einer Handbewegung wischt er sie weg, setzt sich und beginnt, sein Dezernat abzuarbeiten.

Landricher Y ereilt Gleiches. Er stutzt und überlegt einen Moment. Dann nimmt er die Reißzwecke, drückt sie in die Sitzfläche, setzt sich und bearbeitet sein Dezernat.

Als Oberlandesrichter Z das corpus delicti erblickt ist er zunächst irritiert. Er beguckt sich den kleinen Störenfried erst eingehend von der einen Seite, dann ausgiebig von der anderen. Schließlich setzt er sich indem er murmelt: "Mein Vorsitzender hat sich dabei gewiss etwas gedacht."

Urheber des Witzes unbekannt. An mich wurde er weitergeleitet von - einem Richter.

Freitag, 7. Mai 2010

Mutti und die gefälschte Klassenarbeit

Das nenne ich mal elterliches Engagement wider die Pisa-Studie!

Laut t-online soll eine Mutter nachträglich die Englischarbeit ihrer Tochter verbessert haben um ihr zu einer besseren Note zu verhelfen. Die Frau Lehrerin soll den Schwindel bemerkt haben und nun steht Mutti vor Gericht wegen Urkundenfälschung.

Mich persönlich würde ja mal interessieren, ob die Korrekturen richtig waren oder das schlimme Ergebnis nur noch verschlimmbessert haben und ob es eine Vorgeschichte dazu gibt.

Mutti soll laut dem Bericht eine Geldstrafe erwarten. Was auch sonst? Eine Strafarbeit mit der Maßgabe 100 Mal zu schreiben: "Ich darf nicht naträglich die Arbeiten meines Kindes verbessern" kennt das Gesetz nicht.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Gründlich falsch verstanden - Teil 2

Ich hatte hier von einem Mandanten berichtet, der die Aufgaben eines Verteidigers gründlich falsch verstanden haben muss.

Leider hat meine bisherige Aufklärung darüber ihn scheinbar nicht erreicht, denn nun erreicht mich ein Brief mit einer Art To-do-Liste, die u.a. vorsieht, dass ich mich um das Ausräumen seiner Wohnung kümmere, diverse Bekannte von ihm aus unterschiedlichen Gründen kontaktiere, seinen Handyvertrag kündige und, und, und. Und beeilen soll ich mich auch, denn ihm laufe die Zeit davon.

Erwähnte ich bereits, dass bislang 0 Euro Vorschuss gezahlt wurden? Leute gibt´s.

Montag, 3. Mai 2010

Terminshoheit des Gerichts

Ich verteidige gemeinsam mit einem Koblenzer Kollegen beim Amtsgericht P., das rund 500 Kilometer von Koblenz entfernt liegt. Den dortigen Vorsitzenden kenne ich als umgänglich. Angesichts der Entfernung zum Gerichtsort terminierte er entgegenkommenderweise auf 13 Uhr.

Dieser Termin wurde wegen Verhinderung eines Angeklagten aufgehoben. Es wurde neuer Termin bestimmt, dieses Mal allerdings auf 9 Uhr morgens.

Der Kollege rief den Vorsitzenden nach Erhalt der Ladung an und fragte, ob wegen der weiten Anreise keine spätere Terminierung in Betracht komme. Der Vorsitzende bedauerte, sämtliche Termine nach Mittag seien bereits anderweitig vergeben. Daraufhin rief der Kollege bei der Geschäftsstelle an um sich zu erkundigen, wann am fraglichen Tag denn der nächste Termin stattfinde. Der freundliche Geschäftsstellenbeamte teilte mit, dass es sich bei dem Termin um 9 Uhr morgens um den einzigen Termin an diesem Tag handele. Für den Nachmittag seien keine Termine vorgesehen. Ob sich der Vorsitzende da vertan hat?

Mein Kollege wollte es kaum glauben und war auf 180 als er mir davon berichtete.

A propos 180: ich sehe mich schon mit zeitweilig 180 km/h morgens um 3 Uhr gen P. fahren. Die Terminierung obliegt nunmal dem Vorsitzenden, da nützt aller Ärger um´s frühe Aufstehen nichts.

Burka-Verbot und Radarfotos

Das von den Belgiern durchgesetzte Burka-Verbot ist in aller Munde und es kann nicht mehr lange dauern, da wird auch hierzulande jeder gefragt und ungefragt seine Meinung dazu kundtun. Ich lasse das sein und wende mich einem Aspekt der Verschleierung zu, der laut
"stern" in Frankreich Diskussionen über die Ganzkörperverschleierung ausgelöst haben soll.

Die verschleierte Fahrerin eines Pkw soll einen Strafzettel kassiert haben, weil die Polizei der Auffassung gewesen sein soll, ihre Sicht sei durch die Verschleierung zu sehr eingeschränkt. Ob die Besorgnis um die Rundumsicht der wahre Grund war?

Ich könnte mir vorstellen, dass es ungleich schwieriger ist, eine Fahreridentitätsfeststellung anhand eines Radarfotos durchzuführen, auf dem die Fahrerin/der Fahrer verschleiert ist.

Ob das nun für oder gegen ein Burka-Verbot spricht, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Ein Polizeibeamter definiert "gut gefeiert"

Nach einer Feierlichkeit war es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei an dieser Feierlichkeit Beteiligten gekommen. Sämtliche Beteiligten hatten sich ihren eigenen Bekundungen zufolge mächtig einen hinter die Binde gekippt und gaben Trinkmengen an, die mehr als beachtlich waren. Das vorläufige Ende vom Lied mündete in einem Strafprozess.

Ein als Zeuge vernommener Polizeibeamter berichtete von seiner Vernehmung einer Zeugin und begann wie folgt: "Am fraglichen Tag habe man gefeiert. Man habe gut gefeiert (...)"

Auf Nachfrage, was unter "gut gefeiert" zu verstehen sei, antwortete er, dass Alkohol konsumiert worden sei.

Ob dann wohl ein Feiern ohne Alkoholkonsum "schlecht gefeiert" bedeutet? Ich hab nicht danach gefragt. Das hätte die Verhandlung nur unnötig verzögert und ich musste an dem Tag noch eine Feierlichkeit vorbereiten - eine schlechte übrigens, die dafür aber wirklich gut war.

Samstag, 1. Mai 2010

Therapiestillstand - ein Lichtblick

Ich hatte hier von einem Fall berichtet, der mich schon seit vielen Jahren beschäftigt.

Nachdem die Verlegung meines Mandanten durchgesetzt werden konnte, hatte ich ihn angeschrieben und ihn gebeten, mir gelegentlich mitzuteilen, ob er sich in der neuen Umgebung wohlfühlt. Im Hinblick darauf, dass er die letzten 5 Jahre nicht ein einziges Mal von sich aus Kontakt zu mir aufgenommen hatte (wie auch zu niemandem sonst), hatte ich nicht damit gerechnet, vor dem nächsten Anhörungstermin überhaupt etwas von ihm zu hören.

Umso größer war meine Freude als er mich unlängst anrief um mir mitzuteilen, es gehe ihm gut, die Pfleger seien nett und er komme gut zurecht.