Dienstag, 2. November 2010

Keine Auswechslung wegen fehlender Vollmacht

Ein Amtsrichter schreibt mir, dass eine Auswechslung des Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt, da ich meine Wahlverteidigung nicht durch Vorlage einer Vollmacht nachgewiesen hätte.

Ich stehe nun vor der Grundsatzfrage, ob der Amtsrichter und ich eine Brieffreundschaft begründen sollen, ich einfach als Wahlverteidiger zu dem Termin anrücke oder ihm kommentarlos die Vollmachtsurkunde auf´s Fax lege.

Egal, wie ich mich entscheiden werde, die Verhandlung wird - wie üblich bei diesem Gericht - prozessual interessant werden.

6 Kommentare:

Gerd hat gesagt…

Antwort: "Na und? Sie haben mir Ihr Amt doch auch nicht durch eine Ernennungsurkunde nachgewiesen..."

Noch drolliger finde ich es immer, wenn z.B. Versicherungen auf Vorlage einer Vollmacht bestehen. Ich frage dann immer beim Vorgesetzten des Vollmachtsverlangers nach, ob der Mitarbeiter schriftlich bevollmächtigt ist, eine schriftliche Vollmacht von mir zu verlangen und ob ich diese Vollmacht bitte sehen könnte. Das hilft meistens. Selbst nur privatrechtlich angestellt, aber von anderen eine Vollmacht sehen wollen...

RA JM hat gesagt…

Als bekennender Vollmachtsvorlageverweigerer würde ich ja bei der Linie bleiben - und den Mandanten ggf. im Hauptverhandlungstermin erklären lassen, wer sein Wahlverteidiger ist. Wenn das Gericht das Entstehen der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG für den Pflichti denn unbedingt riskieren will. ... ;-)

Oder ist das nicht mehr „demnächst" i.S. § 143 StPO?

RA Will hat gesagt…

Mich wollte der Haftrichter mal aus seinem Büro werfen lassen, weil ich keine Vollmacht zu der Akte reichen wollte. Die Versicherung des neben mir sitzenden Mandanten reichte ihm nicht. Ohne Vollmacht hätte ich in seinem Büro nix verloren. Sprachs und rief in der Wachtmeisterei an um mich "entfernen" zu lassen.

Was macht man dann, mit einem 19-jährigen, Rotz und Wasser heulenden Mandanten neben sich, der gerade wegen versuchten Totschlags festgenommen wurde?

Ich bin mir nicht treu geblieben und habe dem Richter die Vollmacht gegeben. Dem Mandanten zuliebe.

Anja hat gesagt…

@RA Willi

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann auch mit der Bitte begründet werden, der Richter möge seiner Fortbildungspflicht nachkommen und sich hinsichtlich der aktuellen Rechtsprechung auf dem neuesten Stand halten. Wenn man ganz böse sein will, kann man auch formulieren: "Von einer Strafanzeige wegen Verdachts der Rechtsbeugung habe ich abgesehen, weil ich ein vorsätzliches Handeln des Herrn RiAG nicht zu erkennen vermag, sondern zu seinen Gunsten davon ausgehen möchte, daß ihm in Vernachlässigung seiner Fortbildungspflichten lediglich die seit Jahrzehnten einhellige Rechtsprechung der Obergerichte nicht bekannt ist (es folgen 137 Literatur- und Rechtsprechungsnachweise). Ich bitte Herrn RiAG gemäß § 26 Abs. 2 DRiG insoweit zur ordnungsgemäßen Erledigung seiner Dienstgeschäfte anhalten zu wollen."

kj hat gesagt…

Wo liegt eigentlich das Problem sich eine schriftliche Vollmacht geben zu lassen und eine Kopie dem Gericht oder der Versicherung zu übergeben. Wo liegt der Vorteil der Verweigerung. Ego?

Es gibt doch genügend Anwälte die sich später darauf berufen, die Vollmacht habe dies oder das nicht umfasst.

Als Versicherung würde ich den Geschädigten anschreiben, ob er den RA X Vollmacht und in welchen Umfang erteilt hat, weil er keine schriftliche Vollmacht einreichen will, wie es andere Anwälte tun.
Macht für den Mandant auch nicht so einen dollen Eindruck.

Muss eigentlich der Mandant bei einer Verurteilung nicht Pflichtverteidiger für den ersten Termin als auch Wahlverteidiger bezahlen? Wäre auch nicht so doll.
Dem Richter dürfen die Kosten regelmäßig egal sein.

Das Vorgehen des Haftrichters bei RA Will finde ich aber auch albern.

Gerd hat gesagt…

Das Problem liegt darin, daß das Vollmachtsverlangen oftmals schikanös ist. Wenn eine Versicherung monatelang mit einem verhandelt und dann plötzlich eine Vollmachtsurkunde begehrt, wenn der Richter oder Staatsanwalt, der einen seit Jahren kennt und noch nie Anlaß hatte, an der Wirksamkeit einer Bevollmächtigung zu zweifeln, plötzlich aus heiterem Himmel eine Vollmachtsurkunde verlangt (z.B. nach (!) gewährter Akteneinsicht), frage ich mich, was das soll.

Das wäre genauso, als schriebe ich den Präsidenten des Amtsgerichts an, um zu fragen, ob Herr XY denn tatsächlich Richter sei, ob man mir vielleicht einmal die Ernennungsurkunde vorlegen könnte?

Dort wo das Gesetz oder die Rechtsprechung nicht ausdrücklich die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt (z.B. in der VwGO), stellt sich dieses Begehren als rechtswidrig und schikanös dar.