Mittwoch, 24. Oktober 2018

Aktionsbüro Mittelrhein - 2. Hauptverhandlungstag


Der zweite Tag im zweiten Durchgang begann mit deutlich weniger Pressebeteiligung als der erste Tag. Gerade einmal zwei Journalisten hatten sich eingefunden.
Erfreulich war der Besuch einer Schöffin aus dem ersten Durchgang der Hauptverhandlung, die von vielen Verfahrensbeteiligten freudig begrüßt wurde. 

Ebenso erfreulich wie souverän die Ansage des Vorsitzenden, dass die Verfahrensbeteiligten sich nur zu Beginn des jeweiligen Hauptverhandlungstages zu erheben haben. In Koblenz entspricht es den Gepflogenheiten, dass bei jedem Eintreten des Gerichts einer der anwesenden Justizwachtmeister ruft „Bitte aufstehen!“, was vielfach dazu führt, dass sich tatsächlich alle erheben. Ich hatte mich an anderer Stelle schon einmal darüber ausgelassen, dass Bewegung zwar guttut, aber eben keine Verpflichtung zum Auf und Nieder besteht.

Die Zeit bis zur Mittagspause wurde gefüllt mit Anträgen und Diskussionen über den Gang der Hauptverhandlung. Nachdem die Verteidigung bereits am ersten Hauptverhandlungstag Besetzungsrügen sowie Aussetzungs- und Befangenheitsanträge angekündigte hatte, wäre nach Feststellung der Personalien der Angeklagten nun der Zeitpunkt gewesen, diese anzubringen. Demgegenüber ordnete der Vorsitzende an, dass die Anklageschrift verlesen werden solle. Angesichts des Umfangs der Anklageschrift (926 Seiten, der in der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft zu verlesende Teil beträgt knapp 70 Seiten) wäre es aus Gründen der Prozessökonomie durchaus sinnvoll gewesen, zunächst die angekündigten Anträge stellen zu lassen.  Bis dann über die Widersprüche der Verteidigung zur beabsichtigten Vorgehensweise des Vorsitzenden entschieden war und auch die Gegenvorstellungen angebracht waren, hätten einige der Anträge sicher schon Gehör finden können, so aber trat eine gewisse Überlänge ein durch die Unterbrechungen, in denen die Kammer ihre Beschlüsse fassen mussten. 

Als eine Art Nebenkriegsschauplatz sei die Diskussion um das Namensschild eines Verteidigers erwähnt. Im ersten Durchgang hatte ein Angeklagter, gelernter Schreiner und infolge der Terminierungsdichte freilich arbeitslos, Namensschilder aus Holz für einige Rechtsanwälte und Angeklagte angefertigt. Ein Rechtsanwalt hatte dieses Schild an seinen Platz vor das seitens der Justiz angefertigte Plastikschild  gestellt und wurde vom Vorsitzenden aufgefordert, dieses zu entfernen, da es „irritierend“ sei. Der Kollege verwies auf die Historie des Schildes - für ihn führe das erste Schild – und machte keine Anstalten, es abzuräumen. Tatsächlich spricht mehr für als gegen die handgearbeiteten Schilder. Im Gegensatz zu den Holzschildern enthalten die Plastikschildchen Schreibfehler, akademische Grade werden weggelassen und manche sind vergilbt oder defekt. Ich überlege, mir auch so ein Schild zuzulegen, schrecke allerdings ob der Länge meines Namenszuges davor zurück, schließlich müsste ich das Massivholzteil ja auch transportieren. Davon ab befürchte ich, dass es den vorgesehenen Zweck nicht wird erfüllen können. Wir, also Kollege Siebers und ich, sitzen in der fünften von sieben Reihen. Es darf bezweifelt werden, dass die Richterbank ab Reihe 3 überhaupt noch ein Schild – ob Holz oder Plastik ist gleichgültig – entziffern kann.

Obwohl die Kammer trotz der erheblichen Einwände der Verteidigung nicht bereit war, von ihrer vorgegebenen Reihenfolge abzusehen, wurde am Nachmittag der Anklagesatz verlesen und zwar stellenweise gleich mehrfach, weil ein Anwalt eingenickt war. Das Gesetz sieht vor, dass ein Angeklagter in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verteidigt sein muss und dazu muss dessen Anwalt nicht nur körperlich anwesend sein. Sämtliche Verfahrenshandlungen, die in Abwesenheit eines notwendigen Verfahrensbeteiligten vorgenommen werden, müssen wiederholt werden, so auch hier die verschlafenen Teile des Anklagesatzes.

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