Donnerstag, 25. Juni 2009

Suboptimale Belehrungen

Der Termin gestern beim Amtgericht E. versprach spannend zu werden und das nicht nur, weil der Kollege mit der Nelke mit von der Partie war.

Drei Heranwachsenden, allesamt aus gutem familiären Umfeld, war Hausfriedensbruch und versuchter Einbruchsdiebstahl vorgeworfen worden, weil sie abends auf einem Gelände waren, das einer Geisterstadt glich (zerfallene Häuser, eingeworfene Fensterscheiben, leere Stallungen). Einer der Anwohner, der auch als Zeuge aussagte, bezeichnete das Gelände als "Abenteuerspielplatz". Er sei auf die Jungs aufmerksam geworden, weil diese sich laut unterhalten hätten (Anm. d. Verf.: keiner der Einbrecher, die ich bislang verteidigt habe, hatte mit seinen Mittätern lautstark bei der Tatausführung schwadroniert) und als er aus dem Haus getreten sei, seien sie abgehauen. Sie hätten weder etwas in den Händen gehabt noch etwas fallen lassen. Mehr könne er nicht sagen.

Bei der Polizei ausgesagt hatte nur einer der drei Beschuldigten, ein junger Mann mit starker Lese- Rechtschreibschwäche, der ziemlich durch den Wind war und vor Aufregung kaum seinen Namen herausbekam. Sein Verteidiger erklärte, sein Mandant habe seine Vernehmung zwar unterschrieben, nicht aber gelesen. Dies zum einen mangels Können und zum anderen weil er schlicht zu aufgeregt gewesen sei und sich von dem Vernehmungsbeamten unter Druck gesetzt gefühlt habe.
Eingangs der Vernehmung, so kann man in der Akte lesen, bestreitet der Beschuldigte den Tatvorwurf, dann fühlt der Vernehmungsbeamte ihm auf den Zahn und dann soll der Beschuldigte sinngemäß erklärt haben, dass man auf dem Gelände habe Altmetall klauen wollen wenn man welches gefunden hätte. Dieses "Aufdenzahnfühlen" liest sich so: "In der Anzeige steht, dass ihr Altmetall klauen wolltet. Ich habe dir eben den § 46 StGB erklärt. Überlege noch einmal genau!"

Der Polizeibeamte erklärte auf Befragen, dass er selbst die Vernehmung geführt habe. Den § 46 StGB habe er so erklärt, dass das Gesetz vorsehe, dass, wenn man etwas zugebe, man nicht so hart bestraft werde als wenn es einem nachgewiesen würde. Vielleicht hätte er die Vorschrift besser mal durchgelesen, denn eine Ähnlichkeit zwischen Gesetzestext und Erklärung drängt sich einem nicht gerade auf. Auf mein Befragen gab er an, immer ein Wortprotokoll zu führen und was er nicht protokolliert habe, das sei auch nicht gesagt worden. Dann habe er den § 46 StGB also doch nicht näher erläutert, weil davon nichts im Protokoll stehe. Doch, so der Polizeibeamte, das habe er. Dann sei es also falsch, wenn er gerade behauptet habe, was nicht im Protokoll stehe, sei nicht gesagt worden. Jawohl, das sei dann falsch, musste er einräumen. Als er dann noch erklärte, er habe den Beschuldigten dahingehend belehrt, dass dieser schweigen könne oder die Wahrheit sagen solle, hatte keiner mehr Fragen, zumindest nicht an diesen Beamten.

Sein Kollege, der danach vernommen wurde, gab an, dass die Täter vor Ort wie er auch in der Anzeige festgehalten habe, auf Befragen eingeräumt hätten, einen Diebstahl begehen zu wollen. Ob sie belehrt worden seien, wisse er nicht. Er könne sich an eine Belehrung nicht erinnern, aber vielleicht habe ja sein Kollege diese vorgenommen. Dieser Kollege war nicht geladen. Einer Verwertung der Anzeige wurde seitens der Verteidigung widersprochen, denn mal unjuristisch ausgedrückt: man muss schon wenigstens über seine Rechte belehrt werden bevor man den Mund auftut und wenn sie einem keiner sagt, kann das, was man unbelehrt sagt, später nicht verwendet werden.

Ich persönlich hätte ja nichts dagegen gehabt, nochmal ins beschauliche E. zu fahren und auch noch dem dritten Polizisten als Zeugen zu lauschen, aber Richter und Staatsanwältin nahmen den Vorschlag des Kollegen mit der Nelke nach Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO auf, so dass auch ich meinem Mandanten dazu riet, der Einstellung zuzustimmen.

2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Das so etwas überhaupt vor Gericht verhandelt wird. So einen Blödsinn hat doch fast jeder schon mal in seiner Jugend gemacht. Da hätte doch eine verbale Backpfeife vom Staatsanwalt gereicht.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Den Jungs hat das Erscheinen vor Gericht als Strafe gelangt. Im Zuschauerraum saß eine Schulklasse - Höchststrafe. ;-)