Heute startete der 3. Durchlauf im Verfahren
„Aktionsbüro Mittelrhein“, nachdem das Verfahren im vergangenen November
geplatzt war. Das Landgericht hatte den Besetzungsrügen der Verteidigung des zweiten Durchlaufs stattgegeben und sich für unzuständig erklärt. Trotzdem diese Entscheidung
nicht angefochten wurde, verhandeln wir weiter bei derselben Kammer. Anders als die Strafkammer war das Präsidium des Landgerichts der Auffassung, diese sei doch zuständig.
Man muss kein Prophet sein um den Inhalt der am
heutigen Tag erhobenen Besetzungsrügen zu kennen. Gerügt wurde die fehlerhafte
Besetzung der Kammer hinsichtlich der Berufsrichter. Hierüber könnte man
wahlweise akademische oder elegische Abhandlungen verfassen, die bestenfalls
Juristen verstehen und ich möchte hier nicht langweilen. Die
allgemeinverständliche Kurzfassung könnte lauten: Wenn ein Gericht sich für
unzuständig hält, dann darf nicht das Präsidium dessen fehlende Zuständigkeit ersetzen und es erneut in den Ring schicken.
Einmal unterstellt, die darauf gestützten
Besetzungsrügen würden diesmal nicht dazu führen, dass das Verfahren erneut
platzt, stehen die Chancen gut, dass – sollte es irgendwann zu einem Urteil kommen
- der Bundesgerichtshof korrigierend
eingreift.
Für den Laien unterhaltsamer waren die
Besetzungsrügen, die gegen die amtierenden Schöffen erhoben wurden. Schöffen
sind ehrenamtliche Richter, die das gleiche Stimmrecht haben wie Berufsrichter.
In Saal 128 verhandeln wir gerade mit 2 Schöffen und 2 Ergänzungsschöffen,
letztere für den Fall, dass ein bzw. beide Hauptschöffen ausfallen sollten.
Schöffe wird man, indem man sich bei seiner Gemeinde auf eine Liste setzen
lässt, man muss also aktiv werden und sich freiwillig melden. Erst wenn es zu
wenig Freiwillige gibt, besteht die theoretische Möglichkeit, dass man
ausgewählt wird ohne Eigeninitiative. In der hiesigen Region ist es um die
Freiwilligen aber sehr gut bestellt, was ich durch einen Blick in die
Schöffenwahlunterlagen feststellen durfte.
Die Ladungen zum Verfahren wurden den Schöffen
Mitte Januar zugesandt. Sie enthielten die Daten der bislang vorgesehenen 60
Hauptverhandlungstermine, verteilt über das gesamte Jahr mit längeren
Unterbrechungen in den Schulferien.
Ein als Hilfsschöffe dem Verfahren zugewiesener
Herr beantragte kurz nach Erhalt der Ladung, ihn vom Schöffendienst in diesem
Verfahren zu entbinden, wohlgemerkt nur in diesem Verfahren. Als Gründe führte
er eine Kreuzfahrt im Frühjahr an, ferner einen geplanten Urlaub im Herbst,
ehrenamtliche Tätigkeiten an einem jeden Mittwoch (nota bene: es wird dienstags
und mittwochs verhandelt), diese bestehend aus der Pflege von Grünanlagen sowie
eine aktuelle Verhinderung am heutigen und morgigen Tag, an dem der
Hilfsschöffe mit der Brauchtumspflege befasst ist durch das Herrichten eines
Karnevalswagens.
Damit nicht genug der Gründe beruft er sich auf
Bluthochdruck samt damit einhergehender Unpässlichkeiten wie
Konzentrationsschwäche und Schwindelattacken und untermauert dies mit einem
hausärztlichen Attest, in dem ihm daneben ein depressives Erschöpfungssyndrom
bescheinigt wird.
Dem Vorsitzenden der Strafkammer reichte dieses
Bündel an vorgebrachten Hinderungsgründen und er entband den Hilfsschöffen
aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden von seinem Ehrenamt in diesem
Verfahren. Zwischenzeitlich wurde derselbe Hilfsschöffe einer anderen
Strafkammer zugewiesen, in der er nun seinem Ehrenamt nachkommen kann.
Mein Mitverteidiger Werner Siebers und ich haben
dies zum Anlass genommen, die Besetzung zu rügen. Unserer Auffassung nach hätte
der Schöffe nach diesem Antrag nicht ohne Weiteres von seinem Dienst entbunden
werden dürfen. Es mutet seltsam an, dass ein Schöffe zwar rüstig genug ist,
Kreuzfahrten anzutreten, Grünanlagen zu pflegen und Karnevalswagen
herzurichten, andererseits aber zu hinfällig, seinem Amt als ehrenamtlichem
Richter nachzukommen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass er bei
einer anderen Strafkammer als Hauptschöffe zugewiesen wurde.
Die Begründung unseres Antrages ist wie bereits
diejenige der Besetzungsrüge sehr formaljuristisch und damit zäh, daher auch
hier eine Zusammenfassung: Wenn der Verdacht besteht, dass ein Schöffe
Ausflüchte bemüht, um sich dem Verfahren zu entziehen, darf man ihn nicht ohne
Weiteres ziehen lassen. Man muss schon objektiv prüfen bzw. durch einen
Amtsarzt prüfen lassen, wie krank der Schöffe tatsächlich ist und ob seine
Erkrankung dazu führt, dass er dem Prozess nicht folgen kann.
Die närrische Zeit beginnt offiziell am
Donnerstag. Für den entbundenen Hilfsschöffen mit einem geschmückten
Karnevalswagen.
Im Verfahren geht es schon morgen weiter.
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