Dienstag, 18. Mai 2010

Schussfeste Referendarin

Ich verteidige heute in einem Verfahren vor dem Landgericht B., in dem meinem Mandanten sexueller Missbrauch vorgeworfen wird.

In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden am gestrigen Tag fragte ich, ob er etwas dagegen habe, wenn ich meine Referendarin zu Ausbildungszwecken mitbringe. Er verneinte dies, fragte dann aber, ob sie wisse, worum es in der Sache gehe, nicht, dass das zuviel für sie sei.

Der umsichtige Vorsitzende kennt sie nicht, meine Referendarin, die unerschrockene Frau R.. Die kennt dafür aber nicht nur diese, sondern auch viele andere Akten mit zum Teil schweren Tatvorwürfen, die ihr bislang weder die Schamröte ins Gesicht getrieben noch die Sprache verschlagen haben. Deshalb versichere ich ihm, dass sie durchaus schussfest ist.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da kann nicht vorsichtig genug sein. Man glaubt es manchmal nicht, wie unbedarft manche Referendare mit ihren 25 bis 30 Jahren noch sind. Insbesondere wenn sie aus "gutem Hause" und der Provinz kommen und Strafrecht bislang nur pflichtschuldig absolviert haben. Für die ist schon sexueller Mißbrauch, wenn man ihnen eine einschlägige Akte zur Bearbeitung vorlegt.

Also bekommen Kandidatinnen im gestickten Blüschen von mir normalerweise nur Ladendiebstähle und Umweltdelikte vorgelegt. Das empört sie schon genug...

Anonym hat gesagt…

... und ich dachte schon, Sie verteidigen den Angeklagten T. vor dem LG K.

;-)

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Anonym 1: Das sind dann die Leute, die ich "Käseglöckner" nenne, weil sie offenbar unter eine Käseglocke großgeworden sind. Kann man nicht wirklich in einer strafrechtlich orientierten Kanzlei gebrauchen.
@

Mausflaus hat gesagt…

sollte jmd der in diesem beruf arbeiten will, nicht sinnvollerweise auch mal mit was "Hartem" konfrontiert werden? das referendariat soll ja schließlich auf den Beruf vorbereiten

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Mausflaus: Man muss doch nicht Strafverteidiger werden. Schauen Sie, es gibt so viele "unblutige" und besser geeignete Rechtsgebiete für die eher sensitiven Typen: Verwaltungsrecht, Baurecht, Mietrecht... da begegnen einem gemeinhin weder Leichen noch "Untenrumsachen". Das ist nun mal nicht jedermanns Sache und daran ändert auch die beste Ausbildung wahrscheinlich nichts.

Werner Siebers hat gesagt…

Ich erinnere mich immer wieder gern an eine Auszubildende, die die ehrenvolle Aufgabe hatte, eine Ermittlungsakte zu kopieren, von der ich nicht wusste, mit welcher beneidenswerten Akrebie und wie sagenhaft kunstvoll ein Fotograf den Schusskanal bei einer Erschossenen fotografiert hatte.

Erst die Leiche im Wald, dann die Leiche auf dem Tisch, dann das Einschussloch in Makro und Farbe, dann der Kopf ohne Haare, dann der Kopf ohne Schädeldecke, dann das Gehirn auf dem Tisch, dann der Schnitt durch das Gehirn entlang des Schusskanals.

Das arme Mädchen kotzt vermutlich heute noch, wenn sie daran denkt.

Man kann nicht jedem alles geben!

Kopfgedanken hat gesagt…

Also ich finde es gut, wenn Referendaren die Möglichkeit gegeben wird auch mal "härtere Sachen" zu bearbeiten/ mit zu bearbeiten. Die Eignung und den Willen natürlich vorausgesetzt.

Das bietet nicht jeder RA an. Von daher...find ich gut!