Neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer oder Hintermann, zu der bislang noch keinen Beweisaufnahme erfolgt ist, standen als Vorwürfe gegen den Angeklagten noch zwei Landfriedensbrüche, eine versuchte gefährliche Körperverletzung sowie mehrere Sachbeschädigungen im Raum. Die restlichen Anklagepunkte waren nach Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Die vorgeworfene Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung wurde heute eingestellt.
Grundlage der Verurteilung waren somit das Geständnis des Angeklagten sowie das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme des dritten Durchgangs.
Zu seinen Lebensumständen berichtete der heute 34-jährige Angeklagte mit Blick auf das Zeugenschutzprogramm nur, dass er ledig sei, keine Kinder habe und nach wie vor von Sozialleistungen lebe. Infolge des Verfahrens sei es ihm nicht gelungen, eine Ausbildung zu machen oder eine Arbeitsstelle zu finden. In diesem Punkt unterscheidet sich seine Biografie nicht unerheblich von derjenigen anderer Angeklagter, von denen es nicht Wenigen trotz des Verfahrens gelungen ist, ihre Studiengänge abzuschließen, Meisterprüfungen oder Staatsexamina abzulegen oder einer Tätigkeit im erlernten Beruf nachzugehen. Noch tags zuvor hatte ein ebenfalls in der vergangenen Woche abgetrennter Angeklagter berichtet, einer Vollzeittätigkeit in einem Handwerksberuf nachzugehen. Die beiden Verhandlungstage pro Woche kompensiere er mit Arbeit am Wochenende.
Was die Tatvorwürfe anbelangt, herrschte aufgrund der geständigen Einlassung weitgehend Einigkeit hinsichtlich ihrer rechtlichen Einordnung. Lediglich bezogen auf einen Anklagevorwurf, der aktuell Gegenstand der Beweisaufnahme ist und der sich in der Anklage als versuchte gefährliche Körperverletzung wiederfindet, waren sich die Anwältinnen des Angeklagten und die Vertreter der Staatsanwaltschaft uneins. Der Angeklagte hatte eingeräumt, zur Nachtzeit das Wohnzimmerfenster einer Wohnung mit Steinen eingeworfen zu haben. Weiter hatte er erklärt, dass man nie vorgehabt habe, dass hierdurch Menschen verletzt werden sollten, weshalb man das Wohn- und nicht das Schlafzimmerfenster gewählt habe. Nachdem auch kein Licht gebrannt habe, sei dies ein weiteres Indiz dafür gewesen, dass sich in dem Raum keine Menschen aufgehalten hätten. Demgegenüber hatte in der vergangenen Woche eine Zeugin ausgesagt, sich in der fraglichen Nacht schlafend auf dem Sofa des Wohnzimmers aufgehalten zu haben. Verletzt worden sei sie nicht.
Die Rechtsanwältinnen des Angeklagten sahen im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft in dem Geschehen eine Sachbeschädigung. Für eine Körperverletzung habe es dem Angeklagten am erforderlichen Vorsatz gefehlt.
Dieser Rechtsauffassung schloss sich die erkennende Staatsschutzkammer an und verurteilte den Angeklagten wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen (Einzelstrafe). Wegen dreier weiterer Sachbeschädigungen wurden Einzelstrafen von jeweils 30 Tagessätzen verhängt. Daneben wurde der Angeklagte noch wegen eines Landfriedensbruchs zu 70 Tagessätzen und wegen eines weiteren Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall zu einer Einzelstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Das Gericht bildete hieraus eine Gesamtstrafe von 9 Monaten und setzte diese zur Bewährung aus. Hiermit blieb es hinter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe (ein Jahr zur Bewährung) zurück; die Anwältinnen des Angeklagten hatten die Entscheidung ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt.
Von den verhängten 9 Monaten Freiheitsstrafe erklärte das Gericht für den Fall, dass dem Angeklagten im Falle einer erneuten Straffälligkeit während der zweijährigen Dauer der Bewährungszeit die Bewährung widerrufen werden sollte, 7 Monate für bereits verbüßt, so dass der Angeklagte brutto nur noch 2 Monate würde absitzen müssen. Die 7 Monate, die für verbüßt erklärt wurden, seien, so der Vorsitzende der außergewöhnlich langen Dauer des Verfahrens geschuldet, die dem Angeklagten nicht angelastet werden könne. Pro Jahr Hauptverhandlung habe man einen Monat für verbüßt angerechnet.
Es sei besonders bitter für den Angeklagten, dass er trotz seines frühen Geständnisses so lange im Verfahren habe bleiben müsse. Der Tatvorwurf der kriminellen Vereinigung habe alle Einzeltaten, die ansonsten beim Amtsgericht in etwa drei Tagen hätten abgehandelt werden können, überlagert. Heute war es für den Angeklagten übrigens Tag 373, gerechnet vom 1. Hauptverhandlungstag des ersten Durchlaufs an.
In jeder denkbaren Bewertung, so der Vorsitzende weiter, sei das Verfahren von zu langer Dauer gewesen. Alles, was die Strafjustiz mache, solle verhältnismäßig sein. Die Frage der Sinnhaftigkeit stelle sich ihm hier in einer Weise wie noch nie zuvor in seiner Tätigkeit als Richter.
Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte die Kammer daneben die vom diesem geleistete Aufklärungshilfe. Von der Verhängung von Bewährungsauflagen wurde abgesehen. Der Angeklagte sei durch das Verfahren genug gestraft, so dass man ihn nicht noch zusätzlich mit Auflagen beschweren wolle.
Mit guten Wünschen für die Zukunft seitens der Kammer und einem übereinstimmend von ihm selbst, seinen Anwältinnen und der Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht endete das Verfahren für den Angeklagten, der in seinem letzten Wort erklärt hatte, erleichtert zu sein darüber, endlich einen Schlussstrich ziehen zu können.
Den endgültigen Schlussstrich in pekuniärer Hinsicht wird er indes erst zu einem späteren Zeitpunkt ziehen können. Ihm wurden 1/10 der Kosten und notwendigen Auslagen des 3. Durchgangs auferlegt. Diese Kosten sind derzeit noch nicht bezifferbar; der Vorsitzende vermochte daher heute nur so viel zu sagen, dass es keine kleine Summe sein werde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen