Das, was heute Herrn Middelhoff geschehen ist, zählt zum Albtraum eines jeden Angeklagten, der den Gerichtssaal als freier Mann betreten hat. Kaum ist das Urteil verkündet, klicken die Handschellen und es geht schnurgerade und in der Regel ohne Zahnbürste in die Zelle - Saalverhaftung.
Auch als Verteidiger gehört die Saalverhaftung des Mandanten zu denjenigen Situationen, auf die man gut verzichten kann. Finster, wenn sich weder die Hoffnung auf einen Freispruch oder zumindest eine Bewährungsstrafe bestätigt und obendrein auch noch ein Haftbefehl gegen den Mandanten verkündet wird.
Im Fall Middelhoff wurde der Haftbefehl bekanntermaßen damit begründet, dass er über einen Wohnsitz im Ausland verfügt. Nun ja, Frankreich ist nicht Brasilien, aber es reichte den Essener Richtern für die Annahme, er könnte sich ins Ausland absetzen. Ob dies das letzte juristische Wort ist, bleibt abzuwarten.
Die Krönung der Saalverhaftung durfte ich in diesem Jahr im Aktionsbüro Mittelrhein Prozess erleben. Dort traf es einen der rechten Szene zugehörigen Zeugen.
Dieser hatte eine Aussage gemacht, die ihm die Staatsanwaltschaft nicht abkaufte. Nach einer Verhandlungspause befanden sich neben den üblichen Justizbeamten im Saal drei weitere im Zuschauerraum und uns Verteidigern war sofort klar, dass sie dies nicht aus Gründen der hausinternen Fortbildung tun. Der Zeuge wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft im Saal festgenommen und in eine Zelle verbracht, die er erst wieder verlassen durfte, nachdem er seine Aussage korrigiert hatte.
Dieser Zeuge hatte sicher noch weniger als Herr Middelhoff damit gerechnet, gesiebte Luft zu atmen.
Ergebnis: das Sprichwort stimmt.
In diesem Blog berichtet Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. über Strafverfahren in und um die Rhein-Mosel-Stadt
Freitag, 14. November 2014
Freitag, 7. November 2014
Aktionsbüro Mittelrhein und die Öffentlichkeit
Es ist recht lange her, dass ich zuletzt vom ABM-Verfahren berichtet habe und vielleicht fragt sich schon der ein oder andere Leser, ob es überhaupt noch läuft. Ja, es läuft noch. Wie üblich jede Woche von Dienstag bis einschließlich Donnerstag im Schwurgerichtssaal. Die mediale Aufmerksamkeit hat nachgelassen, nur ab und an sitzt jemand von der zumeist linken Presse im Zuschauerraum, gerne auch mal der an Vermummung grenzenden modischen Nötigung der Zeit gehorchend mit überdimensionierten Schals und Tüchern um Kopf und obere Extremitäten.
Die sonstigen Zuschauer entstammen den Familien der Angeklagten.
Irgendwie ist das sehr schade und zwar besonders im Hinblick auf die Referendare, die am Landgericht Koblenz ausgebildet werden. Als ich Referendarin war, hatte ich es meinem damaligen Ausbilder zu verdanken, dass ich regelmäßig bei großen Prozessen mit von der Partie war, und wenn schon nicht neben ihm auf der Verteidigerbank, dann doch wenigstens im Zuschauerraum. Das, was ich dort gelernt habe, stand zum Teil in keinem Lehrbuch und das, was im Lehrbuch stand, musste ich nicht mehr mühsam lernen.
Der ABM-Prozess wird, wie es der Vorsitzende Richter schon am ersten Tag im August 2012 sagte, Seinesgleichen suchen und nicht finden. Das liegt einerseits daran, dass es von ursprünglich einmal 26 immer noch 20 Angeklagte sind, vertreten durch 40 Verteidiger, am Umfang des Prozessstoffes und nicht zuletzt daran, dass es sich um ein politisches Verfahren handelt. Kaum ein Tag vergeht ohne Anträge aus den Reihen der Verteidigung, in keinem anderen Verfahren habe ich es bislang erlebt, dass nicht nur Verteidiger, sondern auch Angeklagte von ihrem Recht nach § 257 StPO Gebrauch machen und es wäre selbst für die Fachanwälte unter uns vermessen, zu behaupten, man selbst habe bislang noch nichts durch dieses Verfahren dazu gelernt.
Umso erstaunlicher, dass derart kostenlose Fortbildungsangebote nicht wahrgenommen werden.
Wer sich nicht im Strafprozessrecht weiterbilden mag, darf auch gerne kommen um seine Vorurteile in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten einmal neu zu sortieren. Eine Praktikantin meiner Kanzlei, die einen Haufen glatzköpfiger Skinheads erwartet hatte, war überrascht ob der Dichte der Hochschul- und Uniabsolventen unter den Angeklagten. Ein Kollege, der mit seinen Referendaren angereist war, zeigte sich überrascht davon, dass die Verteidiger miteinander, nicht gegeneinander agieren, was in Prozessen mit derart vielen Beteiligten längst nicht immer der Fall ist.
Vor dem Besuch am Nachmittag sei indes gewarnt, wenn es den ein oder anderen Verfahrensbeteiligten in Morpheus´ Arme treibt ob der Erkenntnisse der vorgespielten Telefonüberwachung. Aber auch die haben ihr Gutes und so bin ich guter Dinge, irgendwann einmal selbst Hawaiitoasts zubereiten zu können.
Die sonstigen Zuschauer entstammen den Familien der Angeklagten.
Irgendwie ist das sehr schade und zwar besonders im Hinblick auf die Referendare, die am Landgericht Koblenz ausgebildet werden. Als ich Referendarin war, hatte ich es meinem damaligen Ausbilder zu verdanken, dass ich regelmäßig bei großen Prozessen mit von der Partie war, und wenn schon nicht neben ihm auf der Verteidigerbank, dann doch wenigstens im Zuschauerraum. Das, was ich dort gelernt habe, stand zum Teil in keinem Lehrbuch und das, was im Lehrbuch stand, musste ich nicht mehr mühsam lernen.
Der ABM-Prozess wird, wie es der Vorsitzende Richter schon am ersten Tag im August 2012 sagte, Seinesgleichen suchen und nicht finden. Das liegt einerseits daran, dass es von ursprünglich einmal 26 immer noch 20 Angeklagte sind, vertreten durch 40 Verteidiger, am Umfang des Prozessstoffes und nicht zuletzt daran, dass es sich um ein politisches Verfahren handelt. Kaum ein Tag vergeht ohne Anträge aus den Reihen der Verteidigung, in keinem anderen Verfahren habe ich es bislang erlebt, dass nicht nur Verteidiger, sondern auch Angeklagte von ihrem Recht nach § 257 StPO Gebrauch machen und es wäre selbst für die Fachanwälte unter uns vermessen, zu behaupten, man selbst habe bislang noch nichts durch dieses Verfahren dazu gelernt.
Umso erstaunlicher, dass derart kostenlose Fortbildungsangebote nicht wahrgenommen werden.
Wer sich nicht im Strafprozessrecht weiterbilden mag, darf auch gerne kommen um seine Vorurteile in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten einmal neu zu sortieren. Eine Praktikantin meiner Kanzlei, die einen Haufen glatzköpfiger Skinheads erwartet hatte, war überrascht ob der Dichte der Hochschul- und Uniabsolventen unter den Angeklagten. Ein Kollege, der mit seinen Referendaren angereist war, zeigte sich überrascht davon, dass die Verteidiger miteinander, nicht gegeneinander agieren, was in Prozessen mit derart vielen Beteiligten längst nicht immer der Fall ist.
Vor dem Besuch am Nachmittag sei indes gewarnt, wenn es den ein oder anderen Verfahrensbeteiligten in Morpheus´ Arme treibt ob der Erkenntnisse der vorgespielten Telefonüberwachung. Aber auch die haben ihr Gutes und so bin ich guter Dinge, irgendwann einmal selbst Hawaiitoasts zubereiten zu können.
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