Dienstag, 12. März 2019

Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 3. Hauptverhandlungstag


Der Tag begann mit Wortmeldungen zu einem Hinweis der Kammer, diese sei hinsichtlich einer konsensualen Beendigung des Verfahrens grundsätzlich gesprächsbereit. Dem vorausgegangen war eine Anregung eines Verteidigers, das Verfahren zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Es wurden verschiedene Szenarien erörtert, angefangen bei Kostenquotelungen bis hin zu möglichen Entscheidungen zu Fragen der Strafrechtsentschädigung, die letztlich allesamt unkonkret blieben. Es gab zahlreiche Wortmeldungen zur Frage möglicher Gesamt- und Einzellösungen und es ist keine Überraschung, dass der dritte Durchlauf nicht mit dem heutigen Tag beendet war.



Das Gesetz sieht in § 257c StPO sog. Verständigungen vor, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind. Da heißt es, dass Gegenstand der Verständigung nur die Rechtsfolgen sein dürfen, übersetzt also, die Höhe der Strafe. Liest man einen Satz weiter, stößt man auf die Formulierung, dass Bestandteil jeder Verständigung ein Geständnis sein soll. Die ganze Sache beruht also auf einem Geben und Nehmen und wird nicht einfacher, je mehr Angeklagte beteiligt sind. Die Vorschrift, man erkennt ihre noch nicht allzu lange Existenz am Kleinbuchstaben „c“, basiert auf dem Gesetz zur Vereinfachung des Strafverfahrens aus dem Jahre 2009. Hintergrund war es, die bis dahin nicht unüblichen Gespräche im Richterzimmer abzuschaffen, zu denen sich die Beteiligten zusammenfanden um eine für alle Beteiligten gangbare Lösung zu finden und ein Verfahren abzukürzen. Diese Gespräche müssen seit 2009 im Gerichtssaal stattfinden, was grundsätzlich zu begrüßen ist, aber nichts daran ändert, dass man alten Wein in neue Schläuche gefüllt hat. Im Anschluss an die Gespräche ist es dann Sache des Gerichts, bekannt zu geben, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Normalerweise erhalten Staatsanwaltschaft und Verteidigung vom Gericht ein Schriftstück, dem die Eckdaten der Verständigung zu entnehmen sind und keiner am Ende sagen kann, man habe sich missverstanden. Wenn alle Beteiligten mit dem gerichtlichen Vorschlag einverstanden sind, kann ein darauf basierendes Urteil ergehen.



Die weit überwiegende Zahl der Angeklagten hat bislang zu den Tatvorwürfen geschwiegen, derweil der Vorwurf der kriminellen Vereinigung trotz eines Großaufgebots an Zeugen immer mehr bröckelte und nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme des ersten Durchgangs nicht aufrecht zu erhalten sein dürfte. Geständnisse bezogen auf eine kriminelle Vereinigung sind fernliegend und was mögliche Kosten anbelangt, kann es für die Angeklagten dahinstehen, ob sie angesichts der angeblich 30 Millionen Kosten, von denen häufig die Rede ist, im Falle einer Verurteilung die Privatinsolvenz einläuten müssen oder mit 100.000 €.



Demgegenüber interessant war die Diskussion über die den Angeklagten untersagte Nutzung eigener Laptops in der Hauptverhandlung. Das Gericht hat den Angeklagten in einer sitzungspolizeilichen Verfügung zwar die Nutzung von E-Book-Readern gestattet, nicht jedoch von Laptops. Bedingt durch die Aktenmenge gibt es aktuell keinen E-Book-Reader auf dem Markt, auf dem man die Prozessakten speichern könnte. Einen Antrag meines Mitverteidigers und mir, uns zu gestatten, auf Staatskosten eine Kopie des Akteninhalts für den Mandanten anzufertigen und dafür Sorge zu tragen, dass im Saal genügend Platz zur Verfügung steht, diese dort vorzuhalten, war ebenfalls zurückgewiesen worden. Faktisch haben die Angeklagten also während der Hauptverhandlung keine eigene Akte zur Verfügung. Die Frage der Rechtmäßigkeit der sitzungspolizeilichen Verfügung wird in Kürze das Oberlandesgericht beschäftigen.



Nach der Mittagspause verlas die Kammer ihre Entscheidungen zu den erhobenen Besetzungsrügen und wies diese als unbegründet zurück. Grob skizziert hält sich die Kammer nunmehr für zuständig und in jeder Hinsicht richtig besetzt. Insbesondere den karnevalistischen Hilfsschöffen hielt sie für hinreichend entschuldigt. Es wird also weitergehen bei der 12. Strafkammer. Seitens der Angeklagten kann diese Entscheidung der Kammer nur noch mit der Revision angegriffen werden.



Nachdem die Strafprozessordnung seit ihrer letzten Reform Eingangserklärungen zur Anklage in Umfangsverfahren vorsieht (neudeutsch auch „opening statement“ genannt), wurde Gelegenheit dazu gegeben, diese abzugeben. Hiervon machten einige Rechtsanwälte Gebrauch, wobei es Unstimmigkeiten gab hinsichtlich Darstellung und Umfang der Eingangserklärung. Nachdem die Darstellung weitgehend eine Sache des persönlichen Geschmacks ist, ist der Umfang bei einer 926-seitigen Anklageschrift sicher größer als bei einer weniger umfangreichen Anklageschrift, aber es gibt bekanntlich kaum etwas, was nicht einer kontroversen Diskussion zugänglich ist, erst recht nicht, wenn es sich um relativ neue Vorschriften handelt, über die es bislang wenig ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt.



Das Verfahren wird morgen fortgesetzt.

Keine Kommentare: