Der
dritte Hauptverhandlungstag war nur bis 14 Uhr angesetzt und drehte sich die
ersten Stunden um die Reihenfolge der anstehenden Prozesshandlungen. Die
Verteidiger hatten eine Vielzahl von Anträgen angekündigt, namentlich
Besetzungsrügen, Ablehnungsanträge, Aussetzungsanträge sowie
Eingangserklärungen (sog. „Opening Statement“) nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO.
Eingangserklärungen zur Anklage gibt es erst seit der Reform des
Strafprozessrechts 2017. Sie sind nur in Umfangsverfahren vorgesehen und sollen
nach dem Wortlaut des Gesetzes vor der Vernehmung des Angeklagten erfolgen und
nach Verlesung der Anklage. Besetzungsrügen müssen zwingend vor Vernehmung des
ersten Angeklagten zur Sache erfolgen, damit sie nicht verspätet und damit
unbeachtlich sind, § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO. Ablehnungsanträge müssen in
laufender Hauptverhandlung unverzüglich gestellt werden, § 25 Abs. 2 StPO bzw.
bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse,
§ 25 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Man
sieht: alles wichtig, alles eilig und jeder wollte als Erster zu Wort kommen. Je
nachdem, welcher Verteidiger welchen Antrag im Köcher hatte, sprach sich für
den Vorrang dessen aus, so dass die Frage der Reihenfolge in den Reihen der
Verteidigung keineswegs konsensual diskutiert wurde. Die Kammer legte letztlich
die Reihenfolge dahingehend fest, dass zunächst die Befangenheitsanträge zu
stellen waren.
Bevor
es jedoch hierzu kam, wurde der am Vortag von zwei Staatsanwälten verlesene
Anklagesatz kritisch beleuchtet. Dieser wurde nicht so verlesen, wie er im Mai
2012 zugelassen worden war, sondern in modifizierter Form. Die Modifikationen
waren dem Umstand geschuldet, dass sich die Anklage ursprünglich gegen 26
Personen richtete, von denen inzwischen 10 aus dem Verfahren ausgeschieden
sind. Die Ausgeschiedenen waren salopp als „Zeugen“ klassifiziert worden. Eine
prozessuale Begründung zu dieser Verfahrensweise war nicht angeführt worden. Die Kammer gab zu erkennen, sich im Rahmen
von zu erteilenden Hinweisen hierzu positionieren zu wollen.
Dass
der Anklagesatz seiner Formulierung nach nicht klar hervorbrachte, dass es sich
hierbei nicht um einen feststehenden Sachverhalt handelt, sondern lediglich um
einen erst noch aufzuklärenden Sachverhalt, war Gegenstand eines Befangenheitsantrages
gegen die Schöffen und Hilfsschöffen. Die suggestiven Formulierungen des
Anklagesatzes führten dazu, dass sich bei den Laienrichtern zumindest unterbewusst
festsetze, alles habe sich exakt so ereignet wie verlesen mit der Folge, dass
die Schöffen den Angeklagten nicht mehr vorbehaltlos gegenüberstünden. Diesem
Antrag schlossen sich die übrigen Angeklagten mehrheitlich an.
Weitere
Ablehnungsgesuche waren gegen einen Richter gerichtet, der gleichzeitig
Mitglied des Präsidiums ist und an einer Entscheidung über eine im Vorfeld zur
Hauptverhandlung erhobene Besetzungsrüge beteiligt war sowie gegen den Vorsitzenden.
Dieser sei Mitglied der SPD und habe sich an einer Unterschriftenaktion zur
Umbenennung des „Palandt“ (ein zivilrechtlicher Standardkommentar, benannt nach
Otto Palandt) beteiligt.
2 Kommentare:
Also das mit der Befangenheit von Schöffen weil der Anklagesatz nicht herausstellt, dass es um einen Vorwurf und nicht um einen feststehenden Sachverhalt ist schon originell. Sollen Mordanklagen künftig so gefasst werden: "erstach der Angeklagte vielleicht oder vielleicht auch nicht den X. Oder es könnte auch ganz anders gewesen sein."??? Der Anklagesatz beginnt doch immer mit der Einleitung: "legt zur Last" und damit ist jedem, der hören und denken kann klar, dass das ein Vorwurf ist.
Ebenso wie ich als Zivilanwalt erst einmal die "unbewiesenen" Behauptungen aufstelle zB dass mein Mandant ein Darlehen gewährt und gekündigt hat oder dass der Tacho des gekauften Autos manipuliert und der Verkäufer das arglistig verschwiegen hat
Wir sind hier aber nun einmal nicht im Zivilrecht. Was das Mordbeispiel anbelangt, gebe ich Ihnen Recht, aber hier liegen die Dinge anders. Auch und gerade eine objektive Behörde sollte sich sprachlich um Korrektheit bemühen.
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