Mittwoch, 31. Dezember 2008

Sockelverteidigung

Manchmal beneidet man sich nicht, wenn man einen von zwei Angeklagten verteidigt und der Verteidiger des anderen Angeklagten den Alleingang probt.
Unlängst flatterte mir eine Akte zur ergänzenden Einsichtnahme auf den Tisch. Gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung. Beide Angeklagten sind Heranwachsende, das vermeintliche Opfer und sämtliche Zeugen schildern die angebliche Tat derart unterschiedlich, dass man glauben möchte, es ginge um mindestens fünf unterschiedliche Sachverhalte.
Unter Würdigung der bisherigen Beweislage habe ich der Bewährungshilfe, die anfragte, ob man zum Täter-Opfer-Ausgleich bereit sei, mitgeteilt, dass hierzu keine Bereitschaft bestünde.
Der Akte entnehme ich nun, dass der Kollege für seinen Mandanten Bereitschaft bekundet hatte. Erfreulicherweise ist die Sache aber insgesamt daran gescheitert, dass das angebliche Opfer nicht bereit war, einen Termin zum gemeinsamen TOA-Gespräch wahrzunehmen.
Ich habe den Kollegen angerufen um zu fragen, was das soll. Er habe das Verfahren ohne Hauptverhandlung erledigen wollen. Einmal unabhängig davon, dass die meisten Gerichte nicht geneigt sind, Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzungen nach Eröffnung des Hauptverfahrens ohne Hauptverhandlung einzustellen, fürchte ich, dass der Alleingang des Kollegen auf dem Rücken meines Mandanten hätte ausgetragen werden sollen. Erfreulicherweise hat das ausgerechnet das mutmaßliche Opfer verhindert. Weniger erfreulich ist, dass wir demnächst gemeinsam verteidigen müssen. Zu hoffen bleibt, dass der Kollege sich bis dahin überlegt hat, dass eine Sockelverteidigung nicht nur für meinen Mandanten sinnvoll ist.

Dienstag, 30. Dezember 2008

Haftkoller

Ein Mandant, der wegen einiger nicht unerheblicher Delikte angeklagt ist und seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft sitzt, ließ mir bei einem meiner letzten JVA-Besuche für dieses Jahr von einem Mithäftling ausrichten, ich möge ihn ganz kurz besuchen, es habe mir was extrem Wichtiges zu sagen.
Was so extrem wichtig war, lässt sich wohl am Besten mit dem Terminus "Haftkoller" umschreiben. Mein Mandant berichtete mir Folgendes:
Ein "Kollege", der auf der gleichen Abteilung einsitze, habe gesagt, er könne gar nicht verstehen, warum er eigentlich noch einsitze und warum es mir nicht gelinge, ihn aus dieser misslichen Situation zu befreien. Der Anwalt, der ihn vertrete, Rechtsanwalt H. meine das auch und für ihn wäre es ein Leichtes, meinem Mandanten die Freiheit wieder zu schenken. Daraufhin habe er dem Anwalt H. eine Vollmacht unterschrieben. Er soll aber selber dafür sorgen, dass das Gericht meine Bestellung zur Pflichtverteidigerin aufhebt. Das wolle er aber nicht, denn eigentlich fühle er sich ja doch prima verteidigt und wisse, dass es dem Anwalt H. nur darum ginge, an das Mandat zu kommen. Und außerdem habe ihm ein anderer "Kollege" erzählt, der tauge nichts. Im Übrigen tue ihm alles furchtbar leid und er habe dem Gericht schon mitgeteilt, dass das Mandat zu Anwalt H. nicht mehr besteht.
Liebe Leser, ich hätte ja zu gerne gesehen, wie sich der Kollege H. eine blutige Nase geholt hätte bei der mündlichen Haftprüfung. Natürlich kennt er weder Fall noch Akte und natürlich braucht er Mandate. Ebenso natürlich verspricht er U-Häftlingen das Blaue vom Himmel herunter und trägt somit nicht nur zum Haftkoller, sondern auch zum allgemeinen Ärgernis bei.
Lieber Herr Kollege - man sieht sich. Demnächst. Immer zweimal. Oder beides.

Montag, 29. Dezember 2008

Amtsrichterin hat verlegt

Es geht doch. Kaum, dass ich der Richterin nochmals lang und breit geschrieben habe, dass es mir leider unmöglich ist, an zwei Verhandlungen gleichzeitig teilzunehmen, wobei die Strafsache schon seit Monaten terminiert ist und gleichzeitig angeregt habe, sie könne sich zur Überprüfung der Richtigkeit meiner Angaben auch gerne mit der Vorsitzenden der Strafkammer in Verbindung setzen, wurde der Termin einen Tag bevor er stattfinden sollte, dann doch aufgehoben. Ich nehme mal an, es war ihr dann doch ein wenig zu arg, eine Berufskollegin anzurufen, wobei ich bei diesem Telefonat gerne Mäuschen gewesen wäre.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Die saisonal üblichen Wünsche...

...anstelle von Prozessberichten übersende ich heute allen Lesern meines Blogs.
Frohes Fest!

Dienstag, 23. Dezember 2008

"Die Polizei hat gesagt...

...dass da eh nix zu machen ist. Das Geld könnt ich mir sparen." Das sagten heute mehrere Zeugen in einem Anlagebetrugsverfahren auf die Frage, ob sie ihre jeweilige Forderung mal zivilrechtlich geltend gemacht hätten.
Ich habe nicht gefragt, warum sie sich hierauf verlassen haben, denn die Antwort kann ich mir denken: wenn einem "die Polizei" was sagt, dann stimmt das auch. Es muss einfach stimmen. Ich habe den Zeugen auch nicht gesagt, dass diejenigen, die einen Anwalt gefragt haben und mit der Beitreibung beauftragt haben, seit vielen Monaten Ratenzahlungen erhalten. Es gehört sich schließlich nicht, das Vertrauen der Bevölkerung in die zivilrechtliche Rechtsberatung der Polizei zu zerstören.

Samstag, 20. Dezember 2008

Termin geplatzt - Mandantin zahlt Bußgeld

Manchmal fragt man sich, warum man beauftragt wurde. Meiner Mandantin wurde eine Geschwindigkeitsübertretung vorgeworfen. Es erging ein Bußgeldbescheid. Sie beauftragte mich, ich legte Einspruch ein und wies sie an, von sich aus nichts zu veranlassen, insbesondere, keine Zahlungen vorzunehmen.
Das Verfahren nahm seinen Gang, vorgestern sprach ich mit dem Vorsitzenden einen Termin ab für März kommenden Jahres. Gestern rief er an, um mitzuteilen, dass meine Mandantin das Bußgeld gezahlt habe und wollte wissen, ob der Termin jetzt aufgehoben werden könne.

Freitag, 19. Dezember 2008

Planungshoheiten einer Strafkammer

Es ist schon erstaunlich, wie manche Kammern meinen, Strafprozesse zu leiten. Der Vorsitzende und seine Beisitzer haben einen Plan zum Ablauf und wehe, der Verteidiger greift in diesen ein. So geschehen kürzlich bei einer großen Strafkammer.
Nachdem die letzte Zeugin, die auf der Liste stand, vernommen war, verkündete der Vorsitzende gut gelaunt, er schließe jetzt die Beweisaufnahme. Die Höflichkeit hätte es geboten, zumindest zu fragen, ob hiermit allseitiges Einverständnis besteht. Mein Einwurf hierauf wäre an Höflichkeit durchaus zu überbieten gewesen.
Circa zwei Stunden später verlas ich einige Beweisanträge, denen nun nachgegangen wird. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gericht nur zu gerne schon "den Sack zugemacht" hätte und gar nicht erfreut darüber war, dass in seine Planungshoheit eingegriffen worden war.
Pardon, hohes Gericht, es wird wieder vorkommen.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Ich bin jetzt Moderatorin

Nein, in Wirklichkeit bin ich seit einigen Jahren auch Mediatorin. So steht es auch auf meiner Visitenkarte, die ich dem freundlichen Herrn der Anzeigenannahme einer lokalen Zeitung als Vorlage für eine zu schaltende Werbeanzeige überreichte. Einen Korrekturabzug sollte ich bekommen. Bekam ich nicht. Statt dessen die Anzeige, in der ich mich als "Rechtsanwältin und Moderatorin" anpreise. Ach ja, statt "weblog" schreibt man dort "weblock" und anstelle von farbig veröffentlicht man in schwarz-weiß.
Und noch was - das Ding ist schon gedruckt.
Es gibt Tage, da wünscht man sich, jemand anderes zu sein.

Amtsrichterin will nicht verlegen - Teil 2

Warum sollte es mir anders ergehen als den Kollegen? Mein Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Freilich hatte ich mich lang und breit in der Begründung dazu ausgelassen, dass ich durch ein Strafverfahren verhindert bin. Gleichzeitig mit dem Beschluss fragte die Richterin aber an, ob ich am selben Tag nicht gegen 12.00 Uhr zur Verfügung stehen könnte.
Woher soll ich das wissen? In Strafsachen wird meist ab 9.00 Uhr terminiert und dann ist open end. Sowas sollte auch einer Zivilrichterin bekannt sein. - Das wäre meine Lieblingsantwort gewesen. Ich habe es vornehmer ausgedrückt.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Dolmetscherin kriegt jetzt auch Mecker vom Staatsanwalt

Die Dolmetscherin im Bulgari-Verfahren wird langsam aber sicher zum Dauerbrenner.

Gestern vormittag tuschelte sie mit einer Angeklagten auf Bulgarisch. Es machte nicht den Eindruck, als handelte es sich um Übersetz(t)ertätigkeiten.

Der gegenübersitzende Oberstaatsanwalt sah sich die Sache eine Weile an und fragte dann zielstrebig, was da geredet würde. Kleinlaut musste die Dolmetscherin einräumen, dass sie nicht gedolmetscht, sondern private Dinge mit der Angeklagten besprochen hatte.

Das nahmen sowohl Staatsanwaltschaft wie auch Gericht zum Anlass, sie mit einigen deutlichen Worten darauf hinzuweisen, dass dies nicht ihre Aufgabe sei.

Von der Hybris, mit der sie ansonsten der Kritik der Verteidiger zu begegnen pflegte, war nichts mehr übrig geblieben. Der Kreis der Kritiker hat sich damit geschlossen. Nach Verteidigung und Nebenklage jetzt auch Staatsanwaltschaft und Gericht. Schön, wenn in einem streitigen Verfahren mal so viel Einigkeit herrscht.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Anlagebetrug - da müssen sie meine Frau fragen

Es geht nun schon seit mehr als einem Dutzend Verhandlungstage darum, ob die Angeklagten Anleger um deren Ersparnisse betrogen haben oder nicht. Die Staatsanwaltschaft wollte alle Zeugen hören. Heute ging es los.
Meist waren es Ehepaare, die berichten sollten, wer ihnen wann was als Anlagestartegie empfohlen hatte. Fast schon stereotyp kam von den Herren die Aussage: "Das weiß ich nicht. Da müssen Sie meine Frau fragen." In dem meisten Haushalten scheinen also die Damen die Finanzminister zu sein. Die Herren wiederum scheinen es ihren Frauen nicht übelgenommen zu haben, dass das Geld am Ende nicht mehr da war.
Alle waren übrigens noch miteinander verheiratet. Es gibt sie noch, die liebe Liebe.

Montag, 15. Dezember 2008

Suggestivfragen einer Pflegemutter

Im Rahmen eines Schwurgerichtsverfahrens geht es um den Vorwurf des versuchten Totschlags. Meinem Mandanten wird vorgeworfen, seine 2 Monate alte Tochter körperlich misshandelt zu haben.

Hierzu berichtet die Rheinzeitung heute:

"Siebenjähriger sagt vor Gericht aus
Westerwald/Koblenz Weil der wegen versuchten Totschlags angeklagte Vater nach wie vor schweigt, musste jetzt der siebenjährige Bruder des Opfers vor Gericht aussagen. Der 46-Jährige soll seine kleine Tochter schwer verletzt haben. Im Beisein des Angeklagten wollte der siebenjährige Junge jedoch nicht sprechen.
Er habe zuviel Angst vor ihm, sagte er seiner Betreuerin. Der Koblenzer Schwurgerichtskammer lag viel an der Aussage des Jungen und ließ den 46-Jährigen während der Vernehmung des Kindes aus dem Saal führen. Dann sprach der Siebenjährige über das, was er an jenem Frühlingstag dieses Jahres gesehen hatte.
Angeklagt ist der Vater der kleinen Nina. Er soll das damals wenige Wochen alte Kind kräftig geschüttelt und mit voller Wucht mehrmals auf dem Steinfließenboden der Küche geschleudert haben. Grund: Es schrie. Nina erlitt Schädelbrüche, eine irreparable Hirnverletzung und wird voraussichtlich immer ein Pflegefall bleiben.
Zeuge des Geschehens war der siebenjährige Bruder des Säuglings. Er ist nicht der Sohn des Angeklagten. „Weil sie nicht trinken wollte und so schrie, hat er sie hinten gepackt und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen“, berichtetete der Junge. Das habe der Angeklagte viermal getan. Dann habe Nina keine Luft mehr gekriegt, und er habe sie am Bauch massiert wie es die Ärzte im Fernsehen tun. Die zweijährige Schwester habe das alles auch gesehen, während die Mutter im Nebenzimmer schlief."

Was nicht in der Zeitung steht:
Es war nicht das erste Mal, dass der Junge befragt worden war. Seine Pflegemutter hatte ihn auch schon befragt. Sie hatte ihn mehrfach befragt. Sie hatte ihn suggestiv befragt. Die Sachverständige, die sich zur Frage der Glaubwürdigkeit des Jungen äusserte, gelangte zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Einflussnahme der Pflegemutter auf den Jungen nicht mehr zuverlässig feststellbar sei, ob dessen Aussage einen realen Erlebnishintergrund habe oder nicht.

Freitag, 12. Dezember 2008

Staatsanwalts Wünsche zum Advent

In Koblenz macht man sich bereit für die BUGA 2011. Getreu dem Motto "Unsere Stadt soll grüner werden" ist man eifrig dabei, erstmal Bäume zu fällen um später Blumen pflanzen zu können, die Verkehrsführung wurde umgeleitet mit dem Erfolg , dass man sein Auto nun in den Hauptverkehrszeiten noch etwas länger von innen geniessen kann und dergleichen Unfug mehr.
Vor dem Koblenzer Gerichtsgebäude ist schweres Gerät im Einsatz. Es sieht so aus als sollte ein Parkplatz in ein Blumenbeet umgestaltet werden.
Heute Morgen vibrierte und dröhnte es in Saal 48 gewaltig. Es hörte sich an, als ob gleich eine Planierraupe die Fensterfront durchbrechen wollte. Während die Vorsitzende noch überlegte, den Saal zu wechseln, meinte der Staatsanwalt in Richtung der Verteidigerbank : "Wenn hier gleich alles einbricht, hoffe ich, dass es da drüben bei Ihnen anfängt." Besten Dank für so viel Mitgefühl. ;-)
Eingebrochen ist indes nichts, außer vielleicht die Miene eines Angeklagten, der überrascht schien als der einvernommene Polizeibeamte seine Einlassung, er habe ihn unter Druck gesetzt, nicht bestätigte.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Laptopverbot im Holzklotz-Fall

Für Rechtsanwälte in Strafverfahren gehört ein Laptop inzwischen zur Standardausrüstung, was gut so ist, denn in manchen Umfangsverfahren wäre es gar nicht möglich, sämtliche Aktenbände ohne Sackkarre in den Sitzungssaal zu transportieren.

Im sog. Holzkoltz-Fall hatte ein prozessbeobachtender Journalist beantragt, ihm die Benutzung eines Laptops zu gestatten. Das Landgericht hatte diesen Antrag zurückgewiesen und so zog der Journalist zum Bundesverfassungsgericht. Dieses bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.12.2008:
"Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts lehnte einen Antrag eines Journalisten im sog. Holzklotzfall auf Erlass einereinstweiligen Anordnung ab, ein sitzungspolizeiliches Verbot desVorsitzenden der 5. Strafkammer des Landgerichts Oldenburg aufzuheben,wonach die Benutzung von Laptops und Notebooks im Sitzungssaal nicht zugelassen wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist durch den Ausschluss von Laptops nicht zu befürchten, denn dadurch wird die Berichterstattung nicht nachhaltig erschwert. Weder wird der Zugang der Medienorgane zur Gerichtsverhandlung eingeschränkt, noch hängt die Presseberichterstattung inhaltlich oder sonst entscheidend davon ab, dass Laptops zugelassen werden. Zwar stellt die Untersagung derBenutzung eines Laptops in einer Hauptverhandlung, insbesondere auch unter Berücksichtigung des erheblichen öffentlichen Interesses an diesem Strafverfahren, keine nur marginale Einschränkung der Tätigkeitvon Journalisten dar. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass moderne Laptops teils über Kameras und Mikrofone verfügen, deren - § 169 Satz 2GVG zuwider laufende - Verwendung während der mündlichen Verhandlungsich kaum kontrollieren ließe."

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Nebenklage fordert: Der junge Mann bleibt hier!

Die Übersetz(t)erin im Bulgari Verfahren, in den Kreisen der Verteidigung aufgrund ihrer hybriden Art besser als Frau Dr. Wichtig bekannt, musste heute eine weitere Schlappe hinnehmen.
Sie unternahm einen erneuten Anlauf, mit ihrem Kollegen, der seit Tagen die bulgarische Zeugin dolmetscht, während sie zwischen zwei Angeklagten auf der Anklagebank sitzt, die ihre Dienste nur gelegentlich benötigen, den Platz zu tauschen.
Noch bevor irgendeiner der Verteidiger auch nur einen Mucks von sich geben könnte, bellte die Vertreterin der Nebenklage, deren Mandantin die besagte Bulgarin ist, ins Mikrofon: "Nee, nee, nee, den jungen Mann lassen sie mal schön hier sitzen!"
Die Art und Weise wie sie das sagte, liess keinen Zweifel daran offen, dass für den Fall des Tauschens ein zumindest mittelprächtiges Gewitter über die Beteiligten hereingerauscht wäre.
Amüsiert musste ich zur Kenntnis nehmen, dass man sich trotzdem man konträre Positionen vertritt, zumindest in der Dolmetscherfrage einig war.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Dolmetscher ist unpässlich

Das Verfahren läuft seit einigen Wochen. Es geht um versuchten Totschlag. Mein Mandant ist Ausländer und spricht nicht hinreichend Deutsch, so dass für die Hauptverhandlung ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss.
Selbiger ist jung, er ist nett, er ist freundlich und hat offensichtlich den Schuss nicht gehört.
Heute Morgen (Verhandlung ist heute ab Mittag) erreicht mich eine Email mit dem Inhalt, er könne den heutigen Termin aus "persönlichen Umständen" nicht wahrnehmen.
Worin diese persönlichen Umstände bestehen, hat er nicht näher ausgeführt. Krank scheint er nicht zu sein, denn aus diesem Grund (Erkältung) hatte er mich schonmal hängenlassen als ich ihn für einen JVA-Termin eingeplant hatte.
Vielleicht muss er ja heute Weihnachtsgeschenke einkaufen gehen.
Wer jetzt denkt, er hätte seine persönlichen Verhinderungsumstände auch der Kammer mitgeteilt, irrt. Das habe ich übernommen und warte nun gespannt, ob es gelingt, bis zur Hauptverhandlung einen Ersatzdolmetscher zu erreichen.
Meine persönliche rote Liste betreffend Dolmetscher ist jedenfalls seit heute um einen Namen länger geworden.

Montag, 8. Dezember 2008

Plädoyerdurcheinander

Heute Mittag bei einem Amtsgericht in der hessischen Provinz staunte ich nicht schlecht als nach durchgeführter Beweisaufnahme der Richter zunächst meiner auch als Verteidigerin tätigen Kollegin das Wort erteilte. Die schaute irritiert in Richtung des Staatsanwalts, der sich nicht rührte, dann irritiert in meine Richtung (Achselzucken) und legte dann los.
Dann erhielt ich das Wort und begann mein Plädoyer, das nach 2 Minuten vom Geläut meines Handies unterbrochen (meine Sekretärin rief an um mir das Aktenzeichen der vorherigen Verurteilung meines Mandanten mitzuteilen, damit die Bildung einer Gesamtstrafe möglich war), dann fortgesetzt wurde. Hernach hatten die Angeklagten das letzte Wort.
Dann erst fiel dem Richter auf, dass der Staatsanwalt noch nichts gesagt und beantragt hatte und meinte augenzwinkernd in Richtung der Verteidigerbank, dass auch beim Amtsgericht B. dieselbe StPO gelte wie in Koblenz. Der Staatsanwalt, der sich als Referendar herausstellte, stotterte dann sein Plädoyer (wahrscheinlich war er froh, dass man ihn zunächst vergessen hatte), Verteidigung und Angeklagte bezogen sich auf ihre vorherigen Ausführungen und heraus kam ein Urteil, das man als sehr wohlwollend bezeichnen kann.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Amtsrichterin will nicht verlegen

In einer Zivilsache haben die gegnerischen Kollegen um Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten mit der Begründung, zwei der insgesamt drei Kollegen seien ortsabwesend, der dritte Kollege habe am gleichen Tag bereits anderweitige Termine wahrzunehmen.
Die Richterin weist den Antrag zurück mit der Begründung, erhebliche Gründe für die Verlegung seien nicht glaubhaft gemacht worden. Sie verweist auf § 227 ZPO, der vorsieht, dass derartige Gründe auf Verlangen glaubhaft zu machen sind. Verlangt hatte sie es aber gerade nicht. War sie am Ende davon ausgegangen, die Kollegen würden sich gleichsam im vorauseilenden Gehorsam darüber ausbreiten, wer von ihnen wann, wo und in welcher Sache unterwegs ist?
Freitagmittag rief dann die Geschäftsstelle der Richterin hier an und teilte mit, dass der Termin verlegt sei. An diesem Termin bin ich verhindert und schon ganz gespannt darauf, wie mit meinem Antrag verfahren werden wird.

Samstag, 6. Dezember 2008

Nicht gesund aber bequem

Hauptverhandlung in einem Strafprozess. Es geht u.a. um verfälschte Rezepte über ein Wachstumshormonpräparat.

Mein Mandant gab im Rahmen seiner Einlassung an, das Arzneimittel genommen zu haben, weil er sich davon einen Gewichtsverlust versprochen habe.

Der Staatsanwalt meinte hierauf, dass es zum Abnehmen auch andere Methoden gäbe. Die "FdH- Methode" beispielsweise würde bei ihm stets sehr funktionieren. Auf dergleichen Erfolge konnten weder mein Mandant, noch ich selbst, noch einer der Mitverteidiger verweisen. Bevor die Diskussion darüber, welcher der Prozessbeteiligten mit welcher Methode die besten Abnehmerfolge erzielt hat, richtig in Gang kommen konnte, meinte der Staatsanwalt, die von meinem Mandanten gewählte Methode sei doch nicht gesund. Darauf mein Mandant: "Gesund nicht, aber bequem."

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Bordellinhaberin ruft Polizei zu Hilfe

Man bekommt schon einiges geboten im Bulgari-Verfahren. Ein Polizeibeamter, dem vieles "nischt erinnerlisch" ist, wusste heute davon zu berichten, dass eine Bordellinhaberin sich bei seinem Kommissariat gemeldet habe um mitzuteilen, dass mehrere junge Frauen, die als Prostituierte in ihrem Bordell gearbeitet hatten, abreisen wollten. Man sei deshalb ausgerückt und habe die Frauen zunächst ins Polizeipräsidium verbracht und anschließend in ein Hotel, da man sie am nächsten Tag vernehmen wollte, was auch geschehen sei. Vor Ort hätten sich die Prostituierten dann beklagt, von der Bordellbetreiberin um Dirnenlohn geprellt worden zu sein.
Soso, und um die Polizei hiervon in Kenntnis zu setzen, hatte die Chefin wohl in vorauseilendem Gehorsam eigens dort angerufen? Oder galt etwa der Anruf dem einfachen und kostengünstigen Abtransport von Prostituierten, der für sich genommen nicht in den originären Zuständigkeitsbereich der Kripo fällt?
Rein zufällig handelte es sich bei den Frauen um Zeuginnen, die Belastendes über die Angeklagten auszusagen wussten und bei der Bordellbetreiberin um eine Dame, von dem dem Zeugen auf Befragen dann erinnerlich war, dass sie schon einmal mit der Polizei kooperiert hatte.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Richter droht mit Kahlschlag

Der Prozess läuft seit vielen Monaten. Eine Wirtschaftsstrafsache. Beide Angeklagte haben die Anklage zum Teil eingeräumt. Heute liess sich einer der Angeklagten weiter ein. Der Vorsitzende fragte hinsichtlich der Einlassung des Mitangeklagten meinen Mandanten, ob er ebenfalls noch Erklärungen abgeben wolle. Schaden könne es nicht, denn "das er geschoren wird, ist klar; die Frage ist nur, wie weit er geschoren wird".
Angesichts der mehr als schütteren Haarpracht meines Mandanten liess sich mein Kollege Verteidiger zu der Bemerkung hinreissen, es sei ja nicht mehr viel zum Scheren da. Im Hinblick auf seinen Mandanten, der noch nicht so sehr in die Mauser gekommen war, vermochte ich nur zurückzugeben, dass bei diesem ja mehr verblieben sei.
Alle Beteiligten nahmen die Sache mit Humor; jedenfalls mit mehr Humor als die Beweisanträge der Staatsanwaltschaft, die danach verlesen wurden.

Montag, 1. Dezember 2008

Verteidiger als Restaurantkritiker?

Auch gute Restaurants haben mal einen schwarzen Tag. Heute war ein solcher. Vier Verteidiger (nein, nicht DIE) gingen zusammen essen und jeder hatte was auszusetzen. Einem wurde das Besteck verkehrtherum hingelegt, der nächste hatte alkoholfreies Bier bestellt und solches mit Umdrehungen bekommen, die Suppe der Kollegin war etwas lau und mein Gemüse war al kukidente (man hätte es mühelos auf der Felge lutschen können) zerkocht. Bedingt durch diese Pannen liess ich die Bemerkung fallen, dass man bei Restaurantsendungen für sowas auf die Nominierungsliste kommt. Offensichtlich wurde diese Bemerkung von einer Kellnerin aufgeschnappt, die sich im Anschluss mit großer Freundlichkeit und noch größerer Sorgfalt um uns bemühte. Mein Essen musste ich nicht bezahlen. Das sei ja das Mindeste, meinte die Kellnerin. Und so fiel das Trinkgeld trotz mittelmäßigen Essens großzügig aus. Sollte die Kellnerin diesen Beitrag lesen: nein, wir waren keine Restaurantkritiker, obwohl uns der Job sicher auch Spaß machen könnte - allerdings nur in Verhandlungspausen.

Menschenhandelsprozess - protokollfester Polizist

Ja, wir haben im Koblenzer Bulgari-Verfahren mit Spannung gewartet, ob die Zeugin aus Bulgarien, die für heute geladen war, den Weg gefunden hat. Und - wurden enttäuscht. Sie war nicht erschienen.
Stattdessen wurde ein Polizeibeamter vernommen, der wohl zumindest den Sonntag damit zugebracht haben dürfte, die seinerzeit von ihm durchgeführten Vernehmungen nahezu auswendig zu lernen. Als Verteidiger kann man sich bei derart protokollfesten Zeugen eigentlich entspannt zurücklehnen. Der Überraschungseffekt, der vielen Zeugenaussagen innewohnt, die sich Monate später an ganz andere und zum Teil noch schlimmere Dinge zu erinnern meinen als sie ursprünglich angegeben hatten, bleibt aus.