Es gibt Momente, da geht einem auch nach 12 Jahren Anwaltstätigkeit noch der Hut hoch.
Kürzlich vertrat ich einen Mandanten in einer Zivilsache. Wie üblich war sein persönliches Erscheinen zum Gütetermin angeordnet. Wir hatten gute Karten und das Gericht regte einen Vergleich an, der die Gegenseite deutlich mehr schmerzte als uns. Da der Gegner sich aber vor Ort nicht dazu durchringen konnte, sich eine abschließende Meinung zu dem Vergleich zu bilden, wurde die Sache vertagt.
Einen Tag später rief mich der Mandant an und wies mich an, die Klage zurück zu nehmen. Ich dachte zunächst, ich hätte mich verhört. Hatte ich aber nicht. Die Erklärung des Mandanten: der Gegner habe ihn nach dem Prozess angesprochen und ihm geraten, die Klage zurück zu nehmen, da sie ohnehin keine Erfolgsaussichten habe.
Nun denn, es macht zwar ganz sicher keinen Sinn, dem Rechtsrat seines Gegners mehr zu vertrauen als dem des eigenen Anwalts, aber man kann die Leute auch nicht zu ihrem Glück zwingen. Ich habe es vorgezogen, dem Mandanten meinen Rat nochmals schriftlich darzulegen und ihn gebeten, eine Nacht über die Sache zu schlafen und mir dann schriftlich mitzuteilen, was ich veranlassen soll. Wer weiß, vielleicht hat er demnächst einen Friseurtermin und der Friseur rät von der Klagerücknahme ab?!
13 Kommentare:
Vergleich nahc 278 VI ZPO war nicht drin?
Nein.
Das Mandantenpack wird echt immer frecher und anspruchsvoller (s. bereits http://nebgen.blogspot.com/2010/09/zahnlos-und-desinteressiert-im.html ). Statt dem Anwalt Vertrauen zu "schenken", wie die deutsche Sprache das so zutreffend nennt, wollen sie immer öfter, dass der Anwalt sich das irgendwie "verdienen" soll. Als ob der Anwalt es nach seiner harten Ausbildung noch nötig hätte, irgendwem irgendetwas zu beweisen. Sollen sie doch sehen, wo sie bleiben!
Hatte der Gegner vielleicht Ihren Mandanten vielleicht mit Hilfe von 5 Freunden "überzeugt"?
@Moneypenny: Vertrauen bekommt man nicht geschenkt. Nichts als Anwalt, nicht als Arzt und nicht als Friseur. Allen drei Professionen ist jedoch gemein, dass der Kunde in der Regel keine Ahnung davon hat, was der Profi tut. Er kann sich aber Vieles erklären lassen, er kann Fragen stellen, sich Zweieinungen einholen etc.. Wenn er es danach gleichwohl vorzieht, etwas zu tun, wozu ihm ein anderer Laie rät, der es sicher nicht gut mit ihm meint, dann muss er in der Tat sehen, wo er bleibt.
Vielleicht sollte sich der Gegenanwalt nochmals mit dem Stichwort "Umgehungsverbot" beschäftigen.
@Anonym: Es war nicht der Anwalt des Gegners, sondern der Gegner selbst, dem mein Mandant sein Vertrauen "schenkte" um es mal mit der Bond-Sekretärin zu sagen. ;-)
Jetzt mal halbwegs im Ernst: Natürlich ist der Mandant mit dem Klammerbeutel gepudert. Ich bezweifele auch gar nicht, dass Sie persönlich dieses größtmögliche Misstrauensvotum - denn das ist es ja - nicht im Mindesten "verdient" haben. Der Fall ist eher symptomatisch für das Misstrauen, das dem Anwaltsstand insgesamt entgegengebracht wird. Aber genau das hat sich der Anwaltsstand insgesamt vielleicht eben doch "verdient" - schon deshalb, weil offenbar kein Anwalt, Sie selbst eingeschlossen, auch nur überlegt, was man zur Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage unternehmen sollte.
@Moneypenny: Dass man sich Gedanken darum macht, zeigt bereits der Umstand, dass man ein solches Misstrauensvotum thematisiert, aber es mag sein, dass es Kollegen gibt, denen bei sowas nicht der Hut hochgeht. Das ist sicher sehr individuell.
Erfreulicherweise handelt es sich aber um Ausnahmen, wenn Mandanten derart aus der Spur geraten. Deren Sturheit ist dann auch individuell, wobei es meist gelingt, sie davon zu überzeugen, dass es nicht wirklich schlau ist, dem Gegner zu vertrauen.
Ich mag mich irren, aber für mich klingt das Ganze so, als ob der Mandant aus irgendwelchen Gründen keine große Lust (mehr) auf eine Klage hatte und daraufhin händeringend nach irgendeiner Begründung für seinen Wunsch nach einer Klagerücknahme suchte. Da kam der Rat vom Prozeßgegner vielleicht gerade recht - falls das Gespräch mit dem Gegner überhaupt tatsächlich stattgefunden hat und nicht nur vorgeschützt wurde.
Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, den Hr. Kollegen mal bei der Kammer zu verpetzen... Wie schon hier erwähnt: § 12 I BORA. Das Strafverteidiger sich gegenseitig teilweise die Knastis abjagen ok, aber das geht ja echt mal gar nicht.
Klingt irgendwie als ob man Sie auf diesem Weg um die Vergleichsgebühr geprellt hat.
@Anonym: Nett, dass Sie sich Gedanken machen, aber keine Sorge. Es gibt mehrere Beklagte und ich konnte den Mandanten immerhin davon überzeugen, nicht gegen alle zurückzunehmen.
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