Der zweite Tag im zweiten Durchgang begann mit deutlich weniger Pressebeteiligung als der erste Tag. Gerade einmal zwei Journalisten hatten sich eingefunden.
Erfreulich war der Besuch einer Schöffin
aus dem ersten Durchgang der Hauptverhandlung, die von vielen
Verfahrensbeteiligten freudig begrüßt wurde.
Ebenso erfreulich wie souverän die
Ansage des Vorsitzenden, dass die Verfahrensbeteiligten sich nur zu Beginn des
jeweiligen Hauptverhandlungstages zu erheben haben. In Koblenz entspricht es
den Gepflogenheiten, dass bei jedem Eintreten des Gerichts einer der anwesenden
Justizwachtmeister ruft „Bitte aufstehen!“, was vielfach dazu führt, dass sich
tatsächlich alle erheben. Ich hatte mich an anderer Stelle schon einmal darüber
ausgelassen, dass Bewegung zwar guttut, aber eben keine Verpflichtung zum Auf und Nieder besteht.
Die Zeit bis zur Mittagspause wurde
gefüllt mit Anträgen und Diskussionen über den Gang der Hauptverhandlung.
Nachdem die Verteidigung bereits am ersten Hauptverhandlungstag Besetzungsrügen
sowie Aussetzungs- und Befangenheitsanträge angekündigte hatte, wäre nach
Feststellung der Personalien der Angeklagten nun der Zeitpunkt gewesen, diese
anzubringen. Demgegenüber ordnete der Vorsitzende an, dass die Anklageschrift
verlesen werden solle. Angesichts des Umfangs der Anklageschrift (926 Seiten,
der in der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft zu verlesende Teil
beträgt knapp 70 Seiten) wäre es aus Gründen der Prozessökonomie durchaus
sinnvoll gewesen, zunächst die angekündigten Anträge stellen zu lassen. Bis dann über die Widersprüche der
Verteidigung zur beabsichtigten Vorgehensweise des Vorsitzenden entschieden war und
auch die Gegenvorstellungen angebracht waren, hätten einige der Anträge sicher
schon Gehör finden können, so aber trat eine gewisse Überlänge ein durch die
Unterbrechungen, in denen die Kammer ihre Beschlüsse fassen mussten.
Als eine Art Nebenkriegsschauplatz sei die
Diskussion um das Namensschild eines Verteidigers erwähnt. Im ersten Durchgang
hatte ein Angeklagter, gelernter Schreiner und infolge der Terminierungsdichte freilich arbeitslos, Namensschilder aus Holz für einige Rechtsanwälte und
Angeklagte angefertigt. Ein Rechtsanwalt hatte dieses Schild an seinen Platz
vor das seitens der Justiz angefertigte Plastikschild gestellt und wurde vom Vorsitzenden
aufgefordert, dieses zu entfernen, da es „irritierend“ sei. Der Kollege verwies
auf die Historie des Schildes - für ihn führe das erste Schild – und machte
keine Anstalten, es abzuräumen. Tatsächlich spricht mehr für als gegen die
handgearbeiteten Schilder. Im Gegensatz zu den Holzschildern enthalten die
Plastikschildchen Schreibfehler, akademische Grade werden weggelassen und
manche sind vergilbt oder defekt. Ich überlege, mir auch so ein Schild
zuzulegen, schrecke allerdings ob der Länge meines Namenszuges davor zurück,
schließlich müsste ich das Massivholzteil ja auch transportieren. Davon ab
befürchte ich, dass es den vorgesehenen Zweck nicht wird erfüllen können. Wir,
also Kollege Siebers und ich, sitzen in der fünften von sieben Reihen.
Es darf bezweifelt werden, dass die Richterbank ab Reihe 3 überhaupt noch ein
Schild – ob Holz oder Plastik ist gleichgültig – entziffern kann.
Obwohl die Kammer trotz der erheblichen
Einwände der Verteidigung nicht bereit war, von ihrer vorgegebenen Reihenfolge
abzusehen, wurde am Nachmittag der Anklagesatz verlesen und zwar stellenweise
gleich mehrfach, weil ein Anwalt eingenickt war. Das Gesetz sieht vor, dass ein
Angeklagter in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verteidigt sein muss
und dazu muss dessen Anwalt nicht nur körperlich anwesend sein. Sämtliche
Verfahrenshandlungen, die in Abwesenheit eines notwendigen
Verfahrensbeteiligten vorgenommen werden, müssen wiederholt werden, so auch
hier die verschlafenen Teile des Anklagesatzes.
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