In einem Verfahren, in dem meinem Mandanten vorgeworfen wird, er habe seine Kinder vor Jahren missbraucht, hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben und bereits in der Anklageschrift Ausführungen dazu gemacht, weshalb es der Einholung von Glaubhaftigkeitsgutachten in Bezug auf die Aussagen der Kinder, die zu den behaupteten Tatzeitpunkten noch nicht einmal 10 Jahre alt gewesen sein sollen, nicht bedürfe. Unter anderem wurde die fehlende Notwendigkeit damit erklärt, dass die Strafkammer, die den Fall zu entscheiden habe, seit vielen Jahren erfahren sei mit derartigen Prozessen und über die notwendige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfüge. Den beteiligten Schöffen könne die Kammer ihre eigene Sachkunde im Übrigen vermitteln.
So einfach soll das also sein. Die Richter werden schon wissen, wie sie die Aussagen von Kindern zu werten haben und da es für einen Angeklagten in so einem Fall auch nur um mehrjährige Freiheitsstrafen im Falle der Verurteilung geht, soll mal großmütig davon abgesehen werden, Experten zu befragen. Zum Vergleich: in keinem Sorge- und Umgangsrechtsverfahren beim Familiengericht wird ohne Anhörung des Jugendamtes entschieden und oft werden familienpsychologische Gutachten eingeholt. In diesen Verfahren geht es "nur" um elterliche Sorge und Umgang, niemandem droht ein Freiheitsentzug.
In meinem Antrag auf Einholung aussagepsychologischer Gutachten habe ich mich darauf beschränkt, kurz darzulegen, weshalb es sich auch bei einer erfahrenen Strafkammer gebietet, bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit kindlicher Zeugen Expertenrat einzuholen.
Nur wenige Tage später ging mir der kurze Beschluss der Strafkammer zu. Die Richter haben die Einholung von Glaubhaftigkeitsgutachten angeordnet.
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