Mein Mandant hatte einen Diebstahl zu seinem Nachteil zur Anzeige gebracht. Die Polizeibeamten hielten die Tat für vorgetäuscht. Mein Mandant wurde als Zeuge geladen. Er wurde ausweislich der Akte auch als Zeuge belehrt.
Seine Vernehmung beginnt mit dem Vermerk: "Ich wurde darauf hingewiesen, dass zumindest teilweise Zweifel an der Tat (...) bestehen. (...) Ich möchte die anstehenden Fragen beantworten und die vorhandenen Zweifel ausräumen."
Zu keinem Zeitpunkt in der weiteren Vernehmung wird mein Mandant als Beschuldigter belehrt. Als Beschuldigter hätte er im Gegensatz zu einem Zeugen das Recht gehabt, umfassend zu schweigen.
In der Hauptverhandlung erreicht die Sache ihren vorläufigen Höhepunkt. Ich hatte der Verwertung der Aussage meines Mandanten widersprochen im Hinblick auf die fehlende Belehrung. Das Gericht sah die Sache genauso, befragte den Polizeibeamten allerdings zu der "Zeugenvernehmung". Es sei doch klar gewesen, so der Richter, dass man einen Verdacht gehabt habe, weshalb man denn dann nicht den Zeugen als Beschuldigten belehrt hätte. Dies, so der Polizeibeamte sinngemäß, habe er zwar überlegt, dann jedoch wieder verworfen zugunsten einer Belehrung nach § 55 StPO. Er habe meinen Mandanten schließlich darauf hingewiesen, dass er nichts sagen müsse, was ihn selbst belaste.
Der Vorsitzende, der sichtlich verärgert über diese Vorgehensweise schien, versuchte dem Zeugen begreiflich zu machen, dass sobald man einen Verdacht gegen einen Zeugen hege, dieser als Beschuldigter zu belehren sei. Eine Ermessensentscheidung danach, ob der Zweifel oder der Verdacht groß genug sei, habe man nicht zu treffen.
Wollen wir hoffen, dass die mahnenden Worte auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Falsche Belehrungen durch Polizeibeamte sind nicht an der Tagesordnung. Solche, die sich dann auch noch anhand der Akte nachvollziehen lassen, haben Seltenheitswert.
1 Kommentar:
Da kennt sich der Polizist aber offenbar besser aus als Sie (und als der Strafkammervorsitzende, falls Sie den hier richtig zitieren).
Vgl. BGH, Urt.v. 8.12.2008 - 4 StR 455/08 sub II.1.a): "Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f. [BGH 22.05.1990 - 4 StR 112/90]; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO)."
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