Freitag, 8. Januar 2010

Schreiben Sie Ihre Einlassung selbst

Es ist schon erstaunlich, wie manche Kollegen meinen, dass Verteidigung funktioniert. Gestern konsultierte mich ein Mandant, der zunächst einen Kollegen mit seiner Verteidigung bevollmächtigt hatte.

Der macht zunächst mal alles richtig, rät zum Schweigen und fordert die Akte an. Danach aber wird es originell:

Der Mandant erhält eine Art Aktenauszug, wobei Namen und Daten der Personen, die als Zeugen vernommen wurden (diese stehen idR ganz oben auf den Blättern) abgeschnitten wurden. Erläutert wird dies damit, dass "es mir verboten ist, an einen Beschuldigten Namen und Adresse der vernommenen Zeugen weiterzugeben".
Zudem wird dazu aufgefordert "selbst eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu verfassen, damit ich diese an die Staatsanwaltschaft übermitteln kann."

Das kommt dem Mandanten - zu Recht - seltsam vor und er tut das einzig Richtige: er kündigt das Mandat.

5 Kommentare:

RA JM hat gesagt…

Es war aber kein Prekariats-Discount-Anwalt, oder ? ;-)

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@RA JM: Nein. Unfug gibt´s auch jenseits des Discounts. ;-)

Anonym hat gesagt…

Es gibt durchaus Mandanten, denen ich die Anschriften der Zeugen auch nicht mitteile, wenn ich den Eindruck habe, das könnte in Bälde einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr zur Folge haben. Kommt immer auf den Mandanten und den Vorwurf an. Bei Ladendieben sicher Unsinn, bei brutalen Erpressern und Vergewaltigern erwägenswert.

Anonym hat gesagt…

Wäre ja auch unwürdig, wenn der Kollege seine bisher erbrachte Glanzleistung nicht mit einem üppigen Honorar abrechnen würde. Mehrere Hunderter-Scheine wird der Mandant dem ehemaligen Verteidiger doch sicher auf den Tisch blättern müssen?

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Anonym: Er hat bereits geblättert.