In Zeiten von Barbara Salesch und Konsorten wundert ein gewisses Gefälle an auffälligem Benehmen seitens des Publikums in strafrechtlichen Hauptverhandlungen nicht. In den guten alten Zeiten, in denen die Stange des Niveaulimbo noch relativ hoch lag, hätte es Situationen wie etwa Diejenige, dass sich Zuschauer aus dem Publikum melden, weil sie meinen, etwas ganz Wesentliches zur Sache beitragen zu können, nicht gegeben. Mobiltelefone (vulgo: Handies, wobei dieses Wort gerne "Handy´s" - also schön mit Deppenapostroph, geschrieben wird) gab es nicht bzw. außer Telefonieren konnten man damit nichts anfangen.
Nachdem heute fast jeder über mindestens ein Mobiltelefon verfügt, findet sich an den meisten Sitzungssälen der Hinweis, dass diese dort nicht erlaubt bzw. auszuschalten sind. Dadurch soll nicht nur verhindert werden, dass mehr oder minder kreative Klingeltöne die Verhandlung stören, sondern auch, dass während der Verhandlung Bild- und/oder Tonaufnahmen angefertigt werden, was verboten ist, vgl. Nr. 129 Abs. 2 RiStBV.
Vor Kurzem erlebte ich wie ein Zuschauer sein Mobiltelefon auffällig hoch in Richtung der Anklagebank hielt und dachte mir "Der wird doch nicht etwa Filmen?!" Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als eine Mitverteidigerin das Gericht darauf aufmerksam machte. Der Vorsitzende unterbrach die Sitzung und begab sich in den Zuschauerraum mit dem Bemerken, der Behauptung gründlich nachzugehen. Es stellte sich heraus, dass der Zuschauer Teile der Einlassungen zweier die Angeklagter, die aus demselben Ort wie er stammten, mitgefilmt hatte. Er sei, so der Kameramann, im Auftrag der Gemeinde Kleinkleckersdorf hier und zudem habe einer der Angeklagten seinem Sohn Unrecht getan. Deshalb filme er. Die Dateien wurden vor Ort durch einen offenbar sachkundigen Gerichtswachtmeister gelöscht, der Zuschauer mit einem Ordnungsgeld bedacht, so dass die betroffenen Angeklagten zumindest nicht gegenwärtigen müssen, demnächst als Hauptdarsteller einer adventlichen Filmvorführung im Gemeindehaus von Kleinkleckersdorf zu fungieren, es sei denn, der Zuschauer, der auch an anderen Hauptverhandlungstagen im Zuschauerraum saß, verfügt noch über weiteres Bild- und Tonmaterial.
Die Verteidiger der Betroffenen nahmen den Zwischenfall übrigens sehr gelassen hin und wollten in die Problematik, ob weiteres Material vorhanden ist, nicht weiter einsteigen. Einer der Kollegen, der mit dem Rücken zum Kameramann saß, stellte indes selbstbewusst fest, auch von hinten gut auszusehen. Wenn sonst nichts stört.
In diesem Blog berichtet Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. über Strafverfahren in und um die Rhein-Mosel-Stadt
Freitag, 18. Dezember 2015
Mittwoch, 16. Dezember 2015
Ein Plädoyer für das materielle Recht am Beispiel des AMG
Es gibt Gesetze, die ändern sich alle Jubeljahre einmal und es gibt Gesetze, die sich in sehr kurzen Zeitabständen ändern. Zu Letzteren gehört das Arzneimittelgesetz, kurz AMG mitsamt der in diesem Zusammenhang unverzichtbaren Dopingmittelmengenverordnung (DmMV).
Die letzte Änderung des AMG datiert vom September diesen Jahres. Sie betrifft eine für den Verteidiger wenig praxisrelevante Norm, § 59d AMG, über die Verabreichung pharmakologisch wirksamer Stoffe an Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen.
Nachdem der Gesetzgeber seinen Fokus immer mehr auf Freizeitsportler ausgeweitet hat, überrascht es nicht, dass einige Vorschriften hierum erweitert wurden. Exemplarisch seien hier die zentralen Vorschriften der §§ 6a und 95 AMG genannt.
Nun gibt es bei den meisten Staatsanwaltschaften keine AMG-Spezialabteilungen. Vielfach werden Verstöße gegen das AMG von den Betäubungsmittelabteilungen bearbeitet. So verwundert es nicht, dass sich der ein oder andere Staatsanwalt, der üblicherweise Btm-Kriminalität verfolgt, mit der AMG Materie ein wenig schwertut. Hierin liegt für die Verteidigung eine große Chance, die meiner Erfahrung nach viel zu selten genutzt wird.
Ich hatte in diesem Jahr im Rahmen eines AMG-Verfahren Einblick in diverse Großverfahren, die allesamt im Süddeutschen verortet waren. Die genannten Großverfahren waren jeweils in der ersten Instanz mit Geständnissen abgeschlossen, die Angeklagten zu teils hohen Haftstrafen verurteilt worden. Beim Studium der Beiakten fiel auf, dass sich die Anklagen an der jeweils aktuellen Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anklageerhebung verhielten. Im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Tatbegehung eine andere, für den Angeklagten günstigere Rechtslage herrschte, wäre zu erwarten gewesen, dass die Verteidiger im Zwischenverfahren der Zulassung der Anklage widersprochen hätten. Dies geschah nicht. War wohl niemandem aufgefallen.
Der Wurm war nun drin und er fraß sich durch die weitere Akte durch. Das Gericht eröffnete, die Hauptverhandlung begann, es wurde verhandelt und schließlich auf Grundlage der Anklage verurteilt.
Nicht nur den Verteidigern war der Fehler entgangen, sondern auch dem Gericht.
Es ist für einen Außenstehenden kaum zu beurteilen, ob sich der in der Anklageschrift befindliche weiterfressende Mangel im Ergebnis auf die Höhe der Verurteilungen ausgewirkt hat, da "gedealt" worden war. Hierauf darf ein Verteidiger allerdings keine Rücksicht nehmen. Es stärkt die Position der Verteidigung in jeder Lage des Verfahrens, wenn er zugunsten seines Mandanten Argumente ins Feld führt, die die Anklage zu schwächen geeignet sind. Ein Fehler wäre es meiner Meinung nach also keinesfalls gewesen, einen entsprechenden Antrag auf Nichtzulassung der Anklage zu stellen, eher war es ein Kunstfehler, dies nicht zu tun.
Woran mag es liegen, dass der genannte Kunstfehler keinem der Verteidiger aufgefallen ist? Ich meine, dass das materielle Recht ab Eintritt in den Anwaltsberuf sträflich vernachlässigt wird zugunsten des Prozessrechts. Die meisten Verteidiger haben sich zuletzt im Studium ernsthaft mit materiellem Recht beschäftigt, sie konnten zur Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung nebst hierzu ergangener Grundsatzentscheidungen nachts um drei nach einem feucht-fröhlichen Abend referieren, sie wussten um die vielfachen Theorien betreffend die Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit und vielleicht kannten sie sich auch in der Materie des AMG aus. So war das auch bei mir. Kaum auf die Justiz losgelassen, war das Prozessrecht mit seinen Ablehnungsgesuchen, Besetzungsrügen und Beweisanträgen viel spannender als der dröge materielle Stoff, den man damals aber aufgrund des kurzen Zeitablaufs noch wesentlich präsenter hatte.
Mir persönlich kam der Umstand, dass ich seit jeher Praktikanten und Referendare ausbilde, sehr zugute. Die lasen die Akte und damit auch die Anklage mit ganz anderen Augen, nämlich materiell-rechtlichen Augen und haben mehr als einmal wertvolle Impulse gegeben, die materielle Rechtslage genauer zu beleuchten.
Die letzte Änderung des AMG datiert vom September diesen Jahres. Sie betrifft eine für den Verteidiger wenig praxisrelevante Norm, § 59d AMG, über die Verabreichung pharmakologisch wirksamer Stoffe an Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen.
Nun gibt es bei den meisten Staatsanwaltschaften keine AMG-Spezialabteilungen. Vielfach werden Verstöße gegen das AMG von den Betäubungsmittelabteilungen bearbeitet. So verwundert es nicht, dass sich der ein oder andere Staatsanwalt, der üblicherweise Btm-Kriminalität verfolgt, mit der AMG Materie ein wenig schwertut. Hierin liegt für die Verteidigung eine große Chance, die meiner Erfahrung nach viel zu selten genutzt wird.
Ich hatte in diesem Jahr im Rahmen eines AMG-Verfahren Einblick in diverse Großverfahren, die allesamt im Süddeutschen verortet waren. Die genannten Großverfahren waren jeweils in der ersten Instanz mit Geständnissen abgeschlossen, die Angeklagten zu teils hohen Haftstrafen verurteilt worden. Beim Studium der Beiakten fiel auf, dass sich die Anklagen an der jeweils aktuellen Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anklageerhebung verhielten. Im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Tatbegehung eine andere, für den Angeklagten günstigere Rechtslage herrschte, wäre zu erwarten gewesen, dass die Verteidiger im Zwischenverfahren der Zulassung der Anklage widersprochen hätten. Dies geschah nicht. War wohl niemandem aufgefallen.
Der Wurm war nun drin und er fraß sich durch die weitere Akte durch. Das Gericht eröffnete, die Hauptverhandlung begann, es wurde verhandelt und schließlich auf Grundlage der Anklage verurteilt.
Nicht nur den Verteidigern war der Fehler entgangen, sondern auch dem Gericht.
Es ist für einen Außenstehenden kaum zu beurteilen, ob sich der in der Anklageschrift befindliche weiterfressende Mangel im Ergebnis auf die Höhe der Verurteilungen ausgewirkt hat, da "gedealt" worden war. Hierauf darf ein Verteidiger allerdings keine Rücksicht nehmen. Es stärkt die Position der Verteidigung in jeder Lage des Verfahrens, wenn er zugunsten seines Mandanten Argumente ins Feld führt, die die Anklage zu schwächen geeignet sind. Ein Fehler wäre es meiner Meinung nach also keinesfalls gewesen, einen entsprechenden Antrag auf Nichtzulassung der Anklage zu stellen, eher war es ein Kunstfehler, dies nicht zu tun.
Woran mag es liegen, dass der genannte Kunstfehler keinem der Verteidiger aufgefallen ist? Ich meine, dass das materielle Recht ab Eintritt in den Anwaltsberuf sträflich vernachlässigt wird zugunsten des Prozessrechts. Die meisten Verteidiger haben sich zuletzt im Studium ernsthaft mit materiellem Recht beschäftigt, sie konnten zur Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung nebst hierzu ergangener Grundsatzentscheidungen nachts um drei nach einem feucht-fröhlichen Abend referieren, sie wussten um die vielfachen Theorien betreffend die Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit und vielleicht kannten sie sich auch in der Materie des AMG aus. So war das auch bei mir. Kaum auf die Justiz losgelassen, war das Prozessrecht mit seinen Ablehnungsgesuchen, Besetzungsrügen und Beweisanträgen viel spannender als der dröge materielle Stoff, den man damals aber aufgrund des kurzen Zeitablaufs noch wesentlich präsenter hatte.
Mir persönlich kam der Umstand, dass ich seit jeher Praktikanten und Referendare ausbilde, sehr zugute. Die lasen die Akte und damit auch die Anklage mit ganz anderen Augen, nämlich materiell-rechtlichen Augen und haben mehr als einmal wertvolle Impulse gegeben, die materielle Rechtslage genauer zu beleuchten.
Montag, 14. Dezember 2015
Dank des Pflichtverteidigers
Der Kollege Schmitz hat in einem vielbeachteten Beitrag zutreffende Ausführungen zur hierzulande gängigen Praxis der Pflichtverteidigung gemacht.
Besonders erwähnenswert scheint mir sein Reformvorschlag, wonach die Vergabe der Pflichtverteidigungen aus den Händen der Richterschaft genommen werden soll.
Kein schlechter Ansatz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es nur allzu menschlich ist, wenn Richter ihnen genehme Verteidiger bestellen. Nur - was dem Richter genehm ist, muss für den Angeklagten noch lange nicht genehm sein. Ein Angeklagter wird in der Regel daran interessiert sein, engagiert verteidigt zu werden und das bedeutet eben auch, dass ein Verteidiger (auch und gerade unangenehme) Anträge stellt. Mit engagierter Verteidigung warten indes die wenigstens langgedienten Pflichtverteidiger auf.
Ich kenne einen inzwischen hochbetagten Kollegen, nennen wir ihn der Einfachheit halber einmal "Müller", der seit Jahrzehnten immer gerne als Pflichtverteidiger beigeordnet wird und den man in Kollegenkreisen unter dem Namen "Geständnismüller" kennt. Seine Plädoyers, die er in pastoralem Tonfall hält, beginnen meist mit den Worten "Mein Mandant hat schwere Schuld auf sich geladen", wobei es vollkommen egal ist, ob es um einen Eierdiebstahl oder um einen Raub geht. Verteidigungsaktivität Fehlanzeige, Urteilsbegleitung steht im Vordergrund.
Dann gibt es noch pflichtverteidigende Kollegen, die in Großverfahren auftreten und bei denen man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, sie tauchten dort nur auf um die Pflichtverteidigergebühren zu kassieren, denn anders lässt es sich kaum erklären, wenn ein Kollege eine halbe Stunde nach Hauptverhandlungsbeginn seine Siebensachen zusammenpackt und aus dem Saal verschwindet.
Selbst wenn ein solches Verfahren sich über mehrere Jahre hinzieht, kommt es vor, dass man erst an dessen Ende weiß, wie die Stimme eines solchen Kollegen klingt, weil er mit Ausnahme des Plädoyers nichts aber auch gar nichts gesagt hat.
Und dann gibt es noch die Pflichtverteidiger, die sich beim Richter bedanken. Vergangene Woche las ich in einer Ermittlungsakte: "Ich bedanke mich für die Beiordnung und reiche in der Anlage die mir freundlicherweise überlassene Akte zurück."
Es gibt aber auch Fälle, in denen der Angeklagte Glück hat, etwa dann, wenn er an einen Vorsitzenden gerät, dem daran gelegen ist, dass Verteidigung stattfindet, die den Namen verdient. Auch das gibt es, genauso wie es engagierte Kollegen gibt, die beigeordnet werden. Für den Betroffenen bleibt es aber um es mit dem Kollegen Schmitz zu sagen, ein Glücksspiel, weshalb er dringend darauf achten sollte, dem Gericht rechtzeitig einen Verteidiger seiner Wahl mitzuteilen, damit dieser ihm beigeordnet wird.
Besonders erwähnenswert scheint mir sein Reformvorschlag, wonach die Vergabe der Pflichtverteidigungen aus den Händen der Richterschaft genommen werden soll.
Kein schlechter Ansatz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es nur allzu menschlich ist, wenn Richter ihnen genehme Verteidiger bestellen. Nur - was dem Richter genehm ist, muss für den Angeklagten noch lange nicht genehm sein. Ein Angeklagter wird in der Regel daran interessiert sein, engagiert verteidigt zu werden und das bedeutet eben auch, dass ein Verteidiger (auch und gerade unangenehme) Anträge stellt. Mit engagierter Verteidigung warten indes die wenigstens langgedienten Pflichtverteidiger auf.
Ich kenne einen inzwischen hochbetagten Kollegen, nennen wir ihn der Einfachheit halber einmal "Müller", der seit Jahrzehnten immer gerne als Pflichtverteidiger beigeordnet wird und den man in Kollegenkreisen unter dem Namen "Geständnismüller" kennt. Seine Plädoyers, die er in pastoralem Tonfall hält, beginnen meist mit den Worten "Mein Mandant hat schwere Schuld auf sich geladen", wobei es vollkommen egal ist, ob es um einen Eierdiebstahl oder um einen Raub geht. Verteidigungsaktivität Fehlanzeige, Urteilsbegleitung steht im Vordergrund.
Dann gibt es noch pflichtverteidigende Kollegen, die in Großverfahren auftreten und bei denen man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, sie tauchten dort nur auf um die Pflichtverteidigergebühren zu kassieren, denn anders lässt es sich kaum erklären, wenn ein Kollege eine halbe Stunde nach Hauptverhandlungsbeginn seine Siebensachen zusammenpackt und aus dem Saal verschwindet.
Selbst wenn ein solches Verfahren sich über mehrere Jahre hinzieht, kommt es vor, dass man erst an dessen Ende weiß, wie die Stimme eines solchen Kollegen klingt, weil er mit Ausnahme des Plädoyers nichts aber auch gar nichts gesagt hat.
Und dann gibt es noch die Pflichtverteidiger, die sich beim Richter bedanken. Vergangene Woche las ich in einer Ermittlungsakte: "Ich bedanke mich für die Beiordnung und reiche in der Anlage die mir freundlicherweise überlassene Akte zurück."
Es gibt aber auch Fälle, in denen der Angeklagte Glück hat, etwa dann, wenn er an einen Vorsitzenden gerät, dem daran gelegen ist, dass Verteidigung stattfindet, die den Namen verdient. Auch das gibt es, genauso wie es engagierte Kollegen gibt, die beigeordnet werden. Für den Betroffenen bleibt es aber um es mit dem Kollegen Schmitz zu sagen, ein Glücksspiel, weshalb er dringend darauf achten sollte, dem Gericht rechtzeitig einen Verteidiger seiner Wahl mitzuteilen, damit dieser ihm beigeordnet wird.
Samstag, 12. Dezember 2015
Wenn Einer einen Job ausschreibt...
... dann kann er viel erleben.
Es ist nun gut drei Wochen her, dass ich bei der Arbeitsagentur eine Anzeige geschaltet habe, weil ich eine bzw. zwei weitere Mitarbeiterinnen für meine Kanzlei suchte. Ich darf rückblickend (die Stellen sind besetzt) sagen, dass mir Einiges geboten wurde.
Es begann mit einem Herren, der seine "Textsicherheit" besonders hervorhob. Leider las sich der Text seiner Bewerbung angesichts der darin enthaltenen vorwiegend grammatikalischen Fehler nicht ganz so sicher, wie man hätte erwarten dürfen.
Interessant war auch die Bewerbung einer Dame, die ihre bei der Polizei bzw. Kripo tätigen Familienmitglieder besonders hervorhob. Ob sie wohl vor dem Absenden ihrer Bewerbung einmal nachgeschaut hat, bei wem sie sich bewirbt und falls ja, weshalb erschien es ihr sinnvoll, Dergleichen zu erwähnen?
Eine weitere Dame belehrte mich gleich eingangs ihrer Bewerbung darüber, dass es für mich viel sinnvoller sei, eine freie Mitarbeiterin zu beschäftigen, nämlich sie. Mir wurden dann die zahlreichen Vorteile der freien Mitarbeiterschaft juristisch-halbgar erläutert, die Nachteile ließ man außen vor. Ganz sicher dachte sie, dass ich als Jurist die Nachteile selbst kenne. Kenne ich tatsächlich und gerade deshalb suchte ich keine freie Mitarbeiterin.
Die Krönung war eine Dame, die mir im Rahmen eines Telefonats berichtete, meine Sekretärin (sie vermochte die Rechtsfrage danach, welche Summe die Anruferin von dem Gehalt auf ihre Rente angerechnet bekommt, sollte sie sich für eine Zusammenarbeit mit mir (hört, hört!) entscheiden, nicht zu beantworten) sei sehr unhöflich gewesen.
Es begann mit einem Herren, der seine "Textsicherheit" besonders hervorhob. Leider las sich der Text seiner Bewerbung angesichts der darin enthaltenen vorwiegend grammatikalischen Fehler nicht ganz so sicher, wie man hätte erwarten dürfen.
Interessant war auch die Bewerbung einer Dame, die ihre bei der Polizei bzw. Kripo tätigen Familienmitglieder besonders hervorhob. Ob sie wohl vor dem Absenden ihrer Bewerbung einmal nachgeschaut hat, bei wem sie sich bewirbt und falls ja, weshalb erschien es ihr sinnvoll, Dergleichen zu erwähnen?
Eine weitere Dame belehrte mich gleich eingangs ihrer Bewerbung darüber, dass es für mich viel sinnvoller sei, eine freie Mitarbeiterin zu beschäftigen, nämlich sie. Mir wurden dann die zahlreichen Vorteile der freien Mitarbeiterschaft juristisch-halbgar erläutert, die Nachteile ließ man außen vor. Ganz sicher dachte sie, dass ich als Jurist die Nachteile selbst kenne. Kenne ich tatsächlich und gerade deshalb suchte ich keine freie Mitarbeiterin.
Die Krönung war eine Dame, die mir im Rahmen eines Telefonats berichtete, meine Sekretärin (sie vermochte die Rechtsfrage danach, welche Summe die Anruferin von dem Gehalt auf ihre Rente angerechnet bekommt, sollte sie sich für eine Zusammenarbeit mit mir (hört, hört!) entscheiden, nicht zu beantworten) sei sehr unhöflich gewesen.
Ich habe ihr geraten, sich nach einer anderen Tätigkeit umzutun, da ich keine Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit sehe. Das Wort "konsterniert" beschreibt ihre Reaktion, die ich rasch dazu ausnutzte, das Telefonat zu beenden, übrigens am Besten.
Donnerstag, 10. Dezember 2015
Aktionsbüro Mittelrhein - da waren es nur noch 19
Vorgestern wurde das Verfahren gegen den von meiner Kollegin Katja Kosian und mir verteidigten Angeklagten nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
In der Begründung heißt es, dass die Vorwürfe aus der Anklage (hier u.a. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung) allenfalls ein geringes Verschulden bergen. Nachdem unser Mandant sich vier Monate in Untersuchungshaft befunden habe und durch den langdauernden Prozess psychisch wie physisch stark angeschlagen sei, bestünde an seiner Verfolgung kein öffentliches Interesse mehr.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt, § 467 Abs. 1 StPO.
Unser Mandant hatte sich im Gegensatz zu denjenigen Angeklagten, die bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt aus dem Verfahren nach Einlassungen und darauf basierenden Verurteilungen ausgeschieden waren, durch Schweigen verteidigt.
Das Verfahren gegen die verbleibenden 19 Angeklagten wird fortgesetzt.
In der Begründung heißt es, dass die Vorwürfe aus der Anklage (hier u.a. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung) allenfalls ein geringes Verschulden bergen. Nachdem unser Mandant sich vier Monate in Untersuchungshaft befunden habe und durch den langdauernden Prozess psychisch wie physisch stark angeschlagen sei, bestünde an seiner Verfolgung kein öffentliches Interesse mehr.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt, § 467 Abs. 1 StPO.
Unser Mandant hatte sich im Gegensatz zu denjenigen Angeklagten, die bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt aus dem Verfahren nach Einlassungen und darauf basierenden Verurteilungen ausgeschieden waren, durch Schweigen verteidigt.
Das Verfahren gegen die verbleibenden 19 Angeklagten wird fortgesetzt.
Bloß keinen Ärger machen
Die Rechtsordnung sieht vor, dass Täter, die eine Straftat gemeinsam begangen haben, auch gemeinsam verhandelt werden. Von diesem Grundsatz darf ein Gericht nur unter engen Voraussetzungen abweichen, mit anderen Worten: es muss schon gute Gründe geben, weshalb man Mittäter getrennt verhandelt.
Ein nicht so guter Grund ist es beispielsweise, wenn ein Gericht einen Mittäter deshalb abtrennt, weil sein Verteidiger mitteilt, an zwei vom Gericht vorgeschlagenen Terminen in näherer Zukunft verhindert zu sein und danach keinerlei Anstrengungen mehr unternimmt, Ausweichtermine zu finden, an dem alle Angeklagten und ihre Verteidiger zur Verfügung stehen.
Aber selbst bei gutem Grund ist den Mitverteidigern vor der Abtrennung rechtliches Gehör zu gewähren, § 33 StPO, d.h., sie dürfen Einwendungen gegen die beabsichtige Abtrennung anbringen.
Vor nicht allzu langer Zeit verabsäumte es eine große Strafkammer in einer Sache mit acht Angeklagten, die Bandendelikte zum Gegenstand hatte, rechtliches Gehör zu gewähren und übersandte schlicht den Abtrennungsbeschluss.
Die rechtlich einzig richtige Reaktion hierauf ist ein Antrag nach § 33a StPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund Nichtgewährung rechtlichen Gehörs. Sinnvollerweise nimmt man in dem Antrag nach § 33a StPO auch gleich Stellung dazu, welche Bedenken man gegen die Abtrennung vorgebracht hätte, wäre man denn angehört worden.
Neben mir stellten von den weitern sieben Mitverteidigern exakt zwei Anträge nach § 33a StPO, der Rest tat nichts. Ich glaube kaum, dass dieser Umstand der Unkenntnis der Kollegen geschuldet war (fast alle führen die Berufsbezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht"). Es ging - zumindest dem einen Kollegen, den ich auf die Sache angesprochen habe - darum, "dem Gericht keinen Ärger zu machen". Ich habe dem Grunde nach nichts gegen Kollegen, die ein höheres Harmoniebedürfnis haben als ich, aber wenn ein Gericht vor Erlass eines Abtrennungsbeschlusses die Verfahrensbeteiligten nicht anhört, obwohl das Gesetz es so vorsieht, dann wäre es doch wenn überhaupt an der Verteidigung, sich hierüber zu ärgern und nicht am Gericht, sich darüber zu ärgern, dass ein Verteidiger zugunsten seines Mandanten tätig wird und einen entsprechenden Antrag stellt.
Das Gericht hat auf die gestellten Anträge nach § 33a StPO übrigens richtig reagiert. Der Abtrennungsbeschluss wurde rückgängig gemacht.
Ein nicht so guter Grund ist es beispielsweise, wenn ein Gericht einen Mittäter deshalb abtrennt, weil sein Verteidiger mitteilt, an zwei vom Gericht vorgeschlagenen Terminen in näherer Zukunft verhindert zu sein und danach keinerlei Anstrengungen mehr unternimmt, Ausweichtermine zu finden, an dem alle Angeklagten und ihre Verteidiger zur Verfügung stehen.
Aber selbst bei gutem Grund ist den Mitverteidigern vor der Abtrennung rechtliches Gehör zu gewähren, § 33 StPO, d.h., sie dürfen Einwendungen gegen die beabsichtige Abtrennung anbringen.
Vor nicht allzu langer Zeit verabsäumte es eine große Strafkammer in einer Sache mit acht Angeklagten, die Bandendelikte zum Gegenstand hatte, rechtliches Gehör zu gewähren und übersandte schlicht den Abtrennungsbeschluss.
Die rechtlich einzig richtige Reaktion hierauf ist ein Antrag nach § 33a StPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund Nichtgewährung rechtlichen Gehörs. Sinnvollerweise nimmt man in dem Antrag nach § 33a StPO auch gleich Stellung dazu, welche Bedenken man gegen die Abtrennung vorgebracht hätte, wäre man denn angehört worden.
Neben mir stellten von den weitern sieben Mitverteidigern exakt zwei Anträge nach § 33a StPO, der Rest tat nichts. Ich glaube kaum, dass dieser Umstand der Unkenntnis der Kollegen geschuldet war (fast alle führen die Berufsbezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht"). Es ging - zumindest dem einen Kollegen, den ich auf die Sache angesprochen habe - darum, "dem Gericht keinen Ärger zu machen". Ich habe dem Grunde nach nichts gegen Kollegen, die ein höheres Harmoniebedürfnis haben als ich, aber wenn ein Gericht vor Erlass eines Abtrennungsbeschlusses die Verfahrensbeteiligten nicht anhört, obwohl das Gesetz es so vorsieht, dann wäre es doch wenn überhaupt an der Verteidigung, sich hierüber zu ärgern und nicht am Gericht, sich darüber zu ärgern, dass ein Verteidiger zugunsten seines Mandanten tätig wird und einen entsprechenden Antrag stellt.
Das Gericht hat auf die gestellten Anträge nach § 33a StPO übrigens richtig reagiert. Der Abtrennungsbeschluss wurde rückgängig gemacht.
Dienstag, 8. Dezember 2015
Robin Hood und die vier Männer am See
Gestern ging ein Prozess vor dem Landgericht Bad Kreuznach zu Ende, an dessen Beginn die Zulassung einer Anklage gegen fünf junge Männer wegen bandenmäßigen erpresserischen Menschenraubes, räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung stand.
Zwei der Angeklagten hatten auf Anraten ihrer Herren Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren "ausgepackt", wovon sie sich ganz erhebliche Vorteile erhofft hatten, die sich bei einer Betrachtung ex post in Grenzen hielten. Das Verhalten der Kollegen war trotz ihrer Verteidigungsstrategie ungewöhnlich. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Herren bei jedem meiner Anträge sowie der Anträge meiner Kolleginnen Christine Henn und Katja Kosian vernehmbar stöhnten oder die Augen gen Himmel richteten, offenbar verkennend, dass die Beweisanträge auch vorteilhaft für ihre Mandanten waren. Da hätte man sich von den Kollegen diejenige Professionalität gewünscht, mit der die Strafkammer mit den Anträgen umging.
Doch nun zum Fall, der recht kurios war:
Fünf junge Männer spielten "Robin Hood" und schrieben sich die Bekämpfung der Pädophilie auf die Fahne. Sie gaben Anzeigen in Erotikportalen auf im Stil von "Junge Sie sucht reifen Ihn für erotisches Abenteuer gegen Taschengeld". In sich anschließenden Chats gaben sie sich als 13-jähriges Mädchen aus. Wer nun glaubt, dies hätte die Herrschaften, die auf die Anzeige reagierten, abgeschreckt, irrt. Die Jungs erhielten nach ihren übereinstimmenden Aussagen zahllose Zuschriften, teils mit Bildern der Geschlechtsteile der Herren offenbar zur Dokumentation, dass die "Ausstattung" ein 13-jähriges Mädchen nicht überfordern dürfte, teils mit nicht zitierfähigen Textnachrichten, die keinen Zweifel daran ließen, dass juveniles Alter sie keinesfalls störe.
Die Männer, alle aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, wurden zu einem See bestellt, an dem sie nicht von der 13-jährigen erwartet wurden, sondern von den Angeklagten, die sie mit ihren Neigungen konfrontierten. Teils setzte es Ohrfeigen, teils nahm man ihnen Handy und Bargeld weg und in einem Fall (der verhinderte Freier zählt um die 60 Lenze) fuhr man mit diesem zur Bank, damit er dort Geld abheben konnte. Die Beute von 4 Taten belief sich auf unter 1000 Euro, so dass man den Einlassungen der Angeklagten, es sei ihnen nicht ums Geld gegangen, durchaus Glauben schenken durfte.
Nun rechtfertigt die Tatsache, dass man gegen Pädophile vorgehen möchte, freilich nicht die begangenen Straftaten, denen ein eigener Unrechtsgehalt innewohnt. Gleichwohl muss man bei der Sanktionierung der Täter auch die Schutzbedürftigkeit der Opfer im Blick haben und diese Opfer waren, so auch die Strafkammer in der Urteilsbegründung, so wenig schützenswert wie selten ein Opfer.
Die Männer wurden übrigens allesamt eidlich vernommen. Was sie dabei zum Besten gaben, möchte ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten.
Nummer 1 schilderte, er habe den Chat mit dem Mädchen für einen Fake gehalten und in Wirklichkeit dahinter einen oder zwei starke Männer vermutet, die ihn hätten vermöbeln wollen. Aus diesem Grund sei er zu dem vereinbarten Treffpunkt am See gefahren, weil er sich hiervon habe überzeugen wollen. Die pure Neugier habe ihn getrieben.
Nummer 2, der verheiratete Sechziger, der angegeben hatte, seine Frau habe ihm nach seiner Beichte die Hölle heiß gemacht, hielt das Ganze für einen Jux und den Chat mit dem Mädchen empfand er als spaßig. Nie und nimmer hätte er sexuelle Handlungen an oder mit einer 13-jährigen vorgenommen, von der er bei seiner polizeilichen Vernehmung behauptet hatte, sie habe sich als 17-jährige ausgegeben. Ach nein, hatte er gar nicht. Er war sich nämlich nicht einmal zu schade, in der Hauptverhandlung zu behaupten, die Polizeibeamten hätten seine Aussage falsch aufgenommen. Warum er deren angebliches Schreibversehen nicht beim mehrfachen Vor- und Durchlesen korrigiert hatte, vermochte er indes nicht zu erklären.
Nummer 3, ein recht kreativer Fünfziger, behauptete, ein Rollenspiel hinter der Anzeige vermutet zu haben, weshalb er zum See gefahren sei. Zu schade, dass er nicht wusste, was ein Rollenspiel ist, aber er stehe da ohnehin nicht drauf. Mit anderen Worten: er ist zum See gefahren zwecks Teilnahme an einem Rollenspiel, von dem er nichts hält und von dem er nicht einmal erklären kann, was es ist.
Nummer 4 wurde bislang nicht identifiziert. Von ihm existiert ein Video, in dem er darauf hinweist, dass er ein Cochleaimplantat (eine Hörhilfe) trägt. Großartig nach ihm gesucht haben die Ermittlungsbehörden allerdings nicht, so dass uns eine vierte Lügengeschichte erspart blieb. Der Vorsitzende erklärte in der Urteilsbegründung, die Kammer sei selten so belogen worden.
Was die Ermittlungsbehörden aus den eidlichen Aussagen der Herrschaften an Konsequenzen ziehen wird, bleibt abzuwarten. Zu hoffen bleibt, dass sie einen Meineid besser zu subsumieren wissen als einen § 182 Abs. 4 StGB. Gegen die Männer waren Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die aber ohne jegliche Ermittlungen sang- und klanglos eingestellt wurden mir der Begründung, am Tatort habe sich kein taugliches Tatobjekt befunden. Man nennt dies auf "Juradeutsch" einen untauglichen Versuch und man weiß, dass auch der untaugliche Versuch strafbar ist. Normalerweise jedenfalls weiß man das.
Und ja, man hätte sich gewünscht, dass den Herren ein wenig auf den Zahn gefühlt worden wäre. Was hätte man sich verdient machen können, indem man ihre Computer nach Kinderpornos durchsucht hätte. Wie naheliegend wäre es gewesen, ihre Handies zu beschlagnahmen um die Chats wieder sichtbar zu machen. Wie angebracht wäre es gewesen, sie zur Beschuldigtenvernehmung vorzuladen anstatt die Verfahren kurzerhand einzustellen.
Wirft der medienhörige Stammtischbruder der Justiz nur allzu gerne vor, auf bestimmten - gerne politischen - Augen blind zu sein, sollte er sein Augenmerk einmal auf Fälle wie diesen richten und danach seine Vorurteile korrigieren.
Die Heranwachsenden unter den Angeklagten wurden zu Jugendstrafen mit Bewährung verurteilt, mein Mandant als einziger Erwachsener zu 3 Jahren und 3 Monaten, wobei die Strafkammer den Haftbefehl außer Vollzug setzte, so dass er den Gerichtssaal als freier Mann verlassen konnte. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Zwei der Angeklagten hatten auf Anraten ihrer Herren Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren "ausgepackt", wovon sie sich ganz erhebliche Vorteile erhofft hatten, die sich bei einer Betrachtung ex post in Grenzen hielten. Das Verhalten der Kollegen war trotz ihrer Verteidigungsstrategie ungewöhnlich. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Herren bei jedem meiner Anträge sowie der Anträge meiner Kolleginnen Christine Henn und Katja Kosian vernehmbar stöhnten oder die Augen gen Himmel richteten, offenbar verkennend, dass die Beweisanträge auch vorteilhaft für ihre Mandanten waren. Da hätte man sich von den Kollegen diejenige Professionalität gewünscht, mit der die Strafkammer mit den Anträgen umging.
Doch nun zum Fall, der recht kurios war:
Fünf junge Männer spielten "Robin Hood" und schrieben sich die Bekämpfung der Pädophilie auf die Fahne. Sie gaben Anzeigen in Erotikportalen auf im Stil von "Junge Sie sucht reifen Ihn für erotisches Abenteuer gegen Taschengeld". In sich anschließenden Chats gaben sie sich als 13-jähriges Mädchen aus. Wer nun glaubt, dies hätte die Herrschaften, die auf die Anzeige reagierten, abgeschreckt, irrt. Die Jungs erhielten nach ihren übereinstimmenden Aussagen zahllose Zuschriften, teils mit Bildern der Geschlechtsteile der Herren offenbar zur Dokumentation, dass die "Ausstattung" ein 13-jähriges Mädchen nicht überfordern dürfte, teils mit nicht zitierfähigen Textnachrichten, die keinen Zweifel daran ließen, dass juveniles Alter sie keinesfalls störe.
Die Männer, alle aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, wurden zu einem See bestellt, an dem sie nicht von der 13-jährigen erwartet wurden, sondern von den Angeklagten, die sie mit ihren Neigungen konfrontierten. Teils setzte es Ohrfeigen, teils nahm man ihnen Handy und Bargeld weg und in einem Fall (der verhinderte Freier zählt um die 60 Lenze) fuhr man mit diesem zur Bank, damit er dort Geld abheben konnte. Die Beute von 4 Taten belief sich auf unter 1000 Euro, so dass man den Einlassungen der Angeklagten, es sei ihnen nicht ums Geld gegangen, durchaus Glauben schenken durfte.
Nun rechtfertigt die Tatsache, dass man gegen Pädophile vorgehen möchte, freilich nicht die begangenen Straftaten, denen ein eigener Unrechtsgehalt innewohnt. Gleichwohl muss man bei der Sanktionierung der Täter auch die Schutzbedürftigkeit der Opfer im Blick haben und diese Opfer waren, so auch die Strafkammer in der Urteilsbegründung, so wenig schützenswert wie selten ein Opfer.
Die Männer wurden übrigens allesamt eidlich vernommen. Was sie dabei zum Besten gaben, möchte ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten.
Nummer 1 schilderte, er habe den Chat mit dem Mädchen für einen Fake gehalten und in Wirklichkeit dahinter einen oder zwei starke Männer vermutet, die ihn hätten vermöbeln wollen. Aus diesem Grund sei er zu dem vereinbarten Treffpunkt am See gefahren, weil er sich hiervon habe überzeugen wollen. Die pure Neugier habe ihn getrieben.
Nummer 2, der verheiratete Sechziger, der angegeben hatte, seine Frau habe ihm nach seiner Beichte die Hölle heiß gemacht, hielt das Ganze für einen Jux und den Chat mit dem Mädchen empfand er als spaßig. Nie und nimmer hätte er sexuelle Handlungen an oder mit einer 13-jährigen vorgenommen, von der er bei seiner polizeilichen Vernehmung behauptet hatte, sie habe sich als 17-jährige ausgegeben. Ach nein, hatte er gar nicht. Er war sich nämlich nicht einmal zu schade, in der Hauptverhandlung zu behaupten, die Polizeibeamten hätten seine Aussage falsch aufgenommen. Warum er deren angebliches Schreibversehen nicht beim mehrfachen Vor- und Durchlesen korrigiert hatte, vermochte er indes nicht zu erklären.
Nummer 3, ein recht kreativer Fünfziger, behauptete, ein Rollenspiel hinter der Anzeige vermutet zu haben, weshalb er zum See gefahren sei. Zu schade, dass er nicht wusste, was ein Rollenspiel ist, aber er stehe da ohnehin nicht drauf. Mit anderen Worten: er ist zum See gefahren zwecks Teilnahme an einem Rollenspiel, von dem er nichts hält und von dem er nicht einmal erklären kann, was es ist.
Nummer 4 wurde bislang nicht identifiziert. Von ihm existiert ein Video, in dem er darauf hinweist, dass er ein Cochleaimplantat (eine Hörhilfe) trägt. Großartig nach ihm gesucht haben die Ermittlungsbehörden allerdings nicht, so dass uns eine vierte Lügengeschichte erspart blieb. Der Vorsitzende erklärte in der Urteilsbegründung, die Kammer sei selten so belogen worden.
Was die Ermittlungsbehörden aus den eidlichen Aussagen der Herrschaften an Konsequenzen ziehen wird, bleibt abzuwarten. Zu hoffen bleibt, dass sie einen Meineid besser zu subsumieren wissen als einen § 182 Abs. 4 StGB. Gegen die Männer waren Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die aber ohne jegliche Ermittlungen sang- und klanglos eingestellt wurden mir der Begründung, am Tatort habe sich kein taugliches Tatobjekt befunden. Man nennt dies auf "Juradeutsch" einen untauglichen Versuch und man weiß, dass auch der untaugliche Versuch strafbar ist. Normalerweise jedenfalls weiß man das.
Und ja, man hätte sich gewünscht, dass den Herren ein wenig auf den Zahn gefühlt worden wäre. Was hätte man sich verdient machen können, indem man ihre Computer nach Kinderpornos durchsucht hätte. Wie naheliegend wäre es gewesen, ihre Handies zu beschlagnahmen um die Chats wieder sichtbar zu machen. Wie angebracht wäre es gewesen, sie zur Beschuldigtenvernehmung vorzuladen anstatt die Verfahren kurzerhand einzustellen.
Wirft der medienhörige Stammtischbruder der Justiz nur allzu gerne vor, auf bestimmten - gerne politischen - Augen blind zu sein, sollte er sein Augenmerk einmal auf Fälle wie diesen richten und danach seine Vorurteile korrigieren.
Die Heranwachsenden unter den Angeklagten wurden zu Jugendstrafen mit Bewährung verurteilt, mein Mandant als einziger Erwachsener zu 3 Jahren und 3 Monaten, wobei die Strafkammer den Haftbefehl außer Vollzug setzte, so dass er den Gerichtssaal als freier Mann verlassen konnte. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
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