Donnerstag, 17. Juni 2010

Fragezeichenzettel

Manche Schriftsätze von Kollegen verlassen meine Reno dazu, mir selbige mit einem gelben Klebezettel, auf den nur ein "?" gemalt ist, vorzulegen.

Hier ein Beispiel:

Ein Kollege schreibt an das Gericht: "...wird angefragt, oder der Beklagte innerhalb der ihm gesetzten Notfrist von zwei Wochen seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat. Dies ist hier nicht nachprüfbar. Falls die Anzeige verspätet eingegangen sein sollte, wird dies entsprechend gerügt."

Werter Kollege: das Gericht überprüft selbstständig, ob die Verteidigungsbereitschaft rechtzeitig angezeigt worden ist oder nicht. Rügen brauchen Sie das nicht, denn falls sie zu spät eingegangen sein sollte, wäre das Gericht Ihrem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils, den Sie in der Klageschrift für diesen Fall gestellt haben, bereits nachgekommen. Schauen Sie einfach mal in §§ 276, 271, 331 ZPO.

14 Kommentare:

RA JM hat gesagt…

Hat der Kollege denn auch das immer noch ach so beliebte "Anerkenntnisurteil gem. § 307 Abs. II ZPO" beantragt?

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@RA JM: Selbstverständlich hat er das!

Anonym hat gesagt…

Sooo abwegig finde ich die Anfrage nicht. Ich habe schon mehrfach erlebt, daß die Verteidigungsbe-reitschaft nicht rechtzeitig angezeigt, gleichwohl jedoch kein Versäumnisurteil erlassen worden ist. Für den Kläger wirklich ärgerlich, zumal im Hinblick auf § 331 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. ZPO.

Wenn der Beklagte dann erst im Laufe des Prozesses zahlungsunfähig wird und der Kläger nur deshalb nicht rechtzeitig vollstrecken konnte, weil das Gericht das beantragte Versäumnisurteil nicht zeitnah erlassen hat, ist man als Klägervertreter vielleicht sogar in der Haftungsfalle, falls man nicht nachgehakt hat.

Die nicht an den Klägervertreter übermittelte Verteidigungsanzeige deutet doch schon darauf hin, daß das Gericht "geschlafen" hat.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Anonym: Bitte nichts reininterpretieren. Das Gericht hat nicht geschlafen und die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft an den Kollegen übermittelt. Was das "Nachhaken" angeht: Akteneinsicht macht klug. Wenn ich einen derartigen Verdacht hege, fordere ich mir die Gerichtsakte an und schreibe nicht ins Blaue hinein so einen Unfug. Das macht die Akte nur unnötig dick.

Anonym hat gesagt…

Vermutlich hat er gleich noch beantragt den Beklagten die Kosten des "Verfahrens" aufzuerlegen ;)

BV hat gesagt…

Die Anfrage ist wirklich nicht so doof, wenn vom Gericht einfach nichts kommt. Und wofür die Aktenanforderung? Da ist doch eine kurze Anfrage - die die Akte im übrigen auch nicht dicker macht, als das Akteneinsichtsgesuch - viel einfacher.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@BV: Ich versuch´s nochmal. Verteidigungsbereitschaft wurde fristgerecht angezeigt (unter Angabe des Datums der Zustellung der Klage!). Man muss dann nur noch auf das Datum der Anzeige schauen um festzustellen, dass sie binnen 2 Wochen erfolgte. Nichts anderes ergibt sich übrigens auch aus dem Faxabsender. *seufz*
Wenn man trotzdem Zweifel hat (etwa ob das Zustellungsdatum zutreffend im Abweisungsantrag genannt wurde), ist es imho trotzdem Unfug, in einem Schriftsatz diese anzubringen anstatt die Akte anzufordern und das zu überprüfen. Klar, man könnte noch die Geschäftsstelle anrufen, aber ich denke nicht, dass der Kollege zu den dortigen Beamten das genügende Vertrauen aufbringt.

Gast hat gesagt…

Das liegt doch alles neben der Sache, weil nach Eingang der Verteidigungsanzeige - mag sie noch so verspätet gewesen sein - ein schriftliches VU jedenfalls nicht mehr ergehen kann.

Trotzdem: Um auf die Idee zu kommen, im Zivilprozess wegen sowas die Akten zur Einsicht anzufordern, muss man wohl hauptberuflich Strafverteidigerin sein.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Gast: Ja, Strafverteidiger haben manchmal sehr einfache Lösungen zur Hand.
Auf den Schriftsatz des Kollegen, der schon viele Wochen alt ist, haben nämlich bislang weder das Gericht noch ich reagiert.

Anonym hat gesagt…

Akteneinsicht: 12,- Euro. Doofe Frage: 0,- Euro.

Im übrigen soll es schon häufiger vorgekommen sein, daß das "schlafende" Gericht auf eine solche "doofe" Frage ein Versäumnisurteil erlassen hat und der Kläger fröhlich vollstrecken konnte, bevor der Beklagte sich doch noch meldet oder die Finger hebt.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Zum VU nach Eingang der Verteidigungsbereitschaftsanzeige vgl. Gast. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Akteneinsicht: 12 Euro UND Bescheid wissen, doofe Frage: 0 Euro ohne eine Antwort zu bekommen. Lösung: hier mitlesen und sclau werden;-)

Marcus hat gesagt…

Einzige Lösung: Geschäftsstelle anrufen und fragen. Zumindest hier die netteste und kompetenteste Möglichkeit.

HHH hat gesagt…

wie jetzt? als Horrorhase, ...äh
Strafverteidigerin treiben Sie im Zivilprozeß Ihr Unwesen??

@gast: bei verspäteter Verteidigungsanzeige kann VU nur vermieden werden, wenn die Anzeige bei der Geschäftsstelle des Gerichts eingeht, bevor das gemäß § 315 ZPO unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übergeben wird.
Das kann schon mal knifflig werden.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@HHH: Ja, bisweilen ist mir vor nix fies. ;-)