Eben wurde mein Mandant vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs zum Nachteil seiner Stiefkinder freigesprochen.
Vorangegangen waren mehrere Verhandlungstage, in denen u.a. die Kinder als Zeugen gehört worden waren.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine 8-jährige Haftstrafe gefordert, die Nebenklage hatte sich diesem Antrag angeschlossen, ich hatte Freispruch beantragt. Die Kammer ist meinem Antrag gefolgt. Sie sprach meinen Mandanten in konsequenter Anwendung des in-dubio-Grundsatzes frei und sprach ihm eine Haftentschädigung für die erlittenen 7 Monate Untersuchungshaft zu.
Zwei der Kinder, Mädchen, hatten Aussagen gemacht, die so wenig detailreich und damit "dünn" waren, dass die Kammer einen Nachweis der behaupteten Taten als nicht erbracht ansah. Das dritte Kind, ein Junge, hatte im Laufe mehrerer Vernehmungen derart eklatante Widersprüche bezogen auf das Kerngeschehen geschildert, dass die Kammer die Vorwürfe gegen meinen Mandanten nicht bestätigt sah. Der Zeuge, so der Vorsitzende in der Urteilsbegründung, sei sehr suggestibel.
Das in diesem Prozess für mich Auffälligste war, dass keines der Kinder im Rahmen seiner Aussage eine stärkere emotionale Regung hatte erkennen lassen. In den vergangenen 11 Jahren hatte ich Gelegenheit, viele Opferzeugen zu vernehmen. Hierbei habe ich erlebt, dass Männer, die als Angestellte einer Bank überfallen worden waren, bei ihrer Aussage mit der Fassung rangen. Ich habe erlebt, wie Opfer von Körperverletzungen in ihren Vernehmungen weinten, wie Kinder schrien, wenn sie dem Täter auf dem Gerichtsflur begegneten. Unzählige Unterbrechungen hatte es bei diesen Vernehmungen gegeben, weil sich die Zeugen wieder sammeln mussten. Was ich noch nicht erlebt hatte, waren Kinder, die von derart schlimmen Handlungen, wie sie sie meinem Mandanten vorgeworfen hatten, in einer Art und Weise erzählten, als berichteten sie von einem alltäglichen Geschehen. Ebenfalls schwer nachvollziehbar, dass eines der Mädchen, das meinen Mandanten belastet hatte, nach der Trennung der Eltern zu diesem gezogen war anstatt bei der Mutter zu bleiben, was angesichts der erhobenen Vorwürfe verständlich gewesen wäre.
Der Kollege, der die Nebenklage vertrat, rügte meinen Mandanten, dass er den Kindern durch sein Schweigen die Vernehmung nicht erspart habe. Ich kann meinen Mandanten nur dazu beglückwünschen, dass er meinem Rat gefolgt war und deshalb die Kinder vernommen wurden, denn nur so konnten die unzähligen Widersprüche aufgedeckt werden und nur so konnte sich die Kammer einen Eindruck von den Zeugen verschaffen.
Mein Mandant ist wieder ein freier Mann und wird in der kommenden Zeit alle Hände voll zu tun haben, sich wieder ein neues Leben aufzubauen, denn durch die Untersuchungshaft hat er Wohnung und Arbeit verloren.
Es bleibt abzuwarten, ob Staatsanwaltschaft und/oder Nebenklage Revision gegen die Entscheidung einlegen.
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