Die Versicherung hatte den materiellen Unfallschaden meines Mandanten bis auf einen Betrag von 130 Euro reguliert. Die 130 Euro waren nicht reguliert worden mit dem Argument, der von der Versicherung beauftragte Sachverständige habe einen geringeren Schaden ermittelt. (Das machen die Sachverständigen, die von der Versicherung beauftragt werden, meistens so, denn anderenfalls müssten sie sich andere Auftraggeber suchen.)
Der regulierte Schaden belief sich übrigens auf knappe 2000 Euro, so dass sich die nicht regulierten 130 Euro daneben fast bescheiden darstellen. Für viele nicht anwaltlich vertretene Geschädigte ist dies übrigens ein Grund, sich dem alles andere als frommen Wunsch der Versicherung zu fügen und die Sache nicht weiter zu verfolgen.
Ich habe für den Mandanten die 130 Euro eingeklagt. Unmittelbar, nachdem der Versicherung die Klage zugestellt wurde, rief mich die Sachbearbeiterin an und bat mich, die Klage zurück zu nehmen; sie werde die 130 Euro zahlen. Auch diese Vorgehensweise ist wenig überraschend, denn erstens wissen die meisten Versicherungen, dass die Schadenskalkulation des beauftragten Sachverständigen alles andere als unanfechtbar ist und zweitens scheuen sie aus genau diesem Grunde ein gerichtlich einzuholendes Gutachten zur Frage der Schadenshöhe, das bei einer Differenz von 130 Euro locker das Fünffache kostet. Dann nämlich können aus den gesparten 130 Euro ganz fix mal 1000 Euro und mehr werden. Die Sachbearbeiterin wollte übrigens wissen, warum ich nach der nicht vollständigen Regulierung nicht noch einmal außergerichtlich geschrieben habe. Sie wollte es wirklich wissen! Ich musste es ihr also sagen. Und ich habe es ihr gesagt: ich habe keine Lust auf Brieffreundschaften mit Versicherungen, die mit den immer gleichen Methoden versuchen, die Regulierungssummen klein zu halten. Sie hat dann ebenso schnell wie empört aufgelegt und ich kam nicht dazu,sie im Gegenzug zu fragen, warum sie nicht sofort vollständig reguliert hat.
Enstandene Anwaltskosten der Klage, die zusätzlich zu den 130 Euro zu zahlen sind: 89,25 Euro.
Das ist weit entfernt von wirtschaftlicher Mandatsbearbeitung, bestätigt aber das Sprichwort.
5 Kommentare:
Dieses Vorgehen erlebe ich besonders häufig bei einer bestimmten Versicherung. Nachdem die Klage zugestellt wurde, rufen die direkt an. Vorher gibts nur Standartschreiben, die mit meinen Schriftsätzen nichts zu tun haben. Deshalb klage ich jetzt immer sehr schnell. Alles andere bringt nix.
Keine Ahnung ob sich dieses Vorgehen auif versichererseite finanziell lohnt oder ob es einfach nur an der Unwissenheit der Sachbearbeiter liegt.
Eine Ex-Referendarin, die in der vorherigen Station bei einem großen Versicherer in Hamburg war, hat mir erzählt, dass sie wegen der absoluten Unkenntnis der Sachbearbeiter dort regelmäßig die Hände überm Kopf zusammen geschlagen hat, wenn die dann erst zur Rechtsabteilung kamen, nachdem sie es ordentlich verbockt hatten.
.. und nicht vergessen: Klagerücknahme nur gegen Erledigungsgebühr. ;-)
Und wie sich das für die Versicherer lohnt. Ich denke mal, mindestens 90 Prozent der Geschädigten lassen es einfach auf sich beruhen.
Unverschuldete Verkehrsunfälle sind das Geschäft für Werkstätten, Anwälte etc. Bei meinem letzten Unfall wollte meine Werkstatt auch Teile austauschen, die nie und nimmer durch den Unfall verursacht wurden (Kratzer). Der Gutachter von der Versicherung war bei dem Begehungstermin mehr als großzügig.
Es ist eine Frage der Moral, ob man sich bei Versicherungen ungerechtfertigt bereichern will. Dann aber bitte auch nicht auf Sozialschmarotzer, Banker und Steuerflüchtlinge schimpfen.
Auch wenn eine Klage mehr Gebühren bringt, ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben gehört zum fairen Miteinander dazu. Als Rechtsanwalt verlangt man das ja auch von den Richtern.
Da gäbe es ja noch das Sprichwort
mit dem Wald.
@kj: Das außergerichtliche Aufforderungsschreiben gab es, inklusive Fristsetzung und Klageandrohung. Die Versicherung hätte aber lieber noch eines gehabt.
Kommentar veröffentlichen