Ein Mandant, den ich vor einiger Zeit verteidigt hatte, rückte in eine nordrhein-westfälische Justizvollzugsanstalt ein. Kaum dass er sich dort eingelebt hatte, wurde er von mit einer zivilrechtlichen Klage überzogen und mandatierte mich, seine Interessen wahrzunehmen.
Unlängst kam ein an den Mandanten gerichtetes Schreiben als "unzustellbar" zurück. Ich ging also davon aus, dass er entlassen worden war, es aber nicht für nötig befunden hatte, mir seine Entlassungsadresse mitzuteilen. Die Fristen in der Zivilsache liefen freilich unabhängig von der Nachlässigkeit des Mandanten weiter.
Meine Mitarbeiterin erhielt auf telefonische Nachfrage keine Auskunft, weshalb sie ein Schreiben an die JVA verfasste, den Sachverhalt schilderte, um Mitteilung der Entlassungsadresse bat und die Vollmacht, die der Mandant in der Zivilsache erteilt hatte, mitschickte.
Das Schreiben kam einige Tage später urschriftlich zurück mit folgendem Vermerk:
"Auskünfte dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilt werden, da ein berechtigtes Interesse nicht nachgewiesen werden kann."
Dass es kein berechtigtes Interesse sein soll, wenn ein bevollmächtigter Anwalt wissen möchte, wohin sein Mandant entlassen wurde, war mir neu. Dem Beamten, mit dem meine Mitarbeiterin telefonierte, erfreulicherweise auch.
Soeben habe ich einen geharnischten Brief unterschrieben, der den Mandanten an seinem neuen Wohnsitz erreichen wird.
In diesem Blog berichtet Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. über Strafverfahren in und um die Rhein-Mosel-Stadt
Freitag, 9. Oktober 2015
Mittwoch, 7. Oktober 2015
Das Datum auf der Vollmacht - Augen auf bei der Kostenfestsetzung
Macht man nach erfolgtem Freispruch für einen Mandanten die ihm entstandenen Kosten gegenüber der Staatskasse geltend, tut man gut daran, eine Vollmacht des Mandanten vorzulegen, die einen zum Geldempfang berechtigt, damit die Justizkasse die Auszahlung an den Anwalt vornehmen kann.
Manchmal ist es so, dass man dem Mandanten eine Vollmacht mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegt, die Unterschrift erfolgt dann, aber das Datum wird nicht eingesetzt.
Eine solche undatierte Vollmacht hatte ich im Zuge eines Kostenfestsetzungsverfahrens vorgelegt und staunte nicht schlecht, als mir die Bezirksrevisorin Folgendes schrieb:
"Die vorgelegte Vollmacht trägt kein Datum. Vorsorglich darf ich bereits jetzt darauf hinweisen, dass anderenfalls der Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurück zu weisen ist (AG Koblenz, Beschluss vom 10.01.2011 - 2010 Js 678/01.33 Ds; AG Koblenz, Beschluss vom 07.02.2007 - 2010 Js 45496/04.29 Ds - beides über juris - aus den Gründen: Dem Kostenfestsetzungsantrag kann nicht stattgegeben werden, das der Rechtsanwalt zum Nachweis seiner Antragsberechtigung keine, mit Ausstellungsdatum versehene, aktuelle Vollmacht betreffend das Kostenfestsetzungsverfahren und den Geldempfang zur Akte gereicht hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 53. Auflage, Rdnr. 5,6, vor § 137 StPO)."
Im meinem Fall war es so, dass ich die Vollmacht gefaxt hatte und sie per Fax zurück erhalten hatte, mithin also an den Faxkennungen ersichtlich war, dass die Vollmacht zurück gesandt worden war (nur eben ohne eingetragenes Datum). In einem Telefonat mit der freundlichen Bezirksrevisorin konnte die Sache geklärt werden und nachdem sie mir berichtet hatte, dass es schon häufiger Probleme mit Geldempfangsvollmachten gegeben hatte, kann ich gut verstehen, weshalb es für alle Beteiligten besser ist, wenn auf einer datierten Vollmacht bestanden wird.
Manchmal ist es so, dass man dem Mandanten eine Vollmacht mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegt, die Unterschrift erfolgt dann, aber das Datum wird nicht eingesetzt.
Eine solche undatierte Vollmacht hatte ich im Zuge eines Kostenfestsetzungsverfahrens vorgelegt und staunte nicht schlecht, als mir die Bezirksrevisorin Folgendes schrieb:
"Die vorgelegte Vollmacht trägt kein Datum. Vorsorglich darf ich bereits jetzt darauf hinweisen, dass anderenfalls der Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurück zu weisen ist (AG Koblenz, Beschluss vom 10.01.2011 - 2010 Js 678/01.33 Ds; AG Koblenz, Beschluss vom 07.02.2007 - 2010 Js 45496/04.29 Ds - beides über juris - aus den Gründen: Dem Kostenfestsetzungsantrag kann nicht stattgegeben werden, das der Rechtsanwalt zum Nachweis seiner Antragsberechtigung keine, mit Ausstellungsdatum versehene, aktuelle Vollmacht betreffend das Kostenfestsetzungsverfahren und den Geldempfang zur Akte gereicht hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 53. Auflage, Rdnr. 5,6, vor § 137 StPO)."
Im meinem Fall war es so, dass ich die Vollmacht gefaxt hatte und sie per Fax zurück erhalten hatte, mithin also an den Faxkennungen ersichtlich war, dass die Vollmacht zurück gesandt worden war (nur eben ohne eingetragenes Datum). In einem Telefonat mit der freundlichen Bezirksrevisorin konnte die Sache geklärt werden und nachdem sie mir berichtet hatte, dass es schon häufiger Probleme mit Geldempfangsvollmachten gegeben hatte, kann ich gut verstehen, weshalb es für alle Beteiligten besser ist, wenn auf einer datierten Vollmacht bestanden wird.
Montag, 5. Oktober 2015
Ein Quäntchen Sorgfalt - zum Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln
Zwischen dem pensionierten Amtsrichter S. und mir bestand seit jeher ein Spannungsverhältnis. Ihm gefiel meine Art zu verteidigen nicht, mir gefiel seine bisweilen eigenwillige Auslegung der StPO nicht.
Eines der letzten Verfahren, das er zu betreuen hatte, war mit mir als Verteidigerin besetzt. Es ging darum, dass mein Mandant sage und schreibe 0,06 Gramm Haschisch sowie 0,2 Gramm Heroin in Besitz gehabt haben soll. Ein solches Verfahren hätte man normalerweise der einzig richtigen Erledigungsart, nämlich der Einstellung, zugeführt, wenn man nicht Richter S. gewesen wäre, der die Anklage wegen dieses kapitalen Delikts (zum Schöffengericht!) zugelassen hatte. Kurz zuvor war mein Mandant wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden, so dass der Besitz des Rauschgiftes angesichts dieser Strafe nun wirklich nicht weiter ins Gewicht fiel. Für derartige Fällt sieht das Gesetz die Einstellung nach § 154 StPO vor und so regte ich am ersten Hauptverhandlungstag in einem Vorgespräch an, hiernach zu verfahren. Richter S. hatte hingegen andere Pläne und so verhandelten wir zur Sache. Da er - langjähriger Übung Rechnung tragend - keine Zeugen geladen hatte, musste die Sache vertagt werden.
Beim nächsten Termin regte ich erneut die Einstellung an. Wieder erfolglos. Im Termin ließ sich mein Mandant teilgeständig zur Sache ein. Mein Mandant wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Ich sah der Rechtsmittelinstanz gelassen entgegen, denn Richter S. hatte im Urteil keinerlei Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel getroffen, was zum ganz kleinen Einmaleins des Richters gehört. Ich riet also meinem Mandanten dazu, die Berufungsinstanz zu überspringen und Sprungrevision einzulegen. Das Rechtsmittel der Sprungrevision nutzt man dann, wenn das Amtsgericht einen so eklatanten Fehler gemacht hat, dass es dumm wäre, diesen von der nächsten Tatsacheninstanz, dem Landgericht, ausbügeln zu lassen.
Es dauerte nicht lange und das Oberlandesgericht K. bescheinigte Richter S., dass es nicht verkehrt gewesen wäre, ein wenig mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Dies hört sich dann übrigens so an:
"Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Die Feststellungen lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht hinreichend erkennen, da jeweils Ausführungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel fehlen (...) Der Tatrichter hat entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht möglich ist, darf der Tatrichter den Wirkstoffgehalt nicht offen lassen."
Die Sache wurde an eine andere Abteilung des Schöffengerichts zurückverwiesen. Dort liegt sie nun und wartet darauf, dass sich der Nachfolger von Richter S. ihrer annimmt. Ich werde mal wieder im Vorfeld versuchen, das Verfahren einstellen zu lassen.
Eines der letzten Verfahren, das er zu betreuen hatte, war mit mir als Verteidigerin besetzt. Es ging darum, dass mein Mandant sage und schreibe 0,06 Gramm Haschisch sowie 0,2 Gramm Heroin in Besitz gehabt haben soll. Ein solches Verfahren hätte man normalerweise der einzig richtigen Erledigungsart, nämlich der Einstellung, zugeführt, wenn man nicht Richter S. gewesen wäre, der die Anklage wegen dieses kapitalen Delikts (zum Schöffengericht!) zugelassen hatte. Kurz zuvor war mein Mandant wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden, so dass der Besitz des Rauschgiftes angesichts dieser Strafe nun wirklich nicht weiter ins Gewicht fiel. Für derartige Fällt sieht das Gesetz die Einstellung nach § 154 StPO vor und so regte ich am ersten Hauptverhandlungstag in einem Vorgespräch an, hiernach zu verfahren. Richter S. hatte hingegen andere Pläne und so verhandelten wir zur Sache. Da er - langjähriger Übung Rechnung tragend - keine Zeugen geladen hatte, musste die Sache vertagt werden.
Beim nächsten Termin regte ich erneut die Einstellung an. Wieder erfolglos. Im Termin ließ sich mein Mandant teilgeständig zur Sache ein. Mein Mandant wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Ich sah der Rechtsmittelinstanz gelassen entgegen, denn Richter S. hatte im Urteil keinerlei Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel getroffen, was zum ganz kleinen Einmaleins des Richters gehört. Ich riet also meinem Mandanten dazu, die Berufungsinstanz zu überspringen und Sprungrevision einzulegen. Das Rechtsmittel der Sprungrevision nutzt man dann, wenn das Amtsgericht einen so eklatanten Fehler gemacht hat, dass es dumm wäre, diesen von der nächsten Tatsacheninstanz, dem Landgericht, ausbügeln zu lassen.
Es dauerte nicht lange und das Oberlandesgericht K. bescheinigte Richter S., dass es nicht verkehrt gewesen wäre, ein wenig mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Dies hört sich dann übrigens so an:
"Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Die Feststellungen lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht hinreichend erkennen, da jeweils Ausführungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel fehlen (...) Der Tatrichter hat entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht möglich ist, darf der Tatrichter den Wirkstoffgehalt nicht offen lassen."
Die Sache wurde an eine andere Abteilung des Schöffengerichts zurückverwiesen. Dort liegt sie nun und wartet darauf, dass sich der Nachfolger von Richter S. ihrer annimmt. Ich werde mal wieder im Vorfeld versuchen, das Verfahren einstellen zu lassen.
Donnerstag, 1. Oktober 2015
Leicht verdientes Geld?
Unlängst verteidigte ich beim Amtsgericht C.. Wobei - um so richtig Verteidigen zu können, hätte ich eine Beiakte benötigt. Die hatte der Verteidiger, der vor mir tätig war, bereits 6(!) Monate zuvor angefordert und ihm war vom Gericht zugesagt worden, er erhalte sie zeitnah. Geschehen ist dies nicht. Auch mir war die Beiakte nicht zugesandt worden.
Eine Beiakte ist übrigens eine Akte, die mit dem eigentlichen Fall insoweit zu tun hat, als dass sie Informationen enthält, bei denen man annehmen darf, dass sie eine Rolle für die Beurteilung der Tat spielen, die dem Mandanten vorgeworfen wird. Ein Beispiel: Harry Hasch wird angeklagt, Cannabis erworben zu haben. Aus der Akte ergibt sich ein Hinweis auf Timo Ticker, einen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer langen Haftstrafe verurteilten Mann, der bei der Polizei eine "Lebensbeichte" abgelegt haben soll. Aus Tickers Akte ergeben sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Anhaltspunkte für den Fall Hasch und deshalb wird ein Verteidiger deren Beiziehung beantragen. Sachzusammenhang heißt das im Juristendeutsch.
So weit, so gut. Und damit zurück zum Amtsgericht C.. Immerhin bestand Einigkeit, dass wir die Beiakte benötigen, anderenfalls das Gericht schon nicht vor Monaten dem Beiziehungsantrag stattgegeben hätte. Zum Verhandlungstermin waren alle da: der Richter, ein Amtsanwalt, mein Mandant und ich, aber: nicht die Beiakte.
Noch bevor es richtig losging, stellte ich einen Aussetzungsantrag, also einen Antrag, das Verfahren an diesem Tag nicht zu verhandeln, weil die Beiakte nicht beigezogen worden war und meinem Mandanten damit Verteidigungsmöglichkeiten fehlten. Die Stellungnahme des Amtsanwalts zu meinem Antrag lautete, man könne sich auch anstellen. Macht nichts. Wenn es darum geht, ordnungsgemäß zu verteidigen, stelle ich mich gerne einmal an. Der Richter setzte das Verfahren aus und beendete die Hauptverhandlung auf unabsehbare Zeit, heißt auf Juristendeutsch: neuer Termin von Amts wegen.
Während ich meine Robe auszog, hörte ich - und auch mein Mandant, dem das Gesagte wohl eigentlich galt - den Amtsanwalt sagen: "Das war ja leicht verdientes Geld! Aber wenn's vom Mandanten gezahlt wird..."
Damit wollte er wahrscheinlich zum Ausdruck bringen, dass, egal, wie lange eine Verhandlung dauert, eine sog. Verhandlungsgebühr anfällt. Dauert eine Verhandlung wie hier keine 5 Minuten, darf man dafür, so gesetzliche Gebühren vereinbart wurden, innerhalb des Gebührenrahmens genauso viel abrechnen als wenn man sich 4 Stunden mit den übrigen Beteiligten gefrackt hätte.
Nun wusste der Herr Amtsanwalt nicht, dass ich ein Zeithonorar mit meinem Mandanten vereinbart hatte, durch das ich mich um ein Vielfaches schlechter stand als wenn ich gesetzlichen Gebühren vereinbart gewesen wären. Doch selbst im umgekehrten Fall wäre das Geld nicht leicht verdient gewesen, da das Besprechen mit dem Mandanten über den Antrag und das Formulieren des Antrags Arbeitszeit erfordern. Diese verbringt man freilich nicht im Gerichtssaal, sondern im Büro.
Hier führte die Beiziehung der Akte übrigens mittelbar zur späteren Verfahrenseinstellung für den Mandanten. Aus der Beiakte ergaben sich nämlich Anhaltspunkte dafür, dass der einzige Belastungszeuge ein Aussageverweigerungsrecht hatte, wobei man verabsäumt hatte, ihn entsprechend zu belehren. Mein Widerspruch gegen die Verwertung dieser Aussage war also vorprogrammiert, weshalb das Gericht sozusagen die Kostennotbremse zog und die Akte zumachte.
Die Kosten des Verfahrens gingen zu Lasten der Staatskasse.
Eine Beiakte ist übrigens eine Akte, die mit dem eigentlichen Fall insoweit zu tun hat, als dass sie Informationen enthält, bei denen man annehmen darf, dass sie eine Rolle für die Beurteilung der Tat spielen, die dem Mandanten vorgeworfen wird. Ein Beispiel: Harry Hasch wird angeklagt, Cannabis erworben zu haben. Aus der Akte ergibt sich ein Hinweis auf Timo Ticker, einen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer langen Haftstrafe verurteilten Mann, der bei der Polizei eine "Lebensbeichte" abgelegt haben soll. Aus Tickers Akte ergeben sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Anhaltspunkte für den Fall Hasch und deshalb wird ein Verteidiger deren Beiziehung beantragen. Sachzusammenhang heißt das im Juristendeutsch.
So weit, so gut. Und damit zurück zum Amtsgericht C.. Immerhin bestand Einigkeit, dass wir die Beiakte benötigen, anderenfalls das Gericht schon nicht vor Monaten dem Beiziehungsantrag stattgegeben hätte. Zum Verhandlungstermin waren alle da: der Richter, ein Amtsanwalt, mein Mandant und ich, aber: nicht die Beiakte.
Noch bevor es richtig losging, stellte ich einen Aussetzungsantrag, also einen Antrag, das Verfahren an diesem Tag nicht zu verhandeln, weil die Beiakte nicht beigezogen worden war und meinem Mandanten damit Verteidigungsmöglichkeiten fehlten. Die Stellungnahme des Amtsanwalts zu meinem Antrag lautete, man könne sich auch anstellen. Macht nichts. Wenn es darum geht, ordnungsgemäß zu verteidigen, stelle ich mich gerne einmal an. Der Richter setzte das Verfahren aus und beendete die Hauptverhandlung auf unabsehbare Zeit, heißt auf Juristendeutsch: neuer Termin von Amts wegen.
Während ich meine Robe auszog, hörte ich - und auch mein Mandant, dem das Gesagte wohl eigentlich galt - den Amtsanwalt sagen: "Das war ja leicht verdientes Geld! Aber wenn's vom Mandanten gezahlt wird..."
Damit wollte er wahrscheinlich zum Ausdruck bringen, dass, egal, wie lange eine Verhandlung dauert, eine sog. Verhandlungsgebühr anfällt. Dauert eine Verhandlung wie hier keine 5 Minuten, darf man dafür, so gesetzliche Gebühren vereinbart wurden, innerhalb des Gebührenrahmens genauso viel abrechnen als wenn man sich 4 Stunden mit den übrigen Beteiligten gefrackt hätte.
Nun wusste der Herr Amtsanwalt nicht, dass ich ein Zeithonorar mit meinem Mandanten vereinbart hatte, durch das ich mich um ein Vielfaches schlechter stand als wenn ich gesetzlichen Gebühren vereinbart gewesen wären. Doch selbst im umgekehrten Fall wäre das Geld nicht leicht verdient gewesen, da das Besprechen mit dem Mandanten über den Antrag und das Formulieren des Antrags Arbeitszeit erfordern. Diese verbringt man freilich nicht im Gerichtssaal, sondern im Büro.
Hier führte die Beiziehung der Akte übrigens mittelbar zur späteren Verfahrenseinstellung für den Mandanten. Aus der Beiakte ergaben sich nämlich Anhaltspunkte dafür, dass der einzige Belastungszeuge ein Aussageverweigerungsrecht hatte, wobei man verabsäumt hatte, ihn entsprechend zu belehren. Mein Widerspruch gegen die Verwertung dieser Aussage war also vorprogrammiert, weshalb das Gericht sozusagen die Kostennotbremse zog und die Akte zumachte.
Die Kosten des Verfahrens gingen zu Lasten der Staatskasse.
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