Mittwoch, 5. November 2008

Nebenklägerisches Vergnügen - eine Provinzposse

Ja, ich gestehe: ich habe gestern die Nebenklage vertreten. Eine für mich eher ungewohnte Rolle. So ungewohnt, dass mich der Richter erstmal fragte, warum ich neben dem Staatsanwalt sitze. Mein Mandant und sein Kumpel treten als Zeugen auf. Sie sollen verdroschen worden sein. Gegenüber auf der Anklagebank: vier Jungs, alle verteidigt (von offensichtlich vorwiegend nicht im Strafrecht tätigen Kollegen mittleren Alters).
Alle Angeklagten ließen sich zur Sache ein. Einer abenteuerlicher als der andere. Die Verteidiger befragten nicht nur den eigenen Mandanten, sondern auch die der jeweils anderen mit dem Ergebnis, dass die Geschichten immer haarsträubender wurden. Ich lehnte mich entspannt zurück und fand das Spektakel streckenweise hochamüsant. Angeklagte und Verteidiger redeten sich um Kopf und Kragen. Einer der Verteidiger fragte seinen Mandanten gar nach dem am fraglichen Tag getragenen Schuhwerk. Leichte Turnschuhe. Der Kollege hatte die Anklage wohl nicht recht verstanden, die auf gefährliche Körperverletzung lautete, weil von mehreren gemeinsam begangen.
Beweisanträge wurden auch gestellt. Nicht so, wie sie im Lehrbuch stehen, sondern viel witziger und mit teils seitenlangen Beweisbehauptungen.
Der Kumpel meines Mandanten hat übrigens keinen der Angeklagten erkannt. Es war dunkel, weshalb ihm eine Zuordnung der Schädiger nicht möglich war. Nachdem die aber alle schon eigeräumt hatten, am Tatort gewesen zu sein und auch eine "verbale Auseinandersetzung" gehabt zu haben, wird es am Ende darauf nicht ankommen. Die Posse wird demnächst fortgesetzt.

4 Kommentare:

Tobias Feltus hat gesagt…

Mir erging es einmal ähnlich, nur dass ich bedauerlicherweise verteidigte und die mitverteidigende Rechtsanwältin eine Solonummer aufs Parkett legte, die mir die Träne in die Auge trieb. Die Kollegin hatte – ohne es mit mir abzusprechen – eine 4 seitige Einlassungsschrift verfasst, wieso und weshalb geschlagen wurde usw. und natürlich wer geschlagen hat.
Dies wurde brav in der HV wiederholt, Kopf und Kragen waren also ab, leider aber auch von meinem Mandanten, ohne dass ich es hätte wirklich verhindern können, die Einlassung war nun einmal bereits bei den Akten. Das Trauerspiel nahm dann aber richtig seinen Lauf. Denn niemand erkannte mehr meinen Mandanten wieder.
Leider war das aber völlig egal.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@tobias feltus: SIE konnten nichts für die Kollegin. Die Kollegen gestern allerdings fanden sich für am Rande der Genialität. Interessieren würde mich, ob die Angeklagten kapiert haben, was passiert ist.

Tobias Feltus hat gesagt…

wohl eher nicht, vermutlich wird ihnen das auch noch als hervorragende Verteidigerarbeit suggeriert, die natürlich entsprechend extra kostet, versteht sich ja von selbst.
In dem von mir beschriebenen Fall hatte die Kollegin im Übrigen einen sehr stolzen Vorschuss kassiert, ganz nach dem Motto, viel hilft viel.....
Bin gespannt zu hören, wie sich die Herrn beim nächsten Termin zur Krönung erheben werden... Da macht dann auch Nebenklage Spaß, nicht wahr!?!

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Ich werde berichten. Vielleicht sollte ich die Angeklagten mal auf mein Blog hinweisen. ;-)