Neulich in der Hauptverhandlung. Der Zeuge ist Kriminalhauptkommissar. Er hatte den Stiefsohn des Angeklagten vernommen. In der Akte fand sich kein Hinweis auf eine stattgefundene Belehrung.
Vorsitzender: "Haben Sie den Stiefsohn belehrt?"
KHK: "Nein."
Vorsitzender: "Warum nicht?"
KHK: "Er ist doch STIEFsohn."
Vorsitzender: "Eben! Damit hat er ein Zeugnisverweigerungsrecht."
KHK: "Ach ja?"
Vorsitzender: "Ja!"
Zugegeben, der § 52 I Nr. 3 StPO: "wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war", führt immer wieder dazu, dass selbst erfahrene Juristen bei Vettern und Neffen sicherheitshalber in der Kommentierung nachlesen, aber dass Stiefkinder zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, sollte jemand, der regelmäßig Zeugen vernimmt, eigentlich wissen.
Vielleicht muss man sich ab und an mal ein paar Gedanken machen über den Sinn und Zweck der Vorschrift: sie soll den zur Wahrheit verpflichteten Zeugen vor der Zwangslage beschützen, in die er geraten könnte, wenn er mit seiner Aussage einem Angehörigen schaden würde. Der Gesetzgeber schützt also "Familienbande" und es wäre nicht sinnvoll, wenn dies zwar für leibliche Kinder, nicht aber für Stiefkinder gelten würde.
4 Kommentare:
"Familienbande" - Schönes zweideutiges Wort. ;-)
Stiefkinder sind was? Ersten Grades verschwägert?
@Jens Müller. Ich versuch´s mal: Hat ein Ehegatte Kinder aus einer Vorbeziehung,dann sind diese mit dem neuen Ehegatten verschwägert.
@JensMueller: Stiefkinder sind in der Tat im ersten Grad verschwägert, vor allen Dingen aber auch in gerader Linie verschwägert.
§ 1590 BGB: Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft.
Da die Stiefkinder Verwandte in gerader Linie des Ehegatten sind, sind sie in gerader Linie verschwägert.
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