Dienstag, 15. Juni 2010

Mein Ausflug in die Nebenklage

Ich habe heute nebengeklagt. Eine Körperverletzungssache - Türsteher gegen Kneipengast.

Ich klage äusserst selten neben. So selten, dass ich beim Betreten des Saales erstmal auf den Verteidigertisch zugehalten und erst kurz davor abgebremst habe. So selten, dass ich mich im Laufe der Verhandlung jedes Mal angesprochen fühlte, wenn der Richter "Frau Verteidigerin" sagte. So selten, dass ich diesen betroffenen Gesichtsausdruck, der vielen der mir bekannten Nebenklägerinnenvertreterinnen gleichsam ins Gesicht gemeißelt zu sein scheint, selbst mit viel Übung nicht hinbekommen würde. Und so selten, dass ich nun wirklich niemals das vermeintlich wichtigste Requisit der Nebenklage, eine Packung Papiertaschentücher, in meiner Handtasche habe. ;-)

Da der Oberamtsanwalt schwer auf Zack war, habe ich nicht mal Fragen an die Zeugen stellen müssen. Mein Ausflug in die Nebenklage war also eher passiver Natur.

Nicht, dass es nicht auch mal schön wäre, sich in einem Prozess passiv zu verhalten, aber seltsam war das schon. Ich bin wohl auch eher so eine wie die Kollegin Braun.

4 Kommentare:

Detlef Burhoff hat gesagt…

aber manchmal ist es ganz hilfreich/lehrreich, auch die andere Seite :-) mal kennen zu lernen. spreche da aus Erfahrung :-). das mit dem Gesichtsausdruck kommt schon noch.

RAinBraun hat gesagt…

Taschentücher sind natürlich SEHR wichtig. ;-)
Ich werde daran denken, wenn ich mal wieder als Nebenklagemaus unterwegs sein sollte. ;-)

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Kollege Burhoff: Das mit dem Gesichtsausdruck kommt garantiert nicht noch. Betroffen Gucken gibt Falten!
@Alexandra: die mit dem Durchschneuzschutz zählen zur bevorzugten Sorte.

Anonym hat gesagt…

Das traurige Dasein der Nebenklage resultiert meines Erachtens daraus, daß sie häufig von Anwälten geführt wird, die von Strafrecht keine Ahnung haben oder von Verteidigern, die es nicht vermögen, einen Rollenwechsel durchzuführen und am liebsten dem armen, von einem unfähigen Zivilisten verteidigten Angeklagten zur Seite springen möchten.

Eine Nebenklage, richtig verstanden und professionell geführt, kann sowohl für das Gericht als auch für das mutmaßliche Opfer eine Hilfe sein.

Daß es nicht Aufgabe der Nebenklage ist, Verteidigung, Gericht und Staatsanwaltschaft dabei zu unterstützen, Vorwürfe nach §§ 153 ff. StPO aus Bequemlichkeit oder Nachsicht einzustellen, liegt auf der Hand. Der Nebenklagevertreter ist ebenso ein einseitiger Interessenvertreter wie der Verteidiger und hat, wenn er die Nebenklagevertretung übernommen hat, dem Wunsch seines Mandanten nach einer Überführung und "recht harten" Bestraftung des Angeklagten Rechnung zu tragen. Wer das nicht kann, sollte auch keine Nebenklagemandate übernehmen.

Für viele Nebenklagevertreter scheint die Nebenklage jedoch nur ein günstiger Weg zu sein, auf Staatskosten an einer 50-tägigen Hauptverhandlung teilzunehmen.