Das Präsidium des Landgerichts Koblenz hat die 12. Strafkammer für zuständig erklärt, das Verfahren fortzuführen.
Die 12. Strafkammer, die sich nach einer Besetzungsrüge der Verteidigung für unzuständig erklärt hatte, teilte daraufhin gestern mit, es sei beabsichtigt, am 26. Februar 2019 mit der Hauptverhandlung zu beginnen.
In diesem Blog berichtet Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. über Strafverfahren in und um die Rhein-Mosel-Stadt
Dienstag, 4. Dezember 2018
Mittwoch, 21. November 2018
Aktionsbüro Mittelrhein 2.0 geplatzt
Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass die Besetzung der Richterbank und ihr Zustandekommen Gegenstand diverser Rügen seitens der Verteidigung war.
Nun haben wir es Schwarz auf Weiß: die Besetzungsrüge greift durch. Alle Termine wurden abgesagt.
Die 12. Strafkammer hat festgestellt, dass sie in dem Verfahren nicht ordnungsgemäß besetzt ist. Hiermit ist es der Rüge zweier Angeklagten, der sich - mit Ausnahme desjenigen Angeklagten, der die Anklage stützen soll und sich seit 2012 in einem Zeugenschutzprogramm befindet - alle anderen Angeklagten angeschlossen hatten, gefolgt.
In dem Beschluss heißt es:
"Die 12. große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen (…) jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12. großen Strafkammer vor."
Das Verfahren wird, sofern es nicht endlich eingestellt werden sollte, erneut terminiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob es im dritten Anlauf gelingt, eine fehlerfreie Besetzung der Kammer zu finden.
Edit: Laut verschiedener Pressemitteilungen soll das Verfahren nach 2 Verhandlungstagen ausgesetzt worden sein für dieses Jahr.
Richtig ist, dass es bislang 5 Hauptverhandlungstermine gab; der sechste Termin war für kommenden Mittwoch angesetzt gewesen.
Es sei weiter in Erinnerung gerufen, dass ein Kollege bereits im Vorfeld zur Hauptverhandlung sowie in den ersten Verhandlungstagen darum gebeten hatte, die Besetzungsrügen vor Verlesung der Anklage vorbringen zu dürfen, damit man sich weitere Verhandlungstage und insbesondere auch die Verlesung der umfangreichen Anklage sparen könne. Dieser Bitte der Verteidigung war die Kammer nicht nachgekommen.
Nun haben wir es Schwarz auf Weiß: die Besetzungsrüge greift durch. Alle Termine wurden abgesagt.
Die 12. Strafkammer hat festgestellt, dass sie in dem Verfahren nicht ordnungsgemäß besetzt ist. Hiermit ist es der Rüge zweier Angeklagten, der sich - mit Ausnahme desjenigen Angeklagten, der die Anklage stützen soll und sich seit 2012 in einem Zeugenschutzprogramm befindet - alle anderen Angeklagten angeschlossen hatten, gefolgt.
In dem Beschluss heißt es:
"Die 12. große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen (…) jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12. großen Strafkammer vor."
Das Verfahren wird, sofern es nicht endlich eingestellt werden sollte, erneut terminiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob es im dritten Anlauf gelingt, eine fehlerfreie Besetzung der Kammer zu finden.
Es sei weiter in Erinnerung gerufen, dass ein Kollege bereits im Vorfeld zur Hauptverhandlung sowie in den ersten Verhandlungstagen darum gebeten hatte, die Besetzungsrügen vor Verlesung der Anklage vorbringen zu dürfen, damit man sich weitere Verhandlungstage und insbesondere auch die Verlesung der umfangreichen Anklage sparen könne. Dieser Bitte der Verteidigung war die Kammer nicht nachgekommen.
Mittwoch, 7. November 2018
Aktionsbüro Mittelrhein - 4. und 5. Hauptverhandlungstag
Um es vorweg zu nehmen - das Verfahren wurde gestern, am 5. Verhandlungstag, unterbrochen bis zum 28. November.
Bis dahin wird über Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen zu entscheiden sein, die am 4. und 5. Verhandlungstag erhoben wurden. Gleichzeitig kann ein Angeklagter die Unterbrechung dazu nutzen, sich den Klausuren des Ersten Juristischen Staatsexamens zu widmen. Für den Fall, dass eine Klausur im Strafprozessrecht darunter sein sollte, dürfte er nach nunmehr 342 Hauptverhandlungstagen gut vorbereitet sein.
Erwähnenswert ist eine von einem Kollegenduo vorgebrachte Besetzungsrüge, mit der zuvorderst die funktionelle Zuständigkeit der Strafkammer gerügt wurde und hilfsweise die fehlerhafte Besetzung des Gerichts.
Funktionelle Zuständigkeit bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass bestimmte Anklagen in die Zuständigkeit von Strafkammern mit Spezialzuständigkeit fallen; ein Mord gehört damit zum Schwurgericht, ein großes Steuerstrafverfahren vor die Wirtschaftsstrafkammer und ein Verfahren, das die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Gegenstand hat, in den Zuständigkeitsbereich einer Staatsschutzkammer.
Der erste Anlauf, der mit der Einstellung endete, wurde vor der 12. großen Strafkammer als Staatsschutzkammer verhandelt. Als das Verfahren dann wieder auf die erfolgreiche Beschwerde der Staatsanwaltschaft im Dezember 2017 aufgenommen wurde, geschah dies ebenfalls bei der 12. großen Strafkammer, die zu diesem Zeitpunkt keine Staatsschutzkammer mehr war, sondern eine allgemeine große Strafkammer. Die Rüge führt dazu aus, dass das Verfahren gar nicht bei der 12. Strafkammer, sondern bei einer der beiden zu diesem Zeitpunkt existenten Staatsschutzkammern hätte eröffnet werden müssen - ein Einwand, der sich hören lassen kann.
Die Frage eines Kollegen an die Kammer gegen Ende des Verhandlungstages, ob man nun eigentlich bei einer normalen großen Strafkammer verhandele oder bei einer Staatsschutzkammer, wurde nicht konkret beantwortet. Sie wird in der Zwischenzeit sicher Gegenstand von Erörterungen innerhalb des Präsidiums und der Kammer sein.
Bis dahin wird über Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen zu entscheiden sein, die am 4. und 5. Verhandlungstag erhoben wurden. Gleichzeitig kann ein Angeklagter die Unterbrechung dazu nutzen, sich den Klausuren des Ersten Juristischen Staatsexamens zu widmen. Für den Fall, dass eine Klausur im Strafprozessrecht darunter sein sollte, dürfte er nach nunmehr 342 Hauptverhandlungstagen gut vorbereitet sein.
Erwähnenswert ist eine von einem Kollegenduo vorgebrachte Besetzungsrüge, mit der zuvorderst die funktionelle Zuständigkeit der Strafkammer gerügt wurde und hilfsweise die fehlerhafte Besetzung des Gerichts.
Funktionelle Zuständigkeit bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass bestimmte Anklagen in die Zuständigkeit von Strafkammern mit Spezialzuständigkeit fallen; ein Mord gehört damit zum Schwurgericht, ein großes Steuerstrafverfahren vor die Wirtschaftsstrafkammer und ein Verfahren, das die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Gegenstand hat, in den Zuständigkeitsbereich einer Staatsschutzkammer.
Der erste Anlauf, der mit der Einstellung endete, wurde vor der 12. großen Strafkammer als Staatsschutzkammer verhandelt. Als das Verfahren dann wieder auf die erfolgreiche Beschwerde der Staatsanwaltschaft im Dezember 2017 aufgenommen wurde, geschah dies ebenfalls bei der 12. großen Strafkammer, die zu diesem Zeitpunkt keine Staatsschutzkammer mehr war, sondern eine allgemeine große Strafkammer. Die Rüge führt dazu aus, dass das Verfahren gar nicht bei der 12. Strafkammer, sondern bei einer der beiden zu diesem Zeitpunkt existenten Staatsschutzkammern hätte eröffnet werden müssen - ein Einwand, der sich hören lassen kann.
Die Frage eines Kollegen an die Kammer gegen Ende des Verhandlungstages, ob man nun eigentlich bei einer normalen großen Strafkammer verhandele oder bei einer Staatsschutzkammer, wurde nicht konkret beantwortet. Sie wird in der Zwischenzeit sicher Gegenstand von Erörterungen innerhalb des Präsidiums und der Kammer sein.
Donnerstag, 25. Oktober 2018
Aktionsbüro Mittelrhein - 3. Hauptverhandlungstag
Der
dritte Hauptverhandlungstag war nur bis 14 Uhr angesetzt und drehte sich die
ersten Stunden um die Reihenfolge der anstehenden Prozesshandlungen. Die
Verteidiger hatten eine Vielzahl von Anträgen angekündigt, namentlich
Besetzungsrügen, Ablehnungsanträge, Aussetzungsanträge sowie
Eingangserklärungen (sog. „Opening Statement“) nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO.
Eingangserklärungen zur Anklage gibt es erst seit der Reform des
Strafprozessrechts 2017. Sie sind nur in Umfangsverfahren vorgesehen und sollen
nach dem Wortlaut des Gesetzes vor der Vernehmung des Angeklagten erfolgen und
nach Verlesung der Anklage. Besetzungsrügen müssen zwingend vor Vernehmung des
ersten Angeklagten zur Sache erfolgen, damit sie nicht verspätet und damit
unbeachtlich sind, § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO. Ablehnungsanträge müssen in
laufender Hauptverhandlung unverzüglich gestellt werden, § 25 Abs. 2 StPO bzw.
bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse,
§ 25 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Man
sieht: alles wichtig, alles eilig und jeder wollte als Erster zu Wort kommen. Je
nachdem, welcher Verteidiger welchen Antrag im Köcher hatte, sprach sich für
den Vorrang dessen aus, so dass die Frage der Reihenfolge in den Reihen der
Verteidigung keineswegs konsensual diskutiert wurde. Die Kammer legte letztlich
die Reihenfolge dahingehend fest, dass zunächst die Befangenheitsanträge zu
stellen waren.
Bevor
es jedoch hierzu kam, wurde der am Vortag von zwei Staatsanwälten verlesene
Anklagesatz kritisch beleuchtet. Dieser wurde nicht so verlesen, wie er im Mai
2012 zugelassen worden war, sondern in modifizierter Form. Die Modifikationen
waren dem Umstand geschuldet, dass sich die Anklage ursprünglich gegen 26
Personen richtete, von denen inzwischen 10 aus dem Verfahren ausgeschieden
sind. Die Ausgeschiedenen waren salopp als „Zeugen“ klassifiziert worden. Eine
prozessuale Begründung zu dieser Verfahrensweise war nicht angeführt worden. Die Kammer gab zu erkennen, sich im Rahmen
von zu erteilenden Hinweisen hierzu positionieren zu wollen.
Dass
der Anklagesatz seiner Formulierung nach nicht klar hervorbrachte, dass es sich
hierbei nicht um einen feststehenden Sachverhalt handelt, sondern lediglich um
einen erst noch aufzuklärenden Sachverhalt, war Gegenstand eines Befangenheitsantrages
gegen die Schöffen und Hilfsschöffen. Die suggestiven Formulierungen des
Anklagesatzes führten dazu, dass sich bei den Laienrichtern zumindest unterbewusst
festsetze, alles habe sich exakt so ereignet wie verlesen mit der Folge, dass
die Schöffen den Angeklagten nicht mehr vorbehaltlos gegenüberstünden. Diesem
Antrag schlossen sich die übrigen Angeklagten mehrheitlich an.
Weitere
Ablehnungsgesuche waren gegen einen Richter gerichtet, der gleichzeitig
Mitglied des Präsidiums ist und an einer Entscheidung über eine im Vorfeld zur
Hauptverhandlung erhobene Besetzungsrüge beteiligt war sowie gegen den Vorsitzenden.
Dieser sei Mitglied der SPD und habe sich an einer Unterschriftenaktion zur
Umbenennung des „Palandt“ (ein zivilrechtlicher Standardkommentar, benannt nach
Otto Palandt) beteiligt.
Mittwoch, 24. Oktober 2018
Aktionsbüro Mittelrhein - 2. Hauptverhandlungstag
Der zweite Tag im zweiten Durchgang begann mit deutlich weniger Pressebeteiligung als der erste Tag. Gerade einmal zwei Journalisten hatten sich eingefunden.
Erfreulich war der Besuch einer Schöffin
aus dem ersten Durchgang der Hauptverhandlung, die von vielen
Verfahrensbeteiligten freudig begrüßt wurde.
Ebenso erfreulich wie souverän die
Ansage des Vorsitzenden, dass die Verfahrensbeteiligten sich nur zu Beginn des
jeweiligen Hauptverhandlungstages zu erheben haben. In Koblenz entspricht es
den Gepflogenheiten, dass bei jedem Eintreten des Gerichts einer der anwesenden
Justizwachtmeister ruft „Bitte aufstehen!“, was vielfach dazu führt, dass sich
tatsächlich alle erheben. Ich hatte mich an anderer Stelle schon einmal darüber
ausgelassen, dass Bewegung zwar guttut, aber eben keine Verpflichtung zum Auf und Nieder besteht.
Die Zeit bis zur Mittagspause wurde
gefüllt mit Anträgen und Diskussionen über den Gang der Hauptverhandlung.
Nachdem die Verteidigung bereits am ersten Hauptverhandlungstag Besetzungsrügen
sowie Aussetzungs- und Befangenheitsanträge angekündigte hatte, wäre nach
Feststellung der Personalien der Angeklagten nun der Zeitpunkt gewesen, diese
anzubringen. Demgegenüber ordnete der Vorsitzende an, dass die Anklageschrift
verlesen werden solle. Angesichts des Umfangs der Anklageschrift (926 Seiten,
der in der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft zu verlesende Teil
beträgt knapp 70 Seiten) wäre es aus Gründen der Prozessökonomie durchaus
sinnvoll gewesen, zunächst die angekündigten Anträge stellen zu lassen. Bis dann über die Widersprüche der
Verteidigung zur beabsichtigten Vorgehensweise des Vorsitzenden entschieden war und
auch die Gegenvorstellungen angebracht waren, hätten einige der Anträge sicher
schon Gehör finden können, so aber trat eine gewisse Überlänge ein durch die
Unterbrechungen, in denen die Kammer ihre Beschlüsse fassen mussten.
Als eine Art Nebenkriegsschauplatz sei die
Diskussion um das Namensschild eines Verteidigers erwähnt. Im ersten Durchgang
hatte ein Angeklagter, gelernter Schreiner und infolge der Terminierungsdichte freilich arbeitslos, Namensschilder aus Holz für einige Rechtsanwälte und
Angeklagte angefertigt. Ein Rechtsanwalt hatte dieses Schild an seinen Platz
vor das seitens der Justiz angefertigte Plastikschild gestellt und wurde vom Vorsitzenden
aufgefordert, dieses zu entfernen, da es „irritierend“ sei. Der Kollege verwies
auf die Historie des Schildes - für ihn führe das erste Schild – und machte
keine Anstalten, es abzuräumen. Tatsächlich spricht mehr für als gegen die
handgearbeiteten Schilder. Im Gegensatz zu den Holzschildern enthalten die
Plastikschildchen Schreibfehler, akademische Grade werden weggelassen und
manche sind vergilbt oder defekt. Ich überlege, mir auch so ein Schild
zuzulegen, schrecke allerdings ob der Länge meines Namenszuges davor zurück,
schließlich müsste ich das Massivholzteil ja auch transportieren. Davon ab
befürchte ich, dass es den vorgesehenen Zweck nicht wird erfüllen können. Wir,
also Kollege Siebers und ich, sitzen in der fünften von sieben Reihen.
Es darf bezweifelt werden, dass die Richterbank ab Reihe 3 überhaupt noch ein
Schild – ob Holz oder Plastik ist gleichgültig – entziffern kann.
Obwohl die Kammer trotz der erheblichen
Einwände der Verteidigung nicht bereit war, von ihrer vorgegebenen Reihenfolge
abzusehen, wurde am Nachmittag der Anklagesatz verlesen und zwar stellenweise
gleich mehrfach, weil ein Anwalt eingenickt war. Das Gesetz sieht vor, dass ein
Angeklagter in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verteidigt sein muss
und dazu muss dessen Anwalt nicht nur körperlich anwesend sein. Sämtliche
Verfahrenshandlungen, die in Abwesenheit eines notwendigen
Verfahrensbeteiligten vorgenommen werden, müssen wiederholt werden, so auch
hier die verschlafenen Teile des Anklagesatzes.
Montag, 15. Oktober 2018
Aktionsbüro Mittelrhein - 1. Hauptverhandlungstag
Gemeinsam mit meinem alten Freund und Kollegen Werner Siebers verteidige ich einen der Angeklagten im Prozess "Aktionsbüro Mittelrhein" vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz. Nachdem das Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer im Frühjahr 2017 eingestellt worden war, hatte das Oberlandesgericht Koblenz einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft folgend beschlossen, dass das Verfahren von Neuem beginnen muss.
Heute war es soweit. Der Beginn des Verfahrens verzögerte sich durch die Erkrankung eines Angeklagten, der zunächst dem Amtsarzt vorgeführt wurde. Dieser hatte darüber zu entscheiden, ob der Angeklagte trotz seiner Erkrankung imstande ist, der Hauptverhandlung zu folgen. Gegen 10.30 Uhr stand fest: er ist es nicht und wird es in dieser Woche auch nicht mehr sein.
Die Staatsschutzkammer, besetzt mit 3 Berufsrichtern, 2 Schöffen, 2 Ergänzungsrichtern und 2 Ersatzschöffen, kündigte hierauf an, das Verfahren gegen den erkrankten Angeklagten abtrennen zu wollen. Folge davon wäre gewesen, dass er aus dem Prozess "ausgeschieden" wäre und gesondert hätte verhandelt werden müssen. Den Prozessbeteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Eine Vielzahl von Verteidigern, darunter auch mein Kollege und ich, widersprachen dieser Absicht. Zum Einen ist die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten zeitlich sehr überschaubar und zum Anderen wäre die Abtrennung alles andere als prozessökonomisch. Demgegenüber erklärte einer der anwesenden Staatsanwälte, es sollte abgetrennt werden, damit der Prozess beginnen könne.
Die Kammer kündigte an, nach einer kurzen, die Rede war von 5 Minuten, Unterbrechung entscheiden zu wollen.
Sie nahm sich länger Zeit und entschied dann, dass das Verfahren gegen den Angeklagten nicht abgetrennt werde.
Fortsetzungstermin wurde bestimmt auf kommenden Dienstag ab 9.30 Uhr.
Hinsichtlich der weiteren, seitens der Verteidigung angekündigten Anträge beispielsweise auf Aussetzung bzw. Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, sicherte die Kammer zu, diese könnten ohne Rechtsverlust auch im nächsten Termin gestellt werden.
Schließlich kündigten einige Verteidiger an, im nächsten Termin von der Möglichkeit einer Eingangsbemerkung (Opening Statement) nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO Gebrauch machen zu wollen.
Der erste Prozesstag endete mit der Feststellung der Anwesenheit von Angeklagten und Verteidigern kurz vor Mittag.
Heute war es soweit. Der Beginn des Verfahrens verzögerte sich durch die Erkrankung eines Angeklagten, der zunächst dem Amtsarzt vorgeführt wurde. Dieser hatte darüber zu entscheiden, ob der Angeklagte trotz seiner Erkrankung imstande ist, der Hauptverhandlung zu folgen. Gegen 10.30 Uhr stand fest: er ist es nicht und wird es in dieser Woche auch nicht mehr sein.
Die Staatsschutzkammer, besetzt mit 3 Berufsrichtern, 2 Schöffen, 2 Ergänzungsrichtern und 2 Ersatzschöffen, kündigte hierauf an, das Verfahren gegen den erkrankten Angeklagten abtrennen zu wollen. Folge davon wäre gewesen, dass er aus dem Prozess "ausgeschieden" wäre und gesondert hätte verhandelt werden müssen. Den Prozessbeteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Eine Vielzahl von Verteidigern, darunter auch mein Kollege und ich, widersprachen dieser Absicht. Zum Einen ist die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten zeitlich sehr überschaubar und zum Anderen wäre die Abtrennung alles andere als prozessökonomisch. Demgegenüber erklärte einer der anwesenden Staatsanwälte, es sollte abgetrennt werden, damit der Prozess beginnen könne.
Die Kammer kündigte an, nach einer kurzen, die Rede war von 5 Minuten, Unterbrechung entscheiden zu wollen.
Sie nahm sich länger Zeit und entschied dann, dass das Verfahren gegen den Angeklagten nicht abgetrennt werde.
Fortsetzungstermin wurde bestimmt auf kommenden Dienstag ab 9.30 Uhr.
Hinsichtlich der weiteren, seitens der Verteidigung angekündigten Anträge beispielsweise auf Aussetzung bzw. Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, sicherte die Kammer zu, diese könnten ohne Rechtsverlust auch im nächsten Termin gestellt werden.
Schließlich kündigten einige Verteidiger an, im nächsten Termin von der Möglichkeit einer Eingangsbemerkung (Opening Statement) nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO Gebrauch machen zu wollen.
Der erste Prozesstag endete mit der Feststellung der Anwesenheit von Angeklagten und Verteidigern kurz vor Mittag.
Freitag, 31. August 2018
beA, die Zweite
Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll kommenden Montag wieder an den Start gehen.
Selbstbewusst teilt die BRAK mit, dass die Schwachstellen behoben seien und die noch vorhandenen Schwachstellen der Kategorie B im laufenden Betrieb beseitigt würden. Am Ende frohlockt BRAK-Präsident Ekkehart Schäfer, man habe nun Planungssicherheit.
Momentan läuft noch nichts. Anmelden kann man sich nicht im beA, wir alle müssen mit Spannung den zweiten Startschuss für das Postfach abwarten, das bislang nur durch Sicherheitslücken und erhebliche Kosten auf sich aufmerksam machen konnte.
Mein Tipp? Das beA kommt am 3.9. und mit ihm kommen neue Sicherheitslücken, die bislang noch keiner der Verantwortlichen entdeckt hat...
Selbstbewusst teilt die BRAK mit, dass die Schwachstellen behoben seien und die noch vorhandenen Schwachstellen der Kategorie B im laufenden Betrieb beseitigt würden. Am Ende frohlockt BRAK-Präsident Ekkehart Schäfer, man habe nun Planungssicherheit.
Momentan läuft noch nichts. Anmelden kann man sich nicht im beA, wir alle müssen mit Spannung den zweiten Startschuss für das Postfach abwarten, das bislang nur durch Sicherheitslücken und erhebliche Kosten auf sich aufmerksam machen konnte.
Mein Tipp? Das beA kommt am 3.9. und mit ihm kommen neue Sicherheitslücken, die bislang noch keiner der Verantwortlichen entdeckt hat...
Freitag, 24. August 2018
Das Abstimmungsgespräch nach § 213 Abs. 2 StPO - eine Bestandsaufnahme
Die Vorschrift über das sog. Abstimmungsgespräch, § 213 Abs. 2 StPO, feiert heute ihren ersten Geburtstag. Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens trat am 24.08.2017 in Kraft.
Kurze Zeit zuvor habe ich an einem Beitrag über diese Vorschrift, der später Eingang fand in die 4. Auflage der AnwaltFormulare Strafrecht von Breyer/Endler, gesessen, vor mir liegend die BT-Drucksache 18/11277, die sich mit der jüngsten Reform des Strafprozessrechts befasste, folglich auch mit § 213 Abs. 2.
Die Vorschrift sieht vor, dass bei erstinstanzlichen Verhandlungen vor den Land- oder Oberlandesgerichten, die voraussichtlich mehr als 10 Tage andauern werden, der Vorsitzende mit den Prozessbeteiligten den äußeren Ablauf der Verhandlung abstimmen soll.
Inzwischen habe ich an einigen solcher Abstimmungsgespräche teilgenommen und schätze den praktischen Wert der Vorschrift im Hinblick auf seine Zielrichtung eher gering ein, doch dazu später mehr.
Auffällig ist zunächst, dass, trotzdem die Vorschrift davon spricht, der Vorsitzende solle die Abstimmung vornehmen, dieser in aller Regel nicht allein das Gespräch führt. Es ist Usus, dass die Kammer in voller Besetzung antritt bzw. (auch das habe ich unlängst erlebt) diejenigen Richter, die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung der Kammer angehören werden. Ebenfalls gebräuchlich ist es, dass ein Kammermitglied Protokoll führt über den Inhalt des Abstimmungsgesprächs und dieses Protokoll den Beteiligten anschließend zukommen lässt. Mein gut gemeinter Rat im Breyer/Endler, der Verteidiger möge den Inhalt des Gesprächs in einem Schreiben an die Kammer bzw. den Senat zusammenfassen um Missverständnissen vorzubeugen, wird vielfach obsolet sein. Allerdings empfiehlt es sich, eventuelle Unrichtigkeiten zu korrigieren oder auch vergessene Punkte zu ergänzen.
Der äußere Ablauf, den die Norm im Blick hat, bezieht sich dem gesetzgeberischen Willen zufolge auf Terminierungsfragen und den Umfang der Beweisaufnahme.
Was die Terminierungsfragen angeht, sollte man als Verteidiger nicht allzu große Hoffnungen in ein Abstimmungsgespräch setzen. Die Terminshoheit bleibt naturgemäß beim Vorsitzenden und nicht selten wurde erst nach bereits erfolgter Terminierung zum Gespräch geladen. Immerhin kann dann zwar noch abgestimmt, hilfsweise in Erfahrung gebracht werden, wie lange ein einzelner Hauptverhandlungstag nach dem Plan der Kammer andauern soll, aber das war es dann auch schon gewesen.
Beim Umfang der Beweisaufnahme kommt es schlicht darauf an, inwiefern sich die Beteiligten in die Karten schauen lassen möchten. Hier kann sehr viel abgesprochen werden oder auch sehr wenig. Ein Verteidiger, der sich im Vorfeld nicht dazu äußern kann oder will, welchen Umfang der Beweisaufnahme sein Mandant anstrebt, tut gut daran, sich zu überlegen, ob es überhaupt Sinn macht, sich zu einem solchen Gespräch zu begeben, zumal dann, wenn er dafür an einen weiter entfernten Gerichtsort reisen muss (nota bene: Eine Gebühr nach RVG löst ein Abstimmungsgespräch nicht aus; die Teilnahme daran kann aber im Rahmen der Bewilligung einer Pauschvergütung Berücksichtigung finden. Erstattet werden Reisekosten und Abwesenheitsgelder, wobei es ratsam ist, im Vorfeld einen darauf gerichteten Feststellungsantrag zu stellen).
Wer also keinen Redebedarf hinsichtlich Einlassungsverhalten und Beweisaufnahmeumfang hat, der greife zum Hörer und versuche, die dann verbleibenden Fragen der Terminierung auf diese Weise zu regeln. Dies dürfte der Vereinfachung eher zuträglich sein als das Binden zeitlicher und personeller Kapazitäten für ein Abstimmungsgespräch, das im Wesentlichen daraus besteht, dass man sich anschweigt.
Nutzbringend für alle Beteiligten kann das Abstimmungsgespräch dann sein, wenn Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung an einer Abkürzung eines Umfangsverfahrens interessiert sind. Für diesen Fall ist es gebräuchlich, dass auch Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO mit einbezogen werden, die dann auch aktenkundig zu machen sind, § 202a S. 2 StPO.
Der Übergang von § 213 Abs. 2 hin zu §§ 202a, 212 StPO ist oftmals fließend und schon deshalb stellt sich in der Praxis tatsächlich die Frage, ob es des § 213 Abs. 2 StPO überhaupt bedurft hätte.
Die Vorschrift ist in ihrer Ausgestaltung zwar eine Soll-Vorschrift, aber sie bindet den Vorsitzenden in keiner Weise und ist vor revisionsrechtlichem Hintergrund unbeachtlich. Gelobt wird vielfach die Transparenz, die die Vorschrift im Blick hat. Und ja, Transparenz ist sicher begrüßenswert, aber auch bereits vor dem 24.08.2017 lag der Wille zur Transparenz allein bei den Beteiligten.
So wirklich feierlich ist mir damit am Geburtstag des § 213 Abs. 2 StPO nicht zumute, aber man soll die Feste bekanntlich feiern wie sie fallen.
Mittwoch, 16. Mai 2018
Der RBr, das unbekannte Wesen
Kürzlich stolperte ich bei den Zeugenliste in einem Umfangsverfahren über die Bezeichnung "RBr". Spontan fiel mir dazu "Red bull racing" ein, aber selbst in einem Betäubungsmittelverfahren, in dem es um Speed geht, wollte diese Erklärung nicht so recht passen.
Der Zeuge setzte der Ratlosigkeit ein Ende. "RBr" stehe für "Regierungsbeschäftigter"..
(Die weibliche Form dürfte demnach "RBe" lauten, die -Achtung, jetzt wird es politisch korrekt! - geschlechtsneutrale Form "RBx").
Was macht nun ein RBr? In diesem Fall half er den Ermittlungsbehörden dabei, Hardware zu entschlüsseln. Der Zeuge, der eine Ausbildung bei einem Telekommunikationsunternehmen genossen hatte, war also maßgeblich damit befasst, Festplatten und USB-Sticks zu "knacken", Dinge, die in der Ausbildung eines Polizei- oder Kriminalbeamten üblicherweise nicht vorkommen. Das fehlende Fachwissen wird also hinzugekauft.
Neu ist die Idee nicht. Um die letzte Jahrtausendwende gab es im Rheinland eine Sonderkommission, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Abrechnungsbetrügereien von Zahnärzten aufzudecken. Da aber das zahnärztliche Abrechnungswesen nicht Bestandteil polizeilicher Aufgaben ist, wurden Zahnarzthelferinnen eingestellt, die dann die Rechnungen auf Unregelmäßigkeiten überprüften. Gestern noch im weißen Kittel Zahnstein entfernt und Abformmaterial angerührt, heute fester Bestandteil bei Praxisdurchsuchungen und sich anschließender Überprüfung der Rechnungen. Wie diese Damen sich damals nannten, erinnere ich nicht, aber "RBr/e" (x gab es damals noch nicht) hießen sie nicht. Die Kriminalbeamten, denen sie zuarbeiteten, nannten sie jedenfalls "Expertinnen". Regelmäßig lustig wurde es, wenn man den Expertinnen in der Hauptverhandlung auf den Zahn fühlte. Kriminalbeamte werden ja in Bezug auf "Meine Aussage bei Gericht" dem Vernehmen nach geschult. Bei den Expertinnen hatte der Dienstherr hieran gespart, weshalb nicht selten vernehmbar mit den Zähnen geknirscht wurde, wenn man als Verteidiger eine Frage stellte, die sich außerhalb der GOZ bewegte.
Irgendwie würde es mich interessieren, ob die Expertinnen, nachdem die Sonderkommission ihre Arbeit eingestellt hatte, danach problemlos in ihr altes Betätigungsfeld zurückkehren konnten oder ob die potentiellen Arbeitgeber lieber davon abgesehen haben, eine Helferin einzustellen, deren letzte Tätigkeit darin bestanden hatte, sie zur Strecke zu bringen.
Der Zeuge setzte der Ratlosigkeit ein Ende. "RBr" stehe für "Regierungsbeschäftigter"..
(Die weibliche Form dürfte demnach "RBe" lauten, die -Achtung, jetzt wird es politisch korrekt! - geschlechtsneutrale Form "RBx").
Was macht nun ein RBr? In diesem Fall half er den Ermittlungsbehörden dabei, Hardware zu entschlüsseln. Der Zeuge, der eine Ausbildung bei einem Telekommunikationsunternehmen genossen hatte, war also maßgeblich damit befasst, Festplatten und USB-Sticks zu "knacken", Dinge, die in der Ausbildung eines Polizei- oder Kriminalbeamten üblicherweise nicht vorkommen. Das fehlende Fachwissen wird also hinzugekauft.
Neu ist die Idee nicht. Um die letzte Jahrtausendwende gab es im Rheinland eine Sonderkommission, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Abrechnungsbetrügereien von Zahnärzten aufzudecken. Da aber das zahnärztliche Abrechnungswesen nicht Bestandteil polizeilicher Aufgaben ist, wurden Zahnarzthelferinnen eingestellt, die dann die Rechnungen auf Unregelmäßigkeiten überprüften. Gestern noch im weißen Kittel Zahnstein entfernt und Abformmaterial angerührt, heute fester Bestandteil bei Praxisdurchsuchungen und sich anschließender Überprüfung der Rechnungen. Wie diese Damen sich damals nannten, erinnere ich nicht, aber "RBr/e" (x gab es damals noch nicht) hießen sie nicht. Die Kriminalbeamten, denen sie zuarbeiteten, nannten sie jedenfalls "Expertinnen". Regelmäßig lustig wurde es, wenn man den Expertinnen in der Hauptverhandlung auf den Zahn fühlte. Kriminalbeamte werden ja in Bezug auf "Meine Aussage bei Gericht" dem Vernehmen nach geschult. Bei den Expertinnen hatte der Dienstherr hieran gespart, weshalb nicht selten vernehmbar mit den Zähnen geknirscht wurde, wenn man als Verteidiger eine Frage stellte, die sich außerhalb der GOZ bewegte.
Irgendwie würde es mich interessieren, ob die Expertinnen, nachdem die Sonderkommission ihre Arbeit eingestellt hatte, danach problemlos in ihr altes Betätigungsfeld zurückkehren konnten oder ob die potentiellen Arbeitgeber lieber davon abgesehen haben, eine Helferin einzustellen, deren letzte Tätigkeit darin bestanden hatte, sie zur Strecke zu bringen.
Mittwoch, 18. April 2018
Gleiches Recht für alle - Pflichtverteidigung im Jugendstrafverfahren
In einem Verfahren gegen drei Jugendliche wegen gefährlicher Körperverletzung hatte ich für meinen Mandanten erfolglos beantragt, das Gericht möge mich ihm als Pflichtverteidigerin beiordnen. Hintergrund war, dass der angeblich Geschädigte ebenfalls anwaltlich vertreten war und daneben eine namhafte Summe im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend gemacht hatte. Eine Situation also, in der sich selbst ein erwachsener Angeklagter in aller Regel nicht selbst angemessen verteidigen kann. Das sah auch das Landgericht so und gab meiner Beschwerde statt.
In der Hauptverhandlung vor einem Jugendschöffengericht erschienen dann der Adhäsionskläger mit anwaltlichem Beistand, ein weiterer Angeklagter nebst Anwalt sowie mein Mandant und ich. Der Dritte im Bunde war ohne Entschuldigung nicht erschienen.
Der Richter machte von seinen Möglichkeiten Gebrauch, indem er eine Polizeistreife zum Wohnsitz des Angeklagten losschickte, die keine halbe Stunde später mit dem Angeklagten im Schlepptau erschien. Da saß er nun, machte nicht den ausgeschlafensten Eindruck und wirkte insgesamt überfordert mit der Situation. Spätestens jetzt hätte das Gericht die Notbremse ziehen und dem nicht verteidigten Dritten einen Rechtsanwalt beiordnen müssen. Stattdessen schickte sich der Vorsitzende an, in die Hauptverhandlung einzusteigen, wobei es spätestens seit meiner erfolgreichen Beschwerde auf der Hand lag, dass die Beiordnung geboten ist.
Ich regte daraufhin an, dem unverteidigten Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Es entspricht der ganz herrschenden Rechtsprechung, dass ein Fall des notwendigen Verteidigung auch in Verfahren vor dem Amtsgericht dann vorliegt, wenn sich die Sach- und Rechtslage als besonders schwierig erweist. In Verfahren mit mehreren Beteiligten, einer Vielzahl von Zeugen und einem anwaltlich vertretenen Neben- und/oder Adhäsionskläger wird sich ein Angeklagter ohne Rechtsanwalt naturgemäß schlechter verteidigen können als seine anwaltlich vertretenen Mitangeklagten und der angeblich Geschädigte, der seine Rechte ebenfalls anwaltlich wahrnehmen lässt. Der Staatsanwalt schloss sich meiner Anregung an.
Das Gericht pausierte und entschied richtig. Es setzte dem Angeklagten eine Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers und schloss die Hauptverhandlung.
In der Hauptverhandlung vor einem Jugendschöffengericht erschienen dann der Adhäsionskläger mit anwaltlichem Beistand, ein weiterer Angeklagter nebst Anwalt sowie mein Mandant und ich. Der Dritte im Bunde war ohne Entschuldigung nicht erschienen.
Der Richter machte von seinen Möglichkeiten Gebrauch, indem er eine Polizeistreife zum Wohnsitz des Angeklagten losschickte, die keine halbe Stunde später mit dem Angeklagten im Schlepptau erschien. Da saß er nun, machte nicht den ausgeschlafensten Eindruck und wirkte insgesamt überfordert mit der Situation. Spätestens jetzt hätte das Gericht die Notbremse ziehen und dem nicht verteidigten Dritten einen Rechtsanwalt beiordnen müssen. Stattdessen schickte sich der Vorsitzende an, in die Hauptverhandlung einzusteigen, wobei es spätestens seit meiner erfolgreichen Beschwerde auf der Hand lag, dass die Beiordnung geboten ist.
Ich regte daraufhin an, dem unverteidigten Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Es entspricht der ganz herrschenden Rechtsprechung, dass ein Fall des notwendigen Verteidigung auch in Verfahren vor dem Amtsgericht dann vorliegt, wenn sich die Sach- und Rechtslage als besonders schwierig erweist. In Verfahren mit mehreren Beteiligten, einer Vielzahl von Zeugen und einem anwaltlich vertretenen Neben- und/oder Adhäsionskläger wird sich ein Angeklagter ohne Rechtsanwalt naturgemäß schlechter verteidigen können als seine anwaltlich vertretenen Mitangeklagten und der angeblich Geschädigte, der seine Rechte ebenfalls anwaltlich wahrnehmen lässt. Der Staatsanwalt schloss sich meiner Anregung an.
Das Gericht pausierte und entschied richtig. Es setzte dem Angeklagten eine Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers und schloss die Hauptverhandlung.
Dienstag, 10. April 2018
Wer ist der beste Fensterbohrer?
Einen beachtlichen Erkenntnisgewinn lieferte unlängst eine Hauptverhandlung in der Pfalz. Einmal abgesehen davon, dass ich mir trotz jahrzehntelanger Freundschaft mit einer pfälzischen Kollegin noch immer mit pfälzischen und kurpfälzischen Dialekten schwertue, mag ich Hauptverhandlungen in der Pfalz. In aller Regel sind sie geprägt von einer freundlichen, fast gemütlichen Atmosphäre, was manch einen Zeugen dazu veranlasst, frisch von der Leber (dortens sagt man "vo´ de Lebber") weg zu berichten.
Dies tat auch der Ermittlungsführer des Einbruchsdezernats. Meinem Mandanten war Wohnungseinbruchsdiebstahl vorgeworfen worden. Die Anklage wollte dies anhand des modus operandi nachweisen. Verwertbare Spuren am Tatort gab es nicht, ein Geständnis ebenso wenig. Die vom Angeklagten gewählte Methode sei so selten und der Mandant schon einmal mit deren Berherrschung in Erscheinung getreten, dass dies zur Beweisführung ausreiche. Eine durchaus selbstbewusste Argumentation, zumal der modus operandi des Fensterbohrens weder neu noch selten ist. Wer ihnselbst einmal ausprobieren möchte noch nicht kennt: Hierbei wird der Fensterrahmen angebohrt und dann durch das Bohrloch eine Art Haken eingeführt, mit dem dann der Fensterhebel in die "Öffnenposition" gebracht wird. Wer diese Einbruchsmethode erfunden hat, weiß ich nicht, aber der Polizeibeamte wusste zu berichten, dass albanische Staatsangehörige ihn mit Abstand am Besten beherrschen. Auf Pfälzisch klang das ungefähr so: "Wissense, die Albaner, die ham des druff. De Rumäne ned so gud, der brauch schon ma paar Anläuf´ bis es sitzt."
Mein Mandant war übrigens Rumäne. Die Sache wurde eingestellt, weil auch das Gericht die Verurteilung aufgrund eines modus operandi für zu dünnes Eis erachtete. Selbst wenn es über dieses Eis hätte gehen wollen, hätte - der Aussage des Polizeibeamten folgend - die Nationalität meines Mandanten der kriminalistischen Erfahrung widersprochen, denn: ein Loch, ein Treffer. Keine Anläufe. Von albanischen Wurzeln ist nichts bekannt.
Dies tat auch der Ermittlungsführer des Einbruchsdezernats. Meinem Mandanten war Wohnungseinbruchsdiebstahl vorgeworfen worden. Die Anklage wollte dies anhand des modus operandi nachweisen. Verwertbare Spuren am Tatort gab es nicht, ein Geständnis ebenso wenig. Die vom Angeklagten gewählte Methode sei so selten und der Mandant schon einmal mit deren Berherrschung in Erscheinung getreten, dass dies zur Beweisführung ausreiche. Eine durchaus selbstbewusste Argumentation, zumal der modus operandi des Fensterbohrens weder neu noch selten ist. Wer ihn
Mein Mandant war übrigens Rumäne. Die Sache wurde eingestellt, weil auch das Gericht die Verurteilung aufgrund eines modus operandi für zu dünnes Eis erachtete. Selbst wenn es über dieses Eis hätte gehen wollen, hätte - der Aussage des Polizeibeamten folgend - die Nationalität meines Mandanten der kriminalistischen Erfahrung widersprochen, denn: ein Loch, ein Treffer. Keine Anläufe. Von albanischen Wurzeln ist nichts bekannt.
Montag, 26. März 2018
Einmal Revision und zurück
Manche Verfahren begleiten einen Verteidiger etwas länger als der Durchschnitt der Strafverfahren.
Ein Mandant war 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Angesichts der Tatsache, dass nicht etwa mit kiloweise schweren Drogen gehandelt worden war, sondern mit sog. Legal Highs, ein echtes "Brett" wie es umgangssprachlich gerne genannt wird.
Der Bundesgerichtsghof war der Meinung, die Verurteilung ginge im Hinblick auf den Schuldspruch schon in Ordnung, hob das Urteil allerdings im Straffolgenausspruch auf, mit anderen Worten: das Brett war zu dick.
Der Mandant, der aufgrund von Verfahrensverzögerungen noch vor dem Urteil im 1. Durchgang nach insgesamt 13 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, hatte sich seither nichts mehr zu Schulden kommen lassen, sondern im Gegenteil eine höchst beachtliche berufliche Entwicklung durchlaufen. Ihn mehr als 7 Jahre nach den ihm angelasteten Taten wieder in staatliche Verwahrung zu schicken, wäre schwerlich mit guten Argumenten zu rechtfertigen. Die Staatsanwaltschaft sah das anders. Einen Abschlag von 6 Monaten hatte sie als das gewünschte Ergebnis beantragt.
In mehreren Verhandlungstagen war die Frage, ob die Umstände es rechtfertigten, einen sog. minder schweren Fall anzunehmen, denn nur bei Annahme eines solchen wäre es überhaupt möglich gewesen, einen Strafrahmen mit einer gesetzlich vorgegebenen Mindeststrafe von 5 Jahren zu unterschreiten.
Das Landgericht Koblenz schloss sich den Argumenten der Verteidigung an und ging von einem minder schweren Fall aus, was in eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren mündete. Weiter wurden 5 Monate dieser Strafe für verbüßt erklärt im Hinblick auf die nicht vom Mandanten verschuldete Verfahrensverzögerung. Zuzüglich der 13 Monate verbüßter Untersuchungshaft gelten jetzt 18 Monate als verbüßt und damit die Hälfte der insgesamt ausgeurteilten 3 Jahre.
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte mit guten Erfolgsaussichten ein Halbstrafenantrag gestellt werden mit der Folge, dass mein Mandant keine gesiebte Luft mehr atmen müsste. Die Staatsanwaltschaft wollte in der Hauptverhandlung noch keine Erklärung dazu abgeben, ob sie einen 3. Durchgang anstrebt oder nicht. Die Erfolgsaussichten von Strafmaßrevisionen sind indes sehr überschaubar und so stehen die Chancen gut, dass es bei den 3 Jahren bleibt.
Ein Mandant war 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Angesichts der Tatsache, dass nicht etwa mit kiloweise schweren Drogen gehandelt worden war, sondern mit sog. Legal Highs, ein echtes "Brett" wie es umgangssprachlich gerne genannt wird.
Der Bundesgerichtsghof war der Meinung, die Verurteilung ginge im Hinblick auf den Schuldspruch schon in Ordnung, hob das Urteil allerdings im Straffolgenausspruch auf, mit anderen Worten: das Brett war zu dick.
Der Mandant, der aufgrund von Verfahrensverzögerungen noch vor dem Urteil im 1. Durchgang nach insgesamt 13 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, hatte sich seither nichts mehr zu Schulden kommen lassen, sondern im Gegenteil eine höchst beachtliche berufliche Entwicklung durchlaufen. Ihn mehr als 7 Jahre nach den ihm angelasteten Taten wieder in staatliche Verwahrung zu schicken, wäre schwerlich mit guten Argumenten zu rechtfertigen. Die Staatsanwaltschaft sah das anders. Einen Abschlag von 6 Monaten hatte sie als das gewünschte Ergebnis beantragt.
In mehreren Verhandlungstagen war die Frage, ob die Umstände es rechtfertigten, einen sog. minder schweren Fall anzunehmen, denn nur bei Annahme eines solchen wäre es überhaupt möglich gewesen, einen Strafrahmen mit einer gesetzlich vorgegebenen Mindeststrafe von 5 Jahren zu unterschreiten.
Das Landgericht Koblenz schloss sich den Argumenten der Verteidigung an und ging von einem minder schweren Fall aus, was in eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren mündete. Weiter wurden 5 Monate dieser Strafe für verbüßt erklärt im Hinblick auf die nicht vom Mandanten verschuldete Verfahrensverzögerung. Zuzüglich der 13 Monate verbüßter Untersuchungshaft gelten jetzt 18 Monate als verbüßt und damit die Hälfte der insgesamt ausgeurteilten 3 Jahre.
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte mit guten Erfolgsaussichten ein Halbstrafenantrag gestellt werden mit der Folge, dass mein Mandant keine gesiebte Luft mehr atmen müsste. Die Staatsanwaltschaft wollte in der Hauptverhandlung noch keine Erklärung dazu abgeben, ob sie einen 3. Durchgang anstrebt oder nicht. Die Erfolgsaussichten von Strafmaßrevisionen sind indes sehr überschaubar und so stehen die Chancen gut, dass es bei den 3 Jahren bleibt.
Abonnieren
Posts (Atom)