Montag, 17. Januar 2011

Reporterfrage - bitte mehr "Drama"

Seit vergangener Woche verteidige ich (wieder) einen Mandanten, der im Jahre 2009 vom Landgericht freigesprochen wurde. Vorwurf war sexueller Missbrauch.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft war das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

Natürlich war auch die Presse anwesend. Da die meisten Vertreter der schreibenden Zunft aber wissen, dass ich für Fragen und Interviews nicht zur Verfügung stehe, hatte ich die Hoffnung, auch diesmal davon verschont zu bleiben. Weit gefehlt. Auf dem Weg aus dem Sitzungssaal sprach mich ein Reporter an, ob der Freispruch im vergangenen Jahr eigentlich in demselben Saal erfolgt sei.

Woher bitte soll ich wissen, welches Urteil vor mehr als einem Jahr in welchem Saal gesprochen wurde? Und nein, mein Mandant sagt dazu auch nichts.

Ich kann nur mutmaßen, dass der Reporter seinen Prozessbericht in etwa wie folgt beginnen wollte: "Saal 128 - mehr als ein Jahr ist vergangen, seit der Angeklagte hier freigesprochen worden war. Hinter dem Richterpult ein Wandmosaik, riesige Fenster mit Sicherheitsglas, zur Verständigung der Prozessbeteiligten werden Mikrofone eingesetzt. Hätte er gedacht, dass er sich nach dem Freispruch noch einmal hier wiederfinden würde, hier in demselben Saal, den er 2009 als freier Mann verlassen hatte?"

Selbst wenn ich heute noch wüsste, wo es war - ich wüsste es offiziell nicht. Strafprozessen wohnt schon genug Drama inne, da braucht es keine Drama-Artikel.

5 Kommentare:

kj hat gesagt…

Kann auch unklug sein, nix zu sagen.
Ich hatte freigebig mit Bild etc. geplaudert, die haben nur positiv geschrieben, wohingegen es für mich mies war, als die lokale Presse schrieb, zu Vorwürfen, zu denen ich mich nicht äußern konnte. Sie hätten doch sagen können, Sie wissen es nicht, da sie so viele Mandanten haben, die ihre Hilfe bräuchten. Leider arbeitet die Staatsanwaltschaft nicht gründlich, klagt schon mal vorschnell an, so das sie viel zu tun haben.

Alan Shore hat gesagt…

Da kenne ich aber genug Kollegen, die auch ohne Rücksprache mit dem Mandanten sofort zu einem Statement vor der Kamera bereit sind. Auch viele Staatsanwälte sehen sich gerne in den lokalen Abendnachrichten. Was das der Sache nützen soll, verstehe ich nicht.

Und was dieser gespielte Einzug des Gerichts für die Kameras immer soll, verstehe ich auch nicht. Ein Kollege aus Hamburg ist dem Kammervorsitzenden einmal scharf angegangen und hat gesagt, wenn er hier als Schauspieler verwendet werde, koste das die Staatskasse extra. Folge: ein peinlich berührt blickender Vorsitzender und einige beeindruckte Kollegen, die das Theater seitdem auch nicht mehr mitmachen. Also: einfach mit dem Angeklagten draußen bleiben, bis die Kammer ihren Auftritt beeendet hat und tatsächlich einzieht und aufruft.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@kj: Nun ja, wenn die Yellowpress positiv über einen berichtet, weiß ich nicht, ob man sich dadurch geadelt fühlen sollte.
@Alan Shore: Danke! Das ist mal ein guter Tipp. Werde ich beim nächsten Mal auch so machen. Mir geht diese Schaulauferei nämlich auch immer gewaltig auf den Geist.

meine5cent hat gesagt…

@Alan Shore

Den "gespielten Einzug" des Gerichts gibt es ja nicht aus Jux und Dollerei, sondern deshalb:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20070315_1bvr062007.html

kj hat gesagt…

Die schreiben eh, wenn Sie einen auf den Fersen sind, wenn der Angeklagte sich nicht äußert, dann schreiben Sie was der Staatsanwalt mutmaßt. Ob das was bringt, denke nicht. Bei mir wirken die im Fernsehen, die sich nicht äussern immer sehr verdächtig. Ich denke die Äusserungen von Kachelmann vor der Presse haben ihn insoweit genutzt, als viele ihn für unschuldig halten. Jetzt müsste das Gericht bei einer Verurteilung zumindest gegen die öffentliche Meinung anschreiben, wenn es verurteilt, man sollte das vielleicht nicht unterschätzen. In den Staaten wird die Presse als litigation als wichtige Prozessbegeleitung beachtet. Würde das nicht von vorneherein dies als amerikanischen Humbug betrachten.