Der Tag begann mit Wortmeldungen zu einem
Hinweis der Kammer, diese sei hinsichtlich einer konsensualen Beendigung des
Verfahrens grundsätzlich gesprächsbereit. Dem vorausgegangen war eine Anregung
eines Verteidigers, das Verfahren zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Es
wurden verschiedene Szenarien erörtert, angefangen bei Kostenquotelungen bis
hin zu möglichen Entscheidungen zu Fragen der Strafrechtsentschädigung, die
letztlich allesamt unkonkret blieben. Es gab zahlreiche Wortmeldungen zur Frage
möglicher Gesamt- und Einzellösungen und es ist keine Überraschung, dass der
dritte Durchlauf nicht mit dem heutigen Tag beendet war.
Das Gesetz sieht in § 257c StPO sog.
Verständigungen vor, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind. Da heißt
es, dass Gegenstand der Verständigung nur die Rechtsfolgen sein dürfen,
übersetzt also, die Höhe der Strafe. Liest man einen Satz weiter, stößt man auf
die Formulierung, dass Bestandteil jeder Verständigung ein Geständnis sein
soll. Die ganze Sache beruht also auf einem Geben und Nehmen und wird nicht
einfacher, je mehr Angeklagte beteiligt sind. Die Vorschrift, man erkennt ihre
noch nicht allzu lange Existenz am Kleinbuchstaben „c“, basiert auf dem Gesetz
zur Vereinfachung des Strafverfahrens aus dem Jahre 2009. Hintergrund war es,
die bis dahin nicht unüblichen Gespräche im Richterzimmer abzuschaffen, zu
denen sich die Beteiligten zusammenfanden um eine für alle Beteiligten gangbare
Lösung zu finden und ein Verfahren abzukürzen. Diese Gespräche müssen seit 2009
im Gerichtssaal stattfinden, was grundsätzlich zu begrüßen ist, aber nichts
daran ändert, dass man alten Wein in neue Schläuche gefüllt hat. Im Anschluss
an die Gespräche ist es dann Sache des Gerichts, bekannt zu geben, welchen
Inhalt die Verständigung haben könnte. Normalerweise erhalten
Staatsanwaltschaft und Verteidigung vom Gericht ein Schriftstück, dem die
Eckdaten der Verständigung zu entnehmen sind und keiner am Ende sagen kann, man
habe sich missverstanden. Wenn alle Beteiligten mit dem gerichtlichen Vorschlag
einverstanden sind, kann ein darauf basierendes Urteil ergehen.
Die weit überwiegende Zahl der Angeklagten
hat bislang zu den Tatvorwürfen geschwiegen, derweil der Vorwurf der
kriminellen Vereinigung trotz eines Großaufgebots an Zeugen immer mehr
bröckelte und nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme des ersten
Durchgangs nicht aufrecht zu erhalten sein dürfte. Geständnisse bezogen auf
eine kriminelle Vereinigung sind fernliegend und was mögliche Kosten anbelangt,
kann es für die Angeklagten dahinstehen, ob sie angesichts der angeblich 30
Millionen Kosten, von denen häufig die Rede ist, im Falle einer Verurteilung
die Privatinsolvenz einläuten müssen oder mit 100.000 €.
Demgegenüber interessant war die
Diskussion über die den Angeklagten untersagte Nutzung eigener Laptops in der
Hauptverhandlung. Das Gericht hat den Angeklagten in einer
sitzungspolizeilichen Verfügung zwar die Nutzung von E-Book-Readern gestattet,
nicht jedoch von Laptops. Bedingt durch die Aktenmenge gibt es aktuell keinen
E-Book-Reader auf dem Markt, auf dem man die Prozessakten speichern könnte.
Einen Antrag meines Mitverteidigers und mir, uns zu gestatten, auf Staatskosten
eine Kopie des Akteninhalts für den Mandanten anzufertigen und dafür Sorge zu
tragen, dass im Saal genügend Platz zur Verfügung steht, diese dort vorzuhalten, war ebenfalls zurückgewiesen worden. Faktisch haben die
Angeklagten also während der Hauptverhandlung keine eigene Akte zur Verfügung.
Die Frage der Rechtmäßigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung wird in Kürze das
Oberlandesgericht beschäftigen.
Nach der Mittagspause verlas die Kammer
ihre Entscheidungen zu den erhobenen Besetzungsrügen und wies diese als
unbegründet zurück. Grob skizziert hält sich die Kammer nunmehr für zuständig
und in jeder Hinsicht richtig besetzt. Insbesondere den karnevalistischen Hilfsschöffen
hielt sie für hinreichend entschuldigt. Es wird also weitergehen bei der 12.
Strafkammer. Seitens der Angeklagten kann diese Entscheidung der Kammer nur
noch mit der Revision angegriffen werden.
Nachdem die Strafprozessordnung seit ihrer
letzten Reform Eingangserklärungen zur Anklage in Umfangsverfahren vorsieht
(neudeutsch auch „opening statement“ genannt), wurde Gelegenheit dazu gegeben,
diese abzugeben. Hiervon machten einige Rechtsanwälte Gebrauch, wobei es
Unstimmigkeiten gab hinsichtlich Darstellung und Umfang der Eingangserklärung.
Nachdem die Darstellung weitgehend eine Sache des persönlichen Geschmacks ist,
ist der Umfang bei einer 926-seitigen Anklageschrift sicher größer als bei
einer weniger umfangreichen Anklageschrift, aber es gibt bekanntlich kaum
etwas, was nicht einer kontroversen Diskussion zugänglich ist, erst recht
nicht, wenn es sich um relativ neue Vorschriften handelt, über die es bislang
wenig ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt.
Das Verfahren wird morgen fortgesetzt.
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