Es gibt Situationen mit Seltenheitswert. Gestern habe ich es nach über 10 Jahren Strafverteidigung zum ersten Mal erlebt, dass ein Vorsitzender sich im Rahmen der Urteilsbegründung bei der Verteidigung für den guten Umgang miteinander bedankte.
Dem vorausgegangen waren 22 Hauptverhandlungstage in einem Wirtschaftsstrafverfahren, in dem den Angeklagten Insolvenzstraftaten, Verstöße gegen das KWG, gewerbsmäßiger Betrug sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt vorgeworfen worden waren.
Während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung zeigte sich die Kammer fair gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Das Terminsgerangel, das man bisweilen von anderen Strafkammern kennt, blieb aus. Wenn es Terminskollisionen gab, wurde kurzfristig per Telefon eine gemeinsame Lösung gesucht und gefunden. Die Verhandlungsatmosphäre kippte selbst dann nicht, wenn gegenläufige Rechtsansichten vertreten wurden und die Befragung der Zeugen geschah mit Augenmaß. Den Dank kann man daher auch aus Sicht der Verteidigung nur erwidern.
Die Staatsanwaltschaft hatte für meinen Mandanten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert. Erfreulicherweise schloss sich das Gericht meinem Antrag an und verurteilte meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten mit Bewährung. Mein Mandant hatte durch ein frühzeitiges Geständnis sowie die von ihm geleistete Schadenswiedergutmachung gezeigt, dass er sich eine Bewährungschance verdient hat. Nachdem er keine Freiheitsstrafe verbüßen muss, wird er auch weiterhin bei seinem Arbeitgeber beschäftigt bleiben und in der Lage sein, die monatlichen Raten an seine Gläubiger weiter bedienen zu können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
1 Kommentar:
Bei Wirtschaftsstrafsachen wird heute noch verhandelt? Dann kanns ja nicht besonders scdhlimm gewesen sein ;)
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