Mittwoch, 18. April 2018

Gleiches Recht für alle - Pflichtverteidigung im Jugendstrafverfahren

In einem Verfahren gegen drei Jugendliche wegen gefährlicher Körperverletzung hatte ich für meinen Mandanten erfolglos beantragt, das Gericht möge mich ihm als Pflichtverteidigerin beiordnen. Hintergrund war, dass der angeblich Geschädigte ebenfalls anwaltlich vertreten war und daneben eine namhafte Summe im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend gemacht hatte. Eine Situation also, in der sich selbst ein erwachsener Angeklagter in aller Regel nicht selbst angemessen verteidigen kann. Das sah auch das Landgericht so und gab meiner Beschwerde statt.

In der Hauptverhandlung vor einem Jugendschöffengericht erschienen dann der Adhäsionskläger mit anwaltlichem Beistand, ein weiterer Angeklagter nebst Anwalt sowie mein Mandant und ich. Der Dritte im Bunde war ohne Entschuldigung nicht erschienen.

Der Richter machte von seinen Möglichkeiten Gebrauch, indem er eine Polizeistreife zum Wohnsitz des Angeklagten losschickte, die keine halbe Stunde später mit dem Angeklagten im Schlepptau erschien. Da saß er nun, machte nicht den ausgeschlafensten Eindruck und wirkte insgesamt überfordert mit der Situation. Spätestens jetzt hätte das Gericht die Notbremse ziehen und dem nicht verteidigten Dritten einen Rechtsanwalt beiordnen müssen. Stattdessen schickte sich der Vorsitzende an, in die Hauptverhandlung einzusteigen, wobei es spätestens seit meiner erfolgreichen Beschwerde auf der Hand lag, dass die Beiordnung geboten ist.

Ich regte daraufhin an, dem unverteidigten Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Es entspricht der ganz herrschenden Rechtsprechung, dass ein Fall des notwendigen Verteidigung auch in Verfahren vor dem Amtsgericht dann vorliegt, wenn sich die Sach- und Rechtslage als besonders schwierig erweist. In Verfahren mit mehreren Beteiligten, einer Vielzahl von Zeugen und einem anwaltlich vertretenen Neben- und/oder Adhäsionskläger wird sich ein Angeklagter ohne Rechtsanwalt naturgemäß schlechter verteidigen können als seine anwaltlich vertretenen Mitangeklagten und der angeblich Geschädigte, der seine Rechte ebenfalls anwaltlich wahrnehmen lässt. Der Staatsanwalt schloss sich meiner Anregung an.

Das Gericht pausierte und entschied richtig. Es setzte dem Angeklagten eine Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers und schloss die Hauptverhandlung.

Dienstag, 10. April 2018

Wer ist der beste Fensterbohrer?

Einen beachtlichen Erkenntnisgewinn lieferte unlängst eine Hauptverhandlung in der Pfalz. Einmal abgesehen davon, dass ich mir trotz jahrzehntelanger Freundschaft mit einer pfälzischen Kollegin noch immer mit pfälzischen und kurpfälzischen Dialekten schwertue, mag ich Hauptverhandlungen in der Pfalz. In aller Regel sind sie geprägt von einer freundlichen, fast gemütlichen Atmosphäre, was manch einen Zeugen dazu veranlasst, frisch von der Leber (dortens sagt man "vo´ de Lebber") weg zu berichten.

Dies tat auch der Ermittlungsführer des Einbruchsdezernats. Meinem Mandanten war Wohnungseinbruchsdiebstahl vorgeworfen worden. Die Anklage wollte dies anhand des modus operandi nachweisen. Verwertbare Spuren am Tatort gab es nicht, ein Geständnis ebenso wenig. Die vom Angeklagten gewählte Methode sei so selten und der Mandant schon einmal mit deren Berherrschung in Erscheinung getreten, dass dies zur Beweisführung ausreiche. Eine durchaus selbstbewusste Argumentation, zumal der modus operandi des Fensterbohrens weder neu noch selten ist. Wer ihn selbst einmal ausprobieren möchte  noch nicht kennt: Hierbei wird der Fensterrahmen angebohrt und dann durch das Bohrloch eine Art Haken eingeführt, mit dem dann der Fensterhebel in die "Öffnenposition" gebracht wird. Wer diese Einbruchsmethode erfunden hat, weiß ich nicht, aber der Polizeibeamte wusste zu berichten, dass albanische Staatsangehörige ihn mit Abstand am Besten beherrschen. Auf Pfälzisch klang das ungefähr so: "Wissense, die Albaner, die ham des druff. De Rumäne ned so gud, der brauch schon ma paar Anläuf´ bis es sitzt."

Mein Mandant war übrigens Rumäne. Die Sache wurde eingestellt, weil auch das Gericht die Verurteilung aufgrund eines modus operandi für zu dünnes Eis erachtete. Selbst wenn es über dieses Eis hätte gehen wollen, hätte - der Aussage des Polizeibeamten folgend - die Nationalität meines Mandanten der kriminalistischen Erfahrung widersprochen, denn: ein Loch, ein Treffer. Keine Anläufe. Von albanischen Wurzeln ist nichts bekannt.