Mittwoch, 1. Juli 2009

Entnervt

Heute Morgen beim Schöffengericht: angeklagt sind zwei aus Schwarzafrika stammende Männer, denen das Einschleusen von Ausländern vorgeworfen wird. Beide sprechen nur mäßig deutsch, aber gut englisch, weshalb ein öffentlich bestellter und allgemein vereidigter Dolmetscher für die englische Sprache vor Ort ist.
Nun soll man meinen, dass so jemand in der Lage ist, simultan zu übersetzen. Dem war nicht so. Das Deutsch des Dolmetschers war nicht gut, dafür sein Englisch umso mäßiger. Hätte ihm die Anklageschift nicht in übersetzter Form vorgelegen, würden wir wahrscheinlich jetzt noch in Saal 108 sitzen und seiner Übersetzung lauschen.

Er bekommt das mit dem Vorlesen der Anklage in englischer Sprache noch eben so hin und mir schwant schon, dass seine Übersetzungen weder strafprozessual so vorgesehen noch von den Beteiligten geduldet werden kann. Als dann der Vorsitzende die Angeklagten belehrt und der Dolmetscher dies übersetzen soll, gehts erst recht los: der Dolmetscher radebrecht nur die Hälfte dessen, was der Vorsitzende gesagt hat und vergisst die Stelle zu übersetzen, in der es heisst, dass die Angeklagten auch das Recht haben, zu schweigen.
Protest seitens der Verteidigung, der Oberstaatsanwalt wirkt irritiert, der Vorsitzende runzelt die Stirn und kann sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass er solche Probleme mit Dolmetschern noch nicht erlebt habe.

Um die Verhandlung nicht platzen zu lassen, beschliesst man, es zunächst weiter mit ihm zu versuchen.

Das Klassenziel aber ist erreicht als er während der Einlassung des Mitangeklagten zur Sache ein Gespräch zwischen Verteidiger und Staatsanwalt u.a. darüber, dass die vor der Tür wartende Zeugin die Wahrheit zu sagen hätte, damit übersetzt, dass er dem Angeklagten sagt, ER, also der Angeklagte, müsse vor Gericht die Wahrheit sagen.

Ein Missverständnis, sicher, aber dass es aufgedeckt wurde, ist allein dem Umstand zu verdanken, dass nahezu alle Verfahrensbeteiligten englisch verstehen und sprechen können. Wenn man sich überlegt, wie oft man in Verfahren sitzt, in denen man selbst und auch sonst kein Verfahrensbeteiligter - mit Ausnahme der Angeklagten freilich - die Sprache versteht, für die ein Dolmetscher geladen ist, kommt man ins Grübeln. Bevor man Dolmetscher in Gerichtssäle lässt, sollten sie meines Erachtens zumindest eine Art Crashkurs "Verfahrensrecht" absolviert haben, damit derartige Patzer von vorneherein ausgeschlossen sind. Dann wäre diesem Dolmetscher zumindest aufgefallen, dass das, was er meint verstanden zu haben, nicht zutreffend sein kann und er hätte zumindest nachfragen können.

Souverän beendete der Vorsitzende das Dolmetscherdebakel. Die Sache wurde ausgesetzt und es geht zu einem anderen Zeitpunkt mit einem anderen Dolmetscher weiter.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie kann ein Praktikan bei den vielen Dingen, die zu erzählen weißt, deine Tätigkeit langweilig finden?

Werner Siebers hat gesagt…

Ich kenne da eine Übersetzterin, die kann das alles viel besser. Soll ich die Dir mal empfehlen ????

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Werner: Vielen Dank. Ich habe auch schon überlegt, ob ich Frau Dr. Wichtig vorschlagen soll, sozusagen zur Verschlimmbesserung des Verfahrens. ;-)