Donnerstag, 22. Juli 2010

Auch wenn´s noch so falsch ist - Berufungsrecht

Auf den ersten Blick war der Fall nicht schwierig: in erster Instanz war mein Mandant wegen Diebstahls verurteilt worden, § 242 StGB.

In der Berufungsinstanz hatte ich die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, was bedeutet, dass es nur um eine Korrektur der ausgeurteilten Strafe ging. Die Staatsanwaltschaft hatte keine Berufung eingelegt.

Beim Schlußvortrag der Staatsanwältin geriet ich ins Stutzen. Sie war der Auffassung, dass die Verurteilung im Schuldspruch vom "einfachen" Diebstahl hin zum Regelbeispiel, § 243 StGB, abzuändern sei. Bei einer auf die Rechtsfolgen beschränkten Berufung? Hatte ich eine Änderung der Rechtsprechung verpasst? Bislang war ich davon ausgegangen, dass die wirksame Beschränkung der Berufung bedeutet, dass im Hinblick auf den nicht angefochtenen Teil des erstinstanzlichen Urteils (hier also den Schuldspruch) Rechtskraft eintritt.

Der Vorsitzende erklärte es in seiner Urteilsbegründung sehr viel volkstümlicher: "Das Urteil im Schuldspruch können wir nicht abändern. Auch wenn´s noch so falsch ist."

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein ähnliches Schockerlebnis hatte ich kürzlich auch. Die Staatsanwältin teilte in der HV mit, wenn der Angeklagte nicht gestehe, werde sie einen Antrag stellen, das Verfahren an das Landgericht zu verweisen, da ohne Geständnis die Strafgewalt des Amtsgerichts nicht mehr ausreiche (eifriges Nicken des Richters).

Geht unter bestimmten Voraussetzungen schon, aber doch nicht, bevor die Schuld des Angeklagten hinreichend festgestellt ist (vgl. Meyer-Goßner, § 270 Rn. 10). Ohne Geständnis käme das Gericht jedoch in absehbarer Zeit (5 Jahre) nicht so weit. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Zunächst fragt man sich aber, ob man bei der Prozeßvorbereitung etwas übersehen und dem Mandanten mit "höchstens vier Jahre" zuviel versprochen hat...

Anonym hat gesagt…

Ich denke die Staatsanwältin hat Recht: Ob ein besonders schwerer Fall oder ein minder schwerer Fall vorliegt, ist allein eine Frage der Strafzumessung und berührt den Schuldspruch nicht. Auch im Tenor hat der Zusatz "in einem besonders schweren Fall" nichts zu suchen.

Anonym hat gesagt…

Hm, verzwickt. Aber das lässt sich bestimt in der aktuellen Literatur nachlesen. Fragen Sie Ihren Kollegen doch mal! ;)

kj hat gesagt…

War bestimmt ein Sitzungsstaatsanwalt, der vielleicht nur das Urteil oder die Anklageschrift kannte und zwischendurch geistig abwesend war und nicht mitbekam, das es nur um die Rechtsfolgen ging. Oder Referatswechsler.