Mittwoch, 4. Februar 2009

Die Zeugin der Staatsanwaltschaft

Ich hatte alles gegeben um die Schwester meines Mandanten, die zunächst im Zuschauerraum saß und durch sinnfreie und damit gefährliche Einwürfe glänzte, mundtot zu machen. Im Zuge dessen hatte ich auch vorgetragen, sie komme als Zeugin in Betracht, was den Richter dann veranlasste, sie aus dem Saal zu bitten. Gegen Ende des ersten Verhandlungstages fragte mich dann der Richter, ob er denn die Schwester zum nächsten Termin laden solle und falls ja, zu welchem Beweisthema. Ich lehnte dankend ab. Mein Ziel hatte ich erreicht, die Zeugin saß auf dem Flur.
Bedauerlicherweise hatte die Staatsanwaltschaft die Schwester im Nachgang benannt, wohl weil sie sich von dieser eine meinen Mandanten belastende Aussage erhoffte. Schon auf dem Flur grinst mich die Zeugin triumphierend an und winkt mit einer Ladung. Mir schwant nichts Gutes. Sie ist als Erste dran und macht natürlich nicht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Der Richter fragt sie genüsslich, was sie denn von meinem Mandanten berichten könne. Die Zeugin beginnt mit dem Zeitpunkt als mein inzwischen 38-jähriger Mandant 18 Monate alt war und mit seinen Eltern und Geschwistern aus der Türkei einreiste. "Der Richter wird sie schon einbremsen", denke ich mir, aber der Richter denkt nicht daran. Die geneigte Zuhörerschaft erfährt sodann den weiteren Werdegang meines Mandanten, die Schulzeit, die Ausbildung, wie die Eltern und die sonstigen Geschwister in Deutschland zurecht kamen, wer inzwischen wie Fuß gefasst hat, wo arbeitet, wieviele Kinder hat, wieviele Freundinnen mein Mandant hatte, dass es ihm an Mutterliebe gefehlt habe (an dieser Stelle beginne ich, in meiner Handtasche nach einer Nagelfeile zu fahnden, die ich leider nicht finde und vertreibe mir die Zeit daher mit abstrakten Kritzeleien auf dem Aktendeckel), wie oft man in der Türkei Urlaub macht, bei welchen Firmen mein Mandant gearbeitet hat und vieles mehr. Was mein Mandant denn in jüngster Zeit so gemacht habe, will der Richter dann wissen. Hier folgt eine Beschreibung seiner Wohnung, seiner Freundin, seines Tagesablaufs, der Häufigkeit seiner Besuche bei ihrer Familie unter besonderer Hervorhebung des Umstandes, dass sie freilich immer für ihn da sei, auch jetzt, da er sich in Haft befinde. Ob sie meinem Mandanten denn zutraue, dass er ihren Sohn bestohlen habe. Ich bin gerade dabei, die Frage zu beanstanden, da tönt die Zeugin, dass sie meinem Mandanten das nie und nimmer zutraue, er das gar nicht nötig habe und er überhaupt ein ganz Netter sei. Ich beende meine Ausführungen, grinse den Staatsanwalt an und finde die Zeugin plötzlich sehr sympatisch. Keiner hat mehr Fragen an die Zeugin. Schade eigentlich, wo ich ihr doch so gerne zugehört hatte.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Ich hatte alles gegeben um die Schwester meines Mandanten..." Oh ha, Abgründe tun sich auf - aber nein, da fehlt nur ein Komma. ;-)

Alfred hat gesagt…

"die zunächst im Zuschauerraum saß und durch sinnfreie und damit gefährliche Einwürfe glänzte"

- klingt ja ganz wie bei Richterin Salesch von SAT1, aber Sie schreiben ja von einem Richter...

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Alfred: Diese Gerichtssendungen tragen m.E. viel dazu bei, dass bei den Zuschauern, die an einer "echten" Verhandlung teilnehmen, der Eindruck entsteht, sie könnten sich jederzeit lautstark zu Wort melden.