Donnerstag, 10. September 2009

Das Protokoll und der Wiedererkennungswert

Man sollte meinen, dass Protokollführer, die in der ersten Instanz beim Amtsgericht Dasjenige protokollieren, was Zeugen aussagen, gut und aufmerksam zuhören.

Wenn dann aber aus einem "Christian" ein "Christof" wird, aus einem 60-jährigen Zeugen ein 53-jähriger Zeuge gemacht wird und der Angeklagte mal ein Türke und mal ein Turkmene sein soll, fragt man sich als geneigter Leser der Protokolle, woran es liegen mag, dass derartige Fehler auftreten. Vergleicht man dann noch die Protokolle der einzelnen Zeugenaussagen mit den eigenen (wesentlich ausführlicheren) Mitschriften, überlegt man, ob man nicht in einer ganz anderen Hauptverhandlung saß. Liest man dann aber weiter die Urteilsgründe, in denen die einvernommenen Zeugen zum Teil völlig anders zitiert werden als es aus dem Protokoll hervorgeht, ist man wieder beruhigt, weil zumindest der Richter auch in einer ganz anderen Hauptverhandlung gesessen zu haben scheint.

1 Kommentar:

Die Rechtsanwäldin hat gesagt…

In die Richtung gingen auch meine Beiträge http://rechtsanwaeldin.blogspot.com/feeds/posts/default "Verhör-Techniken - Der weisse Neger Wumbaba" und "Stille-Post-Spiel für Juristen": http://www.jurablogs.com/de/go/verhoer-techniken-weisse-neger-wumbamba-lady-mondegreen-deutschen-gerichten

Schlimm wird's dann u.U. bei inhaltlichen Aussagen bei denen dann auch noch dieses Protokoll nach Jahren dann selbst Beweiswert haben soll ... - und im Gegensatz zur Erinnerung des Betroffenen steht, dessen Gedächtnisleistung aufgrund höheren gekoppelten Emotionalität (siehe aktuelle Ergebnisse der Hirnforschung/Mnemotechnik). Im Gegensatz zu den ganzen "Profis", für die es einer von vielen Fällen sein wird, wird der Betroffene, für den es ohnehin ein eher erinnerliches (einschneidendes) Einzelereignis (vor Gericht) sein wird, wohl besser erinnern, was er denn wie (und warum genau so oder nicht so) gesagt hat.
Außerdem soll ja auch die häufig nicht protokollierte - mal abgesehen von manchem "Fingerzeig" (Ungebührliche Gebühr? OLG Koblenz zum freien Mittelfinger - "Effenberg" - Digitus infamis - digitus imputicus - Stinkefinger) - Körpersprache 80% der Kommunikation ausmachen ... wodurch erst manche eiskalte Lüge, augenzwinkernde Ironie etc. erkennbar wurde oder wird. Das verliert sich dann mit den Jahren, mit denen das geduldige Papier in den Archiven ruht.
Da wird z.B. die antizipierte Namensnennung einer wohl unvermeintlichen Gutachterin mit Quasi-Monopolstellung mit zum Himmel gereckten Händen (wie der Pfarrer bei der Wandlung!) und einem dabei keck zur Seite geneigten Kopf (die sagen sollte: "Na, bin ich/ist mein Tipp gut?") nach Jahren von der Gegenseite zum "Vorschlag" umgwidmet ... . Ein weitaus preiswerteres (auch bei der Archivierung) Video-Protokoll könnte da sicher geschwind einer solch kreativen Erinnerung Abhilfe schaffen ... .