Dienstag, 27. Mai 2014

Der Verteidiger macht´s nicht mit Links

Gestern verschlug es mich in einer unspektakulären Ordnungswidrigkeitssache ans Amtsgericht N.. Termin stand für 14.30 Uhr an. Um 14.15 Uhr war ich vor Ort und tat das, was ich immer tue, wenn ich den Richter nicht kenne: ich setze mich in den Zuschauerraum und sehe mir an, wie der Spruchkörper so agiert.

Der gestrige Spruchkörper war weiblich und jung und wirkte ein wenig angenervt vom Verteidiger, der - es ging um eine Geschwindigkeitsübertretung - sie zu überzeugen versuchte, dass die Messung nicht fehlerfrei gewesen sein könne, weil der Messbeamte beim Aufbau Fehler gemacht habe. Die Richterin hielt die Ohren steif, derweil sich die des Betroffenen langsam rot verfärbten. Der Verteidiger sagte, er stelle seine Behauptungen unter Beweis durch ein Sachverständigengutachten, woraufhin die Richterin meinte: "Dann gebe ich Ihnen jetzt Gelegenheit, Ihren Antrag schriftlich zu formulieren."
Das macht man normalerweise als Verteidiger auch so, obwohl man seine Anträge auch zu Protokoll diktieren kann. Problem hier war allerdings, dass der Verteidiger seinen rechten Arm bis zum Ellbogen in einer Gipsschiene stecken hatte und er Rechtshänder war. Als der Verteidiger daraufhin meinte, er könne mit der linken Hand nicht schreiben, entgegnete die Richterin, es müsse ja nicht schön aussehen. Nun ja, schön sind die Handschriften der meisten Rechtsanwälte schon nicht, wenn diese mit der rechten Hand schreiben.
Vor meinem geistigen Auge sah ich die Zeit (inzwischen war es 14.30 Uhr vorbei) verrinnen bis es dem Kollegen gelingen würde, mit Links einen halbwegs lesbaren Antrag zurecht zu schustern, mal ganz davon abgesehen, dass ich es nicht wirklich nett fand, ihn hierauf zu verweisen und so bot ich ihm an, ich könne den Antrag ja rasch für ihn schreiben. Der Kollege war erfreut und dann passierte etwas, was eigentlich immer passiert, wenn zwei Anwälte zusammenglucken und einen Antrag formulieren: eine gute Idee jagt die nächste, so wie vier Augen eben mehr sehen als zwei.

Nach 10 Minuten waren wir fertig. Leider dauerte es danach weitere 35 Minuten bis die Richterin über den Antrag befunden hatte. Sie hat ihm stattgegeben und nun geht es für den Betroffenen in die nächste Runde mit einem Sachverständigengutachten. Für meine Mandantin, die ich danach verteidigt habe, blieb es bei einem Termin. Das Verfahren gegen sie wurde eingestellt. 

Mittwoch, 21. Mai 2014

Blitzpulk - Gerichtssprache ist deutsch

Die Gerichtssprache ist deutsch. So steht das im Gesetz.
Tatsächlich ist das oft nicht so. Die deutsche Sprache wird mehr und mehr von Anglizismen durchsetzt.

Im Verfahren Aktionsbüro Mittelrhein bekundete ein Zeuge von "Flashmobs". Nachdem ein Verteidiger, dem der Begriff nicht geläufig war, darum bat, der Zeuge möge angehalten werden, deutsch zu sprechen, stellte sich rasch heraus, dass es gar nicht so einfach ist, den Begriff "Flashmob" einzudeutschen.

Einen Versuch war es dennoch wert und so schlug ein weiterer Kollege "Blitzpulk" vor. Ich habe Zweifel, ob der Begriff demnächst zum allgemeinen Sprachgebrauch zählen wird, aber einen Versuch ist es wert.

Probieren Sie mal aus: Blitzpulk bleibt Blitzpulk und Pultdach bleibt Pultdach. Und das Ganze nun fünfmal schnell hintereinander.

Dienstag, 20. Mai 2014

Junger Jäger, alter Jäger - TKÜ Lebensweisheiten

Das Anhören von aufgezeichneten Telefonaten im Rahmen von umfangreichen Strafprozessen gehört zu den eher langweiligen Beweiserhebungen. Man erfährt in der Regel sehr viel über eher unwichtige Dinge, die zum Teil keine Relevanz für das Verfahren haben.

Manchmal kann man aus TKÜ-Maßnahmen Lebensweisheiten abzwacken, die man so noch nicht gehört hatte.

Aktuelles Beispiel:
"Der junge Jäger zieht mit einer riesigen Keule bewaffnet in den Wald und kommt mit einem Hasen zurück. Der alte Jäger bindet eine Ziege an einen Baum, klettert auf einen anderen Baum und schießt von dort aus den Bären, der die Ziege fressen will."

Danach hat man wieder Kraft für gefühlte weitere 1000 Telefonate.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Zeugentypen. Heute: Frau Lehrerin

Mein Verhältnis zu Lehrern während meiner Schulzeit war häufig von Spannungen geprägt. Kaum war die Grundschule vorbei und mit ihr die Zeit der lieben Klassenlehrerin, begann er, der nahezu tägliche Kleinkrieg mit dem Lehrkörper. Wo heute Mediationsgespräche geführt werden, gab es damals Klassenbucheinträge und Ausschluss vom Unterricht. Man musste vor der Klassentür stehen, wenn man nicht brav war und die Türklinke gedrückt halten, damit die Lehrkraft sehen konnte, dass man auch wirklich vor der Tür stand und sich nicht etwa in den Tischtennisraum oder zum Rauchen aufs Klo verabschiedet hatte. Das war sicher wenig pädagogisch wertvoll, aber man nahm es sportlich, hängte seinen Turnbeutel an die Türklinke, fixierte die Tür gegen Aufgehen mit einem Stuhl und ging seiner Wege. Rasch hatte man raus, dass man nach so einer Stunde vor der Klassentüre in der nächsten Stunde über den Inhalt der vorangegangenen Stunde mündlich geprüft wurde, weshalb man zum Ärger des Lehrkörpers ganz besonders gut anhand der Mitschriften Derjenigen vorbereitet war, mit denen man sich des Öfteren die Klinke in die Hand gab.

Der Zeugentyp der Frau Lehrerin ist konservativ gekleidet und neigt zu hektischen roten Flecken. Zunächst bekundet Frau Lehrerin ganz im Sinne der StPO, nämlich im Zusammenhang. Die Schilderung ist lebendig und man kann die Abläufe vor seinem inneren Auge nachvollziehen. Die Richterbank nickt wohlwollend. Es ist ein bisschen so wie in der Schule, wenn´s gut läuft beim  Frontalunterricht. Frau Lehrerin ist zufrieden mit sich.

Genauso wie in der Schule ist die gute Stimmung vorbei wenn Nachfragen gestellt werden, die als unangenehm empfunden und teils mit Kopfschütteln und Augenrollen bedacht werden. Hier offenbart sich dann, dass der selbstbewusste Vortrag weniger auf tatsächlich Erlebtem als vielmehr auf Schlussfolgerungen fußt. Das, was nicht selbst erlebt wurde, wird ersetzt durch Dasjenige, was entweder logisch oder wünschenswert erscheint. Die Aussage verliert an Bedeutung. Die Empörung ist spürbar. Frau Lehrerin fühlt sich gegängelt und man sieht ihr an, dass sie lieber ohne Verteidiger verhandeln würde. Ich sehe mich schon vor der Tür stehen und überlegen, womit ich wohl den Turnbeutel ersetzen könnte.