Donnerstag, 5. Mai 2011

Plädoyer - irgendwie daneben

Plädoyers sind in freier Rede zu halten. Zwingend ist das nicht, aber Sinn macht es trotzdem, wie ich unlängst wieder feststellen konnte.

Trotzdem der Fall nach Aktenlage ziemlich klar war, ergaben sich im Zuge der Hauptverhandlung Besonderheiten, die im Hinblick auf die Strafzumessung von ganz erheblicher Bedeutung waren. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, eine Referendarin, hatte ihr Plädoyer jedoch schon ausformuliert vor sich liegen, las es zügig ab und nahm wieder Platz. Das Plädoyer wäre gut gewesen, wenn denn die Verhandlung so gelaufen wäre, wie sich der Fall nach Aktenlage darstellte, aber wie so oft sagte ein Zeuge anders aus als erwartet mit dem Ergebnis, dass die Beweiswüdigung nicht mehr mit der Aktenlage in Übereinklang zu bringen war.

Die Situation kam mir bekannt vor. Als ich das erste Mal ins Rennen geschickt wurde (damals in der Anwaltsstation) hatte ich mein Plädoyer auch schon vor der Hauptverhandlung fix und fertig. Schriftlich ausformuliert hatte ich es nicht, nein, ich war noch einen Schritt weitergegangen und hatte es auswendig gelernt und am Vorabend mit großer Geste vor dem Badezimmerspiegel geübt. Schon nach der Vernehmung des ersten Zeugen stellte ich fest, dass meine sorgfältig einstudierte Beweiswürdigung nicht mehr haltbar war und nachdem der letzte Zeuge vernommen war, war klar, dass ich das Plädoyer so wie es war, gänzlich vergessen konnte. Eine Unterbrechung zur Vorbereitung des Plädoyers wollte ich nicht beantragen (das wäre mir peinlich gewesen) und deshalb hielt ich ein anderes als das vorbereitete Plädoyer, zwar nicht ganz so flüssig und mit zittriger Stimme, aber immerhin passte es zum Ergebnis der Beweisaufnahme.

Seither bereite ich keine Plädoyers mehr vor, zumindest dann nicht, wenn die Sache an einem Tag verhandelt wird. Eine Art "Gerippe", das universell einsetzbar ist, gehört trotzdem ins leichte Handgepäck. Wer auf der Suche nach einem solchen ist, wird übrigens hier fündig.

5 Kommentare:

Christian hat gesagt…

Ein Plädoyer vor der Hauptverhandlung auszuformulieren, finde ich ganz schön schräg. Ich wäre nicht mal auf die Idee gekommen, so etwas zu tun. Aus meinen Handakten ergab sich aber auch gar nicht unbedingt, was die Zeugen nun im Einzelnen aussagen würden, so dass ich gar keine Gelegenheit gehabt hätte, auf so eine Idee zu kommen. Wie auch immer, ein offensichtlich unpassendes vorformuliertes Plädoyer dann auch noch vorzutragen, disqualifiziert die Referendarin. Dieses Verhalten ignoriert schließlich, dass allein der Inhalt der Hauptverhandlung maßgeblich ist. Die von dir verlinkten Blätter, in die man etwas eintragen kann, sind für Anfänger aber eine große Hilfe. So habe auch ich es seinerzeit gemacht.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@Christian: Ich hatte den Eindruck, sie war so aufgeregt, dass ihr erst bei meinem Plädoyer auffiel, dass ihres nicht so recht gepasst hat. Aller Anfang ist eben schwer.

RA Michael Langhans hat gesagt…

Peinlich wirds, wenn das vorbereitete Plädoyer aus Bausteinen ausführt, dass der Angeklagte, der den Vorwurf leugnet, durch die Beweisaufnahme überführt wurde, wenn in Akte und HV der Angeklagte schweigt...

Werner Siebers hat gesagt…

... Du mit zittriger Stimme ... , klar, und ein Kantholz besteht aus Wattebäuschen!

kj hat gesagt…

Die Referendarin ist für das Richter-amt schlicht ungeeignet, damit auch als Anwalt. Als Richterin würde sie wahrscheinlich auch sonst kaum von ihrem vorgefassten Standpunkt zu bewegen sein.

Denke ein Plädoyer von Berufsjuristen wird genauso häufig überschätzt, wie das letzte Wort des Angeklagten unterschätzt wird.

Bei beiden ist natürlich Voraussetzung das der Richter überhaupt zuhört.