Mittwoch, 13. März 2019

Aktionsbüro Mittelrhein #3 - 4. Hauptverhandlungstag oder: Der 7. Jahrestag


Nachdem am gestrigen Tag der Vorsitzende einem Verteidiger das Wort entzogen hatte, während dieser dabei war, eine Eingangserklärung nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO abzugeben, stellte der Verteidiger für seinen Mandanten ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden. Die Entziehung des Wortes ist ein scharfes Schwert und muss ultima ratio sein. Der Vorsitzende hatte seine Entscheidung damit begründet, die Eingangserklärung überschreite die Grenzen der Vorschrift.


Die Vorschrift ist noch recht neu und in der Rechtsprechung findet man bislang nicht viel zu ihr. Sie ist im Gegensatz zu manch anderem Gesetzes vom Ausgepauktsein noch weit entfernt. Dass sie im Rahmen der Revision im Wege der Verfahrensrüge über § 338 Nr. 8 StPO überprüft werden kann, dürfte jedoch auf der Hand liegen. Was genau Inhalt der Eingangserklärung sein kann oder darf, wird daher sicher noch Gegenstand von Entscheidungen sein. Dem Wortlaut nach hat sie sich mit der Anklage auseinander zu setzen. Unterstellt man einmal, dass es dem Gesetzgeber nicht lediglich darum gegangen ist, die Verteidigung bzw. den Angeklagten hiermit zu einer frühzeitigen Einlassung zu ermuntern, dann wird man gerade in Verfahren, die nach einer Aussetzung von Neuem beginnen, den Wortlaut nicht überstrapazieren dürfen.


Der Ablehnungsantrag klassifizierte die Entziehung des Wortes als willkürlich und zudem als Ungleichbehandlung. Andere Verteidiger seien mit ihren Erklärungen, die sich ebenfalls nicht nur am Wortlaut der Vorschrift ausgerichtet hätten, nicht unterbrochen worden. Nachdem er die Erklärungen der anderen Verteidiger ebenfalls für sachgerecht hielte, nehme er nicht unzulässigerweise das Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht für sich in Anspruch, sondern besorge die Beschränkung eigener Erklärungsrechte.


Das Gericht hat die Verhandlung trotz Widerspruchs nach § 29 Abs. 2 StPO fortgesetzt.


Wie bereits am Vortag wurde erneut die Untersagung der Nutzung eigener Laptops zugunsten insuffizienter E-Book-Reader thematisiert.


Mein Mandant wies – am 7. Jahrestag seiner Festnahme, der sich eine 666 Tage andauernde Untersuchungshaft angeschlossen hatte – darauf hin, dass es keine Option sei, die Angeklagten darauf zu verweisen, ihre Anmerkungen zur Akte in Schriftform zu Papier zu bringen. Tags zuvor hatte der Vorsitzende geäußert, die Angeklagten könnten versichert sein, dass er sich in ihre Lage hineinversetzen könne. Dies zog mein Mandant in Zweifel. Er, der Vorsitzende, habe keine Vorstellung davon, wie er als Angeklagter sich fühle. Als Angeklagter in einem Verfahren dieser Größenordnung müsse man damit rechnen, sich irgendwann wieder mit Handfesseln auf dem Rücken im Flur der eigenen Wohnung liegend wiederzufinden und es nicht verhindern zu können, dass schriftliche Unterlagen beschlagnahmt würden. Bereits deshalb sei die Nutzung von Laptops unumgänglich.


Dem war nichts hinzuzufügen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass, unterstellt, der Vorsitzende hätte sich in die Lage der Angeklagten hineinversetzen können, er diesen Aspekt nicht auf der Agenda hatte, obwohl gerade er verdeutlicht, wie groß die Einschränkung der Verteidigung ist, wenn ein Angeklagter nicht auf seine eigene digitalisierte Akte zurückgreifen kann. Es ist kein Geheimnis, dass für den Fall, dass die Kammer ihre Haltung in diesem Punkt nicht ändern sollte, die Beschränkung der Verteidigung weiter Thema sein wird.


Noch am Vormittag gab das Gericht den Angeklagten Gelegenheit, sich zur Person und/oder zur Sache zu äußern.


Ein Angeklagter, der sich im ersten Durchgang sowohl Person wie auch zur Sache eingelassen hatte, ließ eine Verteidigererklärung dahingehend abgeben, er widerrufe alle Angaben, die er bisher bei den Ermittlungsbehörden sowie in der Hauptverhandlung gemacht habe und mache von seinem Schweigerecht Gebrauch.


Ein weiterer Angeklagter, der sich seit 2012 in einem Zeugenschutzprogramm befindet und der bereits im ersten Durchgang Angaben gemacht hatte, ließ über seine Anwältinnen erklären, er werde sich im nächsten Hauptverhandlungstermin zur Person und zur Sache einlassen und für Nachfragen durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen. Fragen von Mitangeklagten und deren Verteidigern würden nicht beantwortet.


Die Verhandlung endete noch vor der angedachten Mittagspause. Bis zum voraussichtlichen nächsten Termin am kommenden Dienstag wird das Gericht über den gestellten Befangenheitsantrag zu entscheiden haben.

Keine Kommentare: