Freitag, 31. Januar 2014

Aktionsbüro Mittelrhein: von Stinkbomben und Stunkmachern

Gestern stank es wieder sprichwörtlich bis zum Himmel im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Koblenz. Eine Stinkbombe, die offenbar im Eingangsbereich des Saales abgeworfen worden war, sorgte dafür, dass der Prozess bereits am Mittag beendet war. Wie bereits im vergangenen Jahr rückte die Feuerwehr an und die Prozessbeteiligten aus.

Die Koblenzer Rhein-Zeitung beleuchtet in ihrer heutigen Ausgabe die Kosten, die dieser Prozess verursacht. Der Vollständigkeit hätte man erwähnen können, dass auch andere Großverfahren wie beispielsweise die Al Qaida Prozesse, die vor dem Koblenzer Oberlandesgericht verhandelt wurden, sicher keine "Schnäppchen" für den Steuerzahler waren, aber sei´s drum.

Die Angeklagten, wie der Artikel zutreffend meinen Kollegen Udo Vetter zitiert, sind quasi heute schon insolvent.
Was die Aussicht auf Arbeit angeht, ist diese in etwa vergleichbar mit der einer zugewanderten Nichtfachkraft. Einem potentiellen Arbeitgeber damit aufzuwarten, dass man maximal an 3 Tagen pro Woche arbeiten kommen könnte, da man von Dienstag bis Donnerstag bei Gericht sitzt, braucht Mut - und Humor auf Arbeitgeberseite. Nicht erstaunlich also, dass die Angeklagten hauptberuflich Angeklagte sind und es fürs Erste auch bleiben werden.

Was die Darstellung der heimischen Presse zu den Verhandlungszeiten und Pausen angeht, erreicht der Artikel bedauerlicherweise einen tendenziösen Tiefpunkt. Kommentiert werden zwei 15-minütige Pausen, die während der Dauer der Inhaftierung der letzten 7 Angeklagten am Vor- und Nachmittag eingelegt worden waren, damit, dass diese notwendig seien, damit der "Ex-Chef des Aktionsbüro Mittelrhein" sich "sammeln und eine Kleinigkeit essen" könne. Beim Lesen dieser Passage sieht man den geneigten Leser vor seinem geistigen Auge, wie er den Kopf schüttelt. Snackpausen für den Boss zwecks Joghurtlöffeln und innerer Einkehr, derweil die Kosten weiterlaufen?! Ein Unding, denkt der geneigte Leser. Wirklich ein Unding? Nein, denn was er nicht weiß, ist, dass die Verteidiger der bis vor Kurzem Inhaftierten monatelang einen zähen und ergebnislosen Kampf mit Gericht und JVA ob der Frage führten, wie es zu bewerkstelligen sei, dass ihren Mandanten ein warmes Mittagessen serviert werden könne. Der Angeklagte, den die Rhein-Zeitung salopp als den "Ex-Chef" be - und weichzeichnet, hatte infolge dieser Übung gesundheitliche Probleme bekommen, so dass die eingelegten Pausen ärztlich empfohlen worden waren. Für das Gericht stellte es eine Selbstverständlichkeit dar, dieser Empfehlung nachzukommen und das ist auch richtig so gewesen. Plumpe Stimmungsmache ist hier fehl am Platz.

Ich löffle nun übrigens einen Joghurt und sammle mich ein wenig, bevor ich in 15 Minuten weiterarbeite.



Dienstag, 7. Januar 2014

Aktionsbüro Mittelrhein: Freiheit für die letzten 7

Das neue Jahr beginnt für die 7 noch Inhaftierten Angeklagten aus dem ABM-Prozess mit einer guten Nachricht: nach 22 Monaten wurde die Untersuchungshaft beendet. Die 7 werden heute auf freien Fuß gesetzt und werden zur Hauptverhandlung, die am 28.01.2014 fortgesetzt wird, erstmals selbst anreisen.

22 Monate Untersuchungshaft sind selbst gemessen am Umfang dieses Verfahrens eine lange Zeit, in der nicht nur für die Inhaftierten viel passiert ist. Die Schattenwirkungen der Untersuchungshaft sind vielgestaltig. Sie reichen vom Verlust der Arbeit oder Ausbildung bis hin zu familiären und sozialen Belastungen, die man als "freier Mann" nur erahnen kann.

Mitbestrafte jeder Untersuchungshaft sind die Familien der Betroffenen, vor allem die Kinder, die eine Zeitlang ohne ein Elternteil auskommen müssen.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit der Ehefrau eines Mandanten, der "nur" 2 Monate in Untersuchungshaft saß. Das 2-jährige Kind, so die Ehefrau ganz zu Beginn der Untersuchungshaft, bekomme noch nicht wirklich mit, dass der Vater nicht mehr da sei. Als ich ein paar Wochen später mit ihr sprach, hatte sie ihren kleinen Sohn dabei, dessen Verhalten sie Lügen strafte: das Kind spielte mit einer Puppe, die es "Papa" nannte. Am Ende der Besprechung fragte mich der Kleine traurig: "Kommt der richtige Papa heute heim?" Ich musste ihn vertrösten, wenn auch nicht für lange, aber seither weiß ich, dass ein Kind nicht zu klein ist, einen Verlust zu realisieren.