Montag, 31. August 2009

BULGARI - Das Ende und die überraschte Kammer

Vor ca. einem Jahr hatte es begonnen, das Koblenzer Bulgariverfahren. Angeklagt waren 8 Personen wegen des Vorwurfes des Menschenhandels und seit Beginn diesen Jahres war es ein wenig wie in dem Kinderreim "10 kleine Negerlein" - nach und nach wurden Verfahren gegen einzelne Angeklagte abgetrennt bis nur noch einer übrigblieb - unser, d.h., des Kollegen Siebers und mein Mandant.

Für heute stand mal wieder das Anhören der Telefonüberwachung auf dem Programm, zu der die Kammer einen Dolmetscher für die rumänische Sprache geladen hatte, da es um Telefonate einer Nebenklägerin (die nie im Zuge der Hauptverhandlung vernommen werden konnte, da sie nicht erreichbar war) ging, die nach Angaben ihrer Rechtsanwältin traumatisiert gewesen sein soll, u.a. durch die schlimmen Erlebnisse in dem von unserem Mandanten geführten Etablissement. Die Übersetzung der Telefonüberwachung förderte Erstaunliches zutage. Die Nebenklägerin parlierte überwiegend gut gelaunt mit Landsfrauen und hatte sich auch schon überlegt, demnächst ein Mädchen aus ihrer Heimatstadt nach Deutschland kommen zu lassen, so dass sie selbst nicht mehr würde arbeiten gehen müssen. Man kann freilich nur mutmaßen, welche Art der Beschäftigung vorgesehen war, wird aber jedenfalls anerkennen müssen, dass traumatisierte Frauen in der Regel andere Sorgen haben. Ihre Angaben bei der Polizei im Ermittlungsverfahren, sie habe gleichsam unter der Fuchtel unseres Mandanten gestanden, konnten angesichts der Telefonüberwachung auch nicht mehr nachvollzogen werden. Die Telefonate ergaben, dass sie selbst entscheiden konnte, welche Praktiken sie anbietet und mit welchem Freier sie aufs Zimmer geht. Zuhälterei geht anders.

Nach der Frühstückspause stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO, also ohne Auflage, einzustellen. Wolle man den Sachverhalt mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit aufklären, seien weitere, umfangreiche Beweise zu erheben, hieß es unter anderem in der Begründung. Die Verteidigung schloss sich dem an. Die von dem Antrag sichtlich überraschte Strafkammer zog sich zur Beratung zurück und verkündete sodann den Einstellungsbeschluss.

Damit ging ein ereignisreiches Verfahren zwar sehr plötzlich, aber mit einem für alle Seiten gut vertretbaren Ergebnis zu Ende. Es war der 50. Hauptverhandlungstag, übermorgen hätte sich der Prozessbeginn gejährt und ich bin ein ganz klein wenig traurig, denn es hat trotz allem Freude gemacht, in diesem Verfahren zu verteidigen. Das lag nicht nur an meinem Kollegen Werner, dem Kantholz, sondern auch an einem Oberstaatsanwalt, der ein offenes Wort nicht scheute und an der Kammer, die ruhig und sachlich verhandelte.

Montag, 24. August 2009

Falsch verbunden

Es war nicht das erste Mal, dass ich glaubte, Opfer eines Telefonscherzes geworden zu sein.

Kürzlich rief mich ein mir unbekannter Mann an, der mir sagte, ich würde doch Herrn X. vertreten.

Besagter Herr X bedrohe gerade Herrn Y. und ich solle das zur Kenntnis nehmen. Ich sage ihm, dass ich ihm nicht sagen dürfe, wen ich vertrete und ob ein Herr X. unter meinen Mandanten ist. Es nützt nichts, der Mann am anderen Ende redet weiter wie ein Wasserfall, dass ich Herrn X. doch bestimmt "raushauen" wolle und ihm deshalb besser zuhören solle.


Nein, werter Anrufer, ich entscheide selbst, wem ich wann zuhöre.

Bulgari-Verfahren - Ende der Sommerpause

Irgendwie hatte ich sie alle vermisst: meinen toskanagebräunten Mitverteidiger, meinen ebenfalls gebräunten Mandanten, den Oberstaatsanwalt, der auch nach mindestens 2 Wochen Kanaren aussah, die Strafkammer (ebenfalls erholt, aber nicht ganz so gebräunt) und die Vertreterin der Nebenklage, die Mühe hatte, in der sich anschließenden Verhandlung nicht einzuschlafen.

Um es vorwegzunehmen: wir haben mal wieder Telefonüberwachung gehört. Seit dem letzten Mal ist mein Hörverständnis, was Pfälzisch und Schwäbisch angeht, nicht besser geworden und so lavierte ich mich mehr schlecht als recht durch das für mich fast babylonische Sprachengewirr.

Es bleibt abzuwarten, ob das Verfahren mit der Vernehmung von der Verteidigung benannten Zeugen weitergeht. Vor der Sommerpause hatten mein Kollege und ich Beweisanträge gestellt, von denen die Kammer heute zwei abschlägig verbeschieden hat. Die Entscheidungen über die weiteren vier Anträge stehen noch aus.

Freitag, 21. August 2009

Hitziges Geläster

Gestern beim Arbeitsgericht. Ein für mich seltener Ausflug. In der Güteverhandlung hatte ich für meinen Mandanten bereits ein Versäumnisurteil bekommen. Der Gegner hatte, sich selbst vertretend, Einspruch eingelegt, diesen aber nicht begründet, so dass ich einer entspannten Verhandlung entgegensah.

Auf dem Flur des Arbeitsgerichts angelangt mache ich sofort wieder kehrt. Der Flur ist belagert von Menschen, die offenbar alle darauf warten, dass es endlich losgeht. Obwohl es erst kurz vor 9 Uhr ist, riecht es dort so, als ob alle diese Menschen direkt von der Nachtschicht im Zoo nach Reinigung des Affenhauses zum Arbeitsgericht geeilt wären. Zusammen mit zwei Kollegen und meinem Mandanten harre ich daher im Treppenhaus aus, immer mit Blick auf die Tür des Sitzungssaales und weil wir sonst nichts zu tun haben, hecheln wir zunächst die modischen Sünden der Flurwarter durch, machen einen kurzen verbalen Abstecher ins Affenhaus um dann beim Gegner zu landen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ist, dass einer der Kollegen im Treppenhaus, kurzfristig vom Gegner beauftragt worden war.

Der nahm es offensichtlich mit Humor, unterbreitete für seinen Mandanten ein sicher gut gemeintes, aber völlig indiskutables Beweisangebot und war nach der Verhandlung, der sämtliche Flurwarter im Sitzungssaal beiwohnten, sicher genauso froh wie ich, endlich wieder an der zwar heissen, aber frischen Luft zu sein.

Donnerstag, 20. August 2009

Ich hab doch nur gezahlt...

... sprach der Mandant.

Rückblende: Es war derselbe Mandant, der nichts gesagt hatte. Das Strafverfahren gegen ihn war eingestellt worden. Der Vorgang war allerdings an die Bußgeldstelle abgegeben worden. Ich hatte ihn umfassend beraten und ihm sicherheitshalber nochmal geschrieben, dass demnächst ein Bußgeldbescheid ergehen wird, gegen den ich Einspruch einlegen werde und den er nicht bezahlen soll.

Gesagt, getan: ich lege Einspruch ein, begründe selbigen und - ein Anruf des Richters, ob der Einspruch aufrecht erhalten bleibe, schließlich sei das Bußgeld bezahlt.

Warum im Himmel gibt man Geld für einen Anwalt aus, wenn man exakt das nicht tut, was er einem rät?

Mittwoch, 19. August 2009

Kuriose Kontrolle

Manchmal findet man schon kuriose Videos:

http://www.youtube.com/watch?v=H_ZbYN_zrQc (mit Hinweis auf www.comedycentral.de)

Ich bin sicher, die Szene ist gestellt. Mir ist Dergleichen bei einer Polizeikontrolle jedenfalls noch nicht passiert. Ich bin bislang immer belehrt worden (ok, manchmal musste ich nachfragen) und Macarenatanzen musste ich auch noch nie. Hätte ich auch auf freundliches Verlangen nicht. Beleidigt habe ich demnach auch noch nie einen Polizisten.

Sollte sie echt sein, bin ich gerne bereit, den Kontrollierten, der gegen Ende ein wenig die Kontrolle verloren hat, zu vertreten.

Was mich für den Fall der Echtheit weiter interessieren würde: hätte der Kontrollierte auch die Verrenkungen gemacht, wenn Derjenige, der sie ihm abverlangt hat, keine Uniform angehabt hätte?

Montag, 17. August 2009

Vollstreckung eingestellt

Ich berichtete am Freitag über einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub. Dem Antrag wurde heute um 13.30 Uhr stattgegeben. Wäre er abgelehnt worden, hätte mein Mandant um 15 Uhr in der JVA "einchecken" müssen.

Jetzt heisst es für ihn: Zahnbürste wieder ins heimische Glas, erstmal aufatmen und dann bis zur Entscheidung über das Gnadengesuch weiter zittern.
Der Rest drückt bitte die Daumen.

Freitag, 14. August 2009

Die Spannung steigt

Es ist ungefähr zwei Wochen her, dass ich für einen Mandanten bei der Staatsanwaltschaft einen Gnadenantrag auf Absehen von der Verbüßung einer Freiheitsstrafe gestellt habe. Im Hinblick auf die Ladung zum Haftantritt für kommenden Montag (Antritt spätestens 15 Uhr) hatte ich ebenfalls beantragt, die Vollziehung der Vollstreckung auszusetzen, damit der Mandant bis zum Abschluss des Gnadenverfahrens nicht "einrücken" muss.

Nachdem mir heute Morgen noch keine Entscheidung vorlag, rief ich den zuständigen Dezerneten an. Über den Antrag habe er noch nicht entschieden, ich möge mich Montag Vormittag nochmal melden.

Es gibt Leute, denen weniger aufregende Wochenenden ins Haus stehen als meinem Mandanten.

Montag, 10. August 2009

Man sieht sich immer zweimal

Eben rief ein Mandant an, den ich vor einiger Zeit verteidigt habe. Er habe Post bekommen und freue sich sehr, dass die Staatsanwaltschaft ihre Revision gegen das gegen ihn ergangene Urteil zurück genommen habe. Außerdem wolle er sich nochmal herzlich bei mir bedanken, denn wir würden uns ja wahrscheinlich nicht wiedersehen. Ich erwidere, das könne man nie wissen und außer Strafrecht bearbeite ich ja auch Verkehrssachen. Am anderen Ende entsteht eine kurze Pause. Dann: "Das ist ja prima. Ich glaube, ich bin vor ein paar Wochen geblitzt worden."
Na also. Man sieht sich immer zweimal.

Donnerstag, 6. August 2009

Der Exhibitionist und die Wahllichtbildvorlage

Ein Mandant soll sich im Wald vor zwei Frauen entblößt haben. Angezeigt wurde er von einer der Damen, die sich sein Kennzeichen gemerkt haben will. Das Kennzeichen soll auf einem silbernen Audi gewesen sein. Mein Mandant fährt einen dunklen Toyota. Da sie sich aber auf Vorhalt der Polizei nicht mehr ganz sicher war, ob es nicht doch ein dunkler Toyota gewesen sein könnte, wurde mein Mandant kurzerhand zur Anfertigung von Lichtbildern mitgenommen.

Nun muss ich zugeben, ich habe schon schlechtere Wahllichtbildvorlagen gesehen als in dieser Akte. Alle 8 fotografierten Herren (mein Mandant war Nr. 3) hatten in etwa ähnliche Merkmale und alle waren sie so bekleidet wie der Beschuldigte bekleidet gewesen sein soll. Das Merkmal des Anstoßes war auf den Fotos freilich nicht zu erkennen.

Dame 1 konnte Nr. 3 sicher ausschließen, meinte, Nr. 5 wieder zu erkennen, war sich aber nicht ganz sicher.
Dame 2, die die Anzeige erstattet hatte, war sich hingegen sicher, dass es Nr. 7 war. Der "seltsame Blick" komme ihr bekannt vor, heisst es in der Akte.

Ich habe mir Nr. 7 auf diese Bemerkung hin nochmal genau angesehen und finde nicht, dass er seltsam blickt. Vielleicht tut sich die Damen nicht nur bei Farben und Automarken schwer, sondern auch bei Kennzeichen. Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde eingestellt.

Mittwoch, 5. August 2009

Über Mutterliebe und den ÖPNV

Ein in der JVA einsitzender noch junger Mandant bat mich, seine Mutter anzurufen und in Erfahrung zu bringen, weshalb diese ihm weder schreibt noch ihn besucht.
Ich hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter der Dame - kein Rückruf. Rief die Oma an mit der Bitte, diese möge der Mutter Bescheid geben, dass sie sich mit mir in Verbindung setzt. Wochenlang geschieht nichts.

Eben rief sie an und teilte mit, dass sie ihrem Sohn schon zweimal geschrieben habe, aber die Post immer zurück gekommen sei. Ich frage nach der Adresse und kläre sie auf, dass ihr Sohn nicht in A-Stadt, sondern in B-Stadt einsitzt. B-Stadt und der Wohnort der Mutter liegen 15 Kilometer voneinander entfernt, so dass ich mir die Frage erlaube, ob sie ihn nicht mal besuchen wolle. Sie habe kein Auto, war die Antwort. Aha. Und Busfahren? Da sei sie nicht so dafür. Nochmal aha. Ich kenne Mütter (inklusive meiner eigenen), die notfalls die 15 Kilometer zu Fuß gehen würden um ihr Kind zu sehen. Ich hoffe, dass die Zahl derjenigen Mütter (und Väter), die zumindest die Unbillen des ÖPNV auf sich zu nehmen bereit sind, die Zahl derer übersteigt, deren Ding das nicht ist.

Mal wieder: Vollmachtsvorlage und Akteneinsicht

In einem Ordnungswidrigkeitenverfahren habe ich vor Wochen die Vertretung meines Mandanten angezeigt und um Akteneinsicht gebeten.
Die zuständige Staatsanwaltschaft bittet daraufhin um Vollmachtsvorlage.
Ich antworte mit dem zu diesen Zwecken angefertigten Textbaustein, dass dies nicht vorgschrieben sei und verweise auf die Rechtsprechung des BGH (St 36, 259).
Die Staatsanwaltschaft bitte erneut um Vorlage einer Vollmacht. Eine anwaltliche Versicherung der Vertretung des Mandanten reiche nicht aus um zustellungsbevollmächtigt zu sein, wird weiter ausgeführt, und nach § 145a StPO gelte nur der gewählte Verteidiger als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen, dessen Vollmacht sich bei den Akten befinde.

Einmal abgesehen von den Irrungen, Wirrungen und Klimmzügen, die manche Gerichte neuerdings machen um die Verjährungsproblematik zu umgehen, in dem sie den Anwalt als in jedem Fall zustellungsbevollmächtigt betrachten, frage ich mich, was der Verfasser des Schreibens mir sagen will. Ich habe nie Wert darauf gelegt, zustellungsbevollmächtigt zu sein und ich kenne den § 145a StPO. Ich möchte nur Akteneinsicht, nicht mehr und nicht weniger.

Dienstag, 4. August 2009

Ärgerliche Gebühren

Gestern rief ein Mandant an, der wissen wollte, wie sich die an ihn gerichtete Rechnung zusammensetzt. Es habe ihn geärgert, dass ein außergerichtlicher Vergleich über einen Schmerzensgeldanspruch eine Vergleichsgebühr auslöse.
Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass die Alternative, ein gerichtliches Verfahren mit ungewissem Ausgang, ihn im Falle des Unterliegens deutlich mehr gekostet hätte, erinnerte er sich daran, dass genau das der Grund dafür war, weshalb er kein gerichtliches Verfahren gewollt hatte. Ich hatte ihm davon abgeraten. Zum einen wegen des ungewissen Ausgangs und zum anderen aufgrund der Tatsache, dass er nicht rechtsschutzversichert war. Das Prozesskostenrisiko lag bei einem Streitwert von 3000 Euro bei immerhin knapp 1500 Euro (ohne evtl. Gutachterkosten und lediglich für die erste Instanz). Ich hätte übrigens an dem gerichtlichen Verfahren mehr verdient als an der außergerichtlichen Einigung. Der Rat, so räumte er ein, sei schon in Ordnung gewesen und die Gebühr damit auch. Sein Ärger war verflogen.

Heute Morgen habe ich mich geärgert. Der Betrag ist mit 2 Euro denkbar lächerlich. Meine Bank, bei der ich mein Kanzleikonto unterhalte, hat ihn mir in Rechnung gestellt, weil ein Scheck von meiner Buchhaltung nicht mehr zugeordnet werden konnte und wir daher eine telefonische Auskunft über den Aussteller bekommen hatten. Ich habe mir daraufhin nochmal die letzten Quartalsabrechnungen und die diesen zugrunde liegenden Konditionen angesehen und sie mit dem Angebot einer anderen Bank verglichen. Mein Ärger wird auch verfliegen.