Beitrag aus der Reihe: Wir überprüfen Sprichwörter
Quod licet Iovi, non licet bovi
In Strafverfahren vor großen Kammern mit Schöffen kommt es immer mal zu Terminskollisionen, weil -sofern die Kammer ein wenig knapp terminiert hat- immer mal wieder einer der Beteiligten aus unterschiedlichen Gründen nicht erscheinen kann.
Ich erinnere mich noch gut an ein Verfahren vor dem Landgericht B. - große Strafkammer, Nebenklage, mehrere Gutachter, kurz: eine Situation wie die vorbeschriebene war vorprogrammiert.
Da einer der Schöffen eine Kur antreten wollte, die ihn für annähernd 3 Wochen ins Ausland verschlug, musste kurz vor Kurantritt noch rasch verhandelt werden um die 3-Wochen-Frist zu wahren. Das Gericht rief in meinem Büro an, erreichte meine Reno und fragte bei dieser nach, ob ein bestimmter Termin noch frei sei. Die Reno bejahte, nicht wissend, dass an diesem Tag ein runder Geburtstag meines Vaters anstand. Als die Ladung kam, versuchte ich, den Termin verlegen zu lassen oder zumindest, einen Sprungtermin daraus machen zu lassen, damit ich einen Kollegen mit meiner Vertretung hätte beauftragen können. Dies wurde abgelehnt. Begründung: der Gutachter kann nur an diesem Tag und der Termin ist schließlich mit meinem Büro abgeklärt. Zumindest Letzteres stimmte offenkundig und ich bekenne mich schuldig, dass ich bis dahin meinen Angestellten erlaubt hatte, Termine mit den Vorsitzenden abzusprechen. Kommt seither nicht mehr vor, obwohl der nächste runde Geburtstag naher Angehöriger noch ein paar Jährchen aussteht. Formaljuristisch betrachtet hatte der Vorsitzende ebenfalls Recht und ich konnte nichts dagegen tun, außer mich zu ärgern.
Als es kurze Zeit später in demselben Verfahren darum ging, dass mal wieder Fortsetzungstermine bestimmt werden mussten, äusserte ich in der Sitzung, an dem vorgeschlagenen Tag wegen eines nachmittäglichen Gerichtstermins nur bis zum Mittag Zeit zu haben, was dem Vorsitzenden nicht recht zu gefallen schien. Noch bevor der dazu kam, etwas dazu zu sagen, flüsterte ihm sein frisch aus der Kur zurückgekehrter Schöffe etwas ins Ohr, das dann dazu führte, dass der Termin nur bis 10.30 Uhr angesetzt wurde. Der Schöffe war Bürgermeister einer Gemeinde, die am fraglichen Tag eine Kirmes hatte, bei deren Eröffnung um 11 Uhr es dem Herrn Bürgermeister oblag, den Bierbrunnen zu eröffnen. Fürwahr ein triftiger Grund, hierauf bei der Terminierung Rücksicht zu nehmen, das Eröffnen eines Bierbrunnens ist freilich eine unvertretbare Handlung, hinter dem solche Petitessen wie ein Gerichtstermin selbstverständlich zurück zu stehen haben.
Der Frau Staatsanwältin erging es im Übrigen ähnlich wie mir: die hatte eigens ihren Urlaub wegen des Verfahrens verschoben um an den festgelegten Terminen zugegen zu sein. Als dann aber ein weiterer Termin wegen der Eröffnung eines Jahrmarktes in B. verschoben wurde auf einen Termin, an dem die Staatsanwältin dann im Urlaub war und just an diesem Termin ein Gutachter zu Wort kommen sollte, von dessen Gutachten viel abhing, war auch dies kein Grund für das Gericht, seine Terminierung abzuändern oder einen Sprungtermin zu machen. Die Frau Staatsanwältin, die die Nummer mit dem Bierbrunnen noch in lebhafter Erinnerung hatte, wirkte - für mich nachvollziehbar - ein wenig mürrisch.
Ergebnis: Das Sprichwort stimmt.