Donnerstag, 4. März 2010

Wegen U-Haft nicht erziehungsfähig?

Manchmal frage ich mich, was Kollegen wohl reitet, die, während ein Ermittlungsverfahren gegen einen inhaftierten Vater noch in vollem Gange ist, im Auftrag der Mutter ein komplettes familienrechtliches Szenario vom Zaun brechen.

Schön und gut, wenn der werte Gatte seit 2 Monaten in U-Haft sitzt, Scheidungsantrag zu stellen. Das ist zwar lange vor Ablauf des Trennungsjahres, aber bitteschön. Hier gilt dann wohl der alte Grundsatz "aus den Augen, aus dem Sinn". Das macht zwar den Antrag nicht schlüssiger, sorgt aber immerhin dafür, dass der Inhaftierte nunmehr zumindest ungestraft den Hochzeitstag vergessen darf.

Unlustig für einen einsitzenden Vater wird es aber dann, wenn gleichzeitig noch ein Sorgerechtsverfahren in die Wege geleitet wird in der Absicht, ihm das Sorgerecht zu entziehen. Schlicht den Kopf muss man in diesem Zusammenhang über folgende Argumentation: Der Verfahrensgegner hat erhebliche Straftaten begangen, aufgrund derer er sich derzeit in Untersuchungshaft befindet. Er hat dadurch gezeigt, dass er erziehungsunfähig ist.

Als Verteidiger fragt man sich, ob solch familienrechtlich tätige Kollegen jemals etwas von einer Unschuldsvermutung gehört haben oder ob dieser Teil der Aus- und Allgemeinbildung schlicht an ihnen vorbeigerauscht ist.

Was das Kindeswohl und die Erziehungsfähigkeit angeht:
Untersuchungshaft bedeutet zwar, dass ein Vater faktisch zur Erziehung nicht zur Verfügung steht. Hieraus aber ableiten zu wollen, dass er damit grundsätzlich zur Erziehung ungeeignet ist, geht zu weit. Das sehen erfreulicherweise auch manche Richter so, die derartige Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens aussetzen.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was im Strafrecht gelten mag, muss nicht im Familienrecht gelten.

Mit Ausdrücken wie Unschuldsvermutung werden sie beim Familienrichter nur ein Schmunzeln erzeugen. Beim Familiengerict läuft alles unter dem Diktat des Kindeswohls und das ist ein echtes Problem für den Einsitzenden. Denn auch wenn er formell "unschuldig" ist, sind doch wohl so erhebliche Zweifel an seiner Unschuld entstanden (dringender Tatverdacht), dass man ihn einsperren musste...

Je nach Straftatsvorwurf kann das durchaus schon sorgerechtlich gefährlich werden, zB bei Missbrauchsvorwürfen.

Die Vertagung des Sorgerechtskonflikts ist sicherlich klug, denn die Einwirkungsmöglichkeit vom Knast aus sind ja auch gering.

Dennoch muss man natürlich die verheerende Wirkung auf den Kindsvater nicht vergessen: erst stürzt seine berufliche Welt zusammen, dann wird die Frau untreu und will ihn im Privatleben vernichten. Dazu kommt ja auch meist die mangelnde Gegenwehr aus der U-Haft, denn der Verteidiger wird nicht immer gleich bereit sein Familienrecht auf die Schnelle zu machen.

Taktisch geschickt hat es die Frau auf jeden Fall gemacht; so hat sie den maximalen Schaden ohne großes Zutun erreicht und vermutlich die Verteidigungsbereitschaft des Manns empfindlich geschwächt. War sicherlich gut beraten durch ihren Rechtsbeistand.

Vielleicht spekuliert die Ehefrau ja auf eine Abkürzung des Scheidungsverfahrens durch einen Selbstmord in der U-Haft?

Die Rechtsanwäldin hat gesagt…

"Das sehen erfreulicherweise auch manche Richter so, die derartige Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens aussetzen."

...pro forma?!?!?? - um sich nicht den Anschein der Vorverurteilung zu geben.... .

HHH hat gesagt…

...leider in Scheidungsverfahren häufig zu beobachtende Taktik.
Da meint man, solange die Gegenseite irgendwie angeschlagen ist, durch Abziehen des "vollen Programms" Vorteile herauszuschlagen. Wie bem armdrücken muß sich der Angegriffene "on Top" zurückkämpfen. Führt nur zu verhärteten Fronten und langwierigen Verfahren.
Macht nicht wirklich Spaß...

HHH hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
RA JM hat gesagt…

@ Anonym:
Die in der EMRK verankerte Unschuldsvermutung hat ja auch "nur" Verfassungsrang.

Anonym hat gesagt…

Die Unschuldsvermutung mag Verfassungsrang haben. Die emrk nicht. Diese hat den Rang eines normalen Bundesgesetzes. Nur so zur Info.

Pascal Rosenberg hat gesagt…

@Anonym:

Und deswegen schliesst sie sich für Familienrechtsangelegenheiten also komplett aus? Also das erschließt sich mir jetzt nicht ganz. Aber naja...