Mittwoch, 27. Februar 2019

Aktionsbüro Mittelrhein #3 – 2. Hauptverhandlungstag oder: Bitte aufzeichnen


Anders als im letzten Durchlauf gab es dieses Mal keine Diskussionen über die Reihenfolge der zu stellenden Anträge. Die Kammer hatte bestimmt, dass vor Verlesung der Anklage Befangenheitsanträge, Besetzungsrügen und weitere Anträge gestellt werden dürfen und erst im Anschluss daran die Anklage verlesen werden soll. Soweit die Presse also im Anschluss an den gestrigen Tag lamentierte, es sei nicht einmal zur Verlesung der Anklage gekommen, weil die Verteidigung wieder einmal Anträge gestellt habe, geschah dies in völliger Übereinstimmung mit dem Ablaufplan der Strafkammer und es diente der Beschleunigung des Verfahrens bereits dadurch, dass nicht wieder darüber gestritten werden musste, wer welchen Antrag wann stellen darf und ob dies vor oder nach Verlesung der Anklage geschehen soll. Wir erinnern uns: wäre die Kammer beim zweiten Durchlauf der Forderung der Verteidigung, zumindest die Besetzungsrügen (denen sie ja stattgegeben hatte) vorab stellen zu dürfen, nachgekommen, hätte man sich 3 von 5 Hauptverhandlungstagen sparen können.



Bevor es zur Verlesung der Anklage kam, wurden Anträge zur audiovisuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung gestellt. Zwar sieht die Strafprozessordnung bei Verhandlungen vor dem Landgericht einerseits nur ein Inhaltsprotokoll über die sog. wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens vor, andererseits verbietet das Gesetz aber auch keine Aufzeichnungen, die über dieses Mindestmaß hinausgehen.



Um zu verstehen, woran es uns als Verteidigern gelegen war, muss kurz auf einen Unterschied zwischen Verhandlungen beim Amts- und solchen beim Landgericht eingegangen werden. Aussagen von Zeugen, die beim Amtsgericht vernommen werden, werden vom Protokollführer mitgeschrieben und ins Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen, man kann also noch Jahre später nachlesen, was ein Zeuge ausgesagt hat. Beim Landgericht wird hingegen nur aufgenommen: „Der Zeuge bekundet zu Sache.“ Mehr nicht.



Nachdem der erste Durchlauf in diesem Verfahren 337 Hauptverhandlungstage in Anspruch nahm und nach Pensionierung des Vorsitzenden das Protokoll nur bis zum 91. Verhandlungstag fertiggestellt war, konnte sich der nächste dienstälteste Richter, der für die Fertigstellung des Protokolls zuständig gewesen wäre, nicht mehr an wesentliche Dinge aus der Hauptverhandlung erinnern, was angesichts des Zeitablaufs von bis zu 5 Jahren nicht lebensfremd ist. 


Nun basieren Urteile nicht zuletzt auf Zeugenaussagen und es ist misslich, wenn ein Urteil gesprochen werden muss, obwohl die Beweiserhebung schon lange zurückliegt. Es mag Menschen geben, die mit einer Art Inselbegabung ausgestattet sind, die es ihnen erlaubt, auch lange zurückliegende Aussagen zu erinnern. Das Gros der Prozessbeteiligten dürfte über eine solche Gabe nicht verfügen, so dass die Forderung von Verteidigern und nicht selten auch Staatsanwälten nach Aufzeichnung bzw. wörtlicher Protokollierung von Aussagen, durchaus im Interesse der Rechtssicherheit ist, da auf diese Weise der Gefahr begegnet werden kann, dass das Urteil auf unrichtiger Tatsachengrundlage beruht, sei es dadurch, dass die Beweiswürdigung unvollständig, versehentlich falsch oder aus sonstigen Gründen fehlerbehaftet wiedergegeben wird.



Die technischen Möglichkeiten zur Aufzeichnung stehen im Landgericht Koblenz zur Verfügung. Ob das Gericht sie – nicht zuletzt auch im eigenen Interesse – nutzen wird, bleibt abzuwarten. Über den Antrag hat die Kammer noch nicht entschieden.



Die Verhandlung wird am 12.03.2019 fortgesetzt.

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