Der Kollege Ratzka berichtet hier von einem Szenario, das jedem Anwalt bekannt ist: ein potentieller Mandant, der selbst kein Geld hat um die Kosten der anwaltlichen Beratung zu zahlen, kann beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen und mit diesem dann zum Anwalt gehen und sich beraten lassen. Als Anwalt ist man nach dem Berufsrecht verpflichtet, gegen Vorlage eines Beratungshilfescheins zu beraten, was zwar in der Regel unwirtschaftlich, aber völlig in Ordnung ist.
Geht es allerdings um den Vorwurf einer Straftat, braucht man den Weg zum Amtsgericht nicht auf sich zu nehmen, denn Beratungs- und Prozesskostenhilfe gibt es nur für zivilrechtliche Angelegenheiten. Das Pendant zur PKH im Strafrecht ist die Pflichtverteidigung. Ein Verteidiger wird dem Beschuldigten aber nur in Fällen beigeordnet, die hier genannt sind. Ein Fahren ohne Fahrerlaubnis, ein Diebstahl im Supermarkt, eine Beleidigung oder eine einfache Körperverletzung reichen also nicht aus, dass ein Pflichtverteidiger bestellt wird.
Nachtrag: wie ich aus den Kommentaren zu diesem Post gerade erfahren habe, kann man sehr wohl für einen Beratungshilfeschein in Strafsachen beraten, was aber nicht gleichbedeutend ist mit Verteidigung im Vorverfahren, Vertretung in der Hauptverhandlung etc..
An dieser Stelle besten Dank an den Berh-Rechtspfleger, der insoweit zu meiner Fortbildung beigetragen hat!
14 Kommentare:
Nicht ganz richtig: Beratungshilfe gibt es auch für Strafsachen - allerdings nur, solange noch keine Anklage erhoben/zugestellt wurde. Im Ermittlungsverfahren besteht z.B. weiterhin die Möglichkeit, BerH zu beantragen. Der Anwalt ist jedoch nur zur Beratung im Rahmen der BerH befugt, nicht aber zur Vertretung. Wenn er doch vertritt, kostet das den Mandanten mehr als nur die 10,- € "Schutzgebühr".
Na Frau Kollegin, nicht dass Sie die kranke Schwester wieder auf den Plan gerufen haben. Von wegen mangelnder Empathie usw. Was die BH für Strafsache angeht, habe ich das allerdings schon häufiger gehabt, dass Mdt. mit einem solchen Schein vom AG hier aufkreuzten und sich wegen kleinerer Strafsachen beraten ließen. Manchmal wird von der Landeskasse sogar die AE-Pauschale erstattet.
@BerH-Rpfl: Beratung meint demnach, ich höre mir ohne Akteneinsicht an, was Mandant zu der Sache zu sagen hat und - kann ihm doch nichts sagen, wofür ich im Zweifel gradestehen möchte. Das Anfordern der Akte setzt aus meiner Sicht einen Verteidigerauftrag und keinen bloßen Beratungsauftrag voraus. Mit Bestellung und Antrag auf Akteneinsicht zeige ich an, dass ich ihn vertrete und das war es dann mit der Beratungshilfe. Wenn es nur darum geht, dass ein Mandant wissen will, ob er zur Vernehmung hingehen muss oder nicht oder ob er da die Wahrheit sagen muss, gebe ich Ihnen Recht, das kann man über einen Beratungshilfeschein abrechnen, aber alles, was darüber hinausgeht, nicht mehr.
@Kerstin Rueber:
Eine ordnungsgemäße Beratung erfordert die Einsichtnahme in die Strafakte. Maßgeblich ist die Frage: Fällt lediglich die Beratungsgebühr VV 2501 RVG oder die Geschäftsgebühr VV 2503 RVG an? Nach zumindest meines Wissens nach stark vertretener Meinung löst die bloße Akteneinforderung noch keine VV 2503 RVG aus, so dass eine qualitativ angemessene Beratung auch im Rahmen der Beratungshilfe möglich ist.
Wie schon gesagt: Beratungshilfe gibt es auch in Owi- und Strafsachen, allerdings wörtlich zu verstehen: Nur Beratung, sonst nichts. Ergo die Beratungsgebühr nach § 2501 VV RVG von sage und schreiben 30.- Teuro, daneben - ggf. erst nach heldenhaftem Kampf mit dem/der Rechtsflegel(in) - die Aktenpauschale von 12.- Teuro und ggf. Kopierkosten. Dazu dann ggf. noch die Selbstbeteiligung des/der Mandant/e/i/n von 10.- Teuro.
Das setzt allerdings voraus, dass die Beratung erst nach Akteneinsicht erfolgt - wozu man m.E. allerdings keinen vollumfänglichen Verteidigerauftrag braucht, selbiges aber auch klarstellen sollte.
Hoffentlich bricht jetzt nicht wieder die Diskussion um Preis und Leistung los. ;-)
Zu dem Nachtrag: Bitte sehr, gern geschehen :)
@Berh-Rpfl: Wie funktioniert das praktisch? Ich fordere die Akte an, weise aber darauf hin, dass ich nicht mit der Verteidigung beauftragt bin, sondern nur mit der Einsicht in die Akte?
Dann berate ich den Mandanten anhand des Akteninhalts und sage ihm dann, dass jeder weitere Schritt Geld kostet?
@RA JM: *kreisch* Malen Sie den Teufel nicht an die Wand.
@BerH-Rpfl: Ach, wie gern würde ich auf Ihr Knowhow zurückgreifen, wenn ich mich mal wieder mit einem Ihrer Kollegen über die Höhe der feszusetzenden Kosten bei Freispruch streite. Und demnächst dann wahrscheinlich auch noch über die Berh-Abrechnungen. Ich werde es bloggen und hoffen, dass Sie hier dann noch mitlesen. :-)
@ Kerstin Rueber:
Meinen Sie jetzt die Gefahr, ggf. für schlappe 40.- Teuro + MwSt. beraten zu müssen oder die Preis/Leistungs-Diskussion?
Ja, so in etwa läuft das dann ab mit der Aktenanforderung pp. - wobei ich verständlicherweise die Anwaltsseite da nicht kenne und selten nachträgliche Anträge auf Bewilligung von BerH in Strafsachen auf dem Tisch habe... Und für die Festsetzung der Vergütung ist bei mir am Gericht der mittlere Dienst zuständig ;)
Hinsichtlich der Kosten nach Freispruch muss ich Sie allerdings enttäuschen: Strafsachen habe ich noch nie bearbeitet (und werde es wohl auch so schnell nicht tun) - die Beratungshilfe läuft bei uns quasi "abteilungsunabhängig". Das ist bei größeren Gerichten aber wahrscheinlich schwer möglich ;-)
Ich habe gerade auch wieder etwas dazu gelernt, kann aber auch etwas Neues besteuern. In Hamburg gibt es statt Beratungshilfe die Öffentliche Rechtsauskunft (ÖRA), bei der ich auch ab und an berate. Wir fordern in Strafsachen dann die Akte an und beraten nach Akteneinsicht. Je nach Einkommenssituation kostet den Ratsuchenden die Beratung 0-10 Euro.
@Berh-Rpfl: Schade. *seufz*
Daß und inwieweit Beratungshilfe auch in Strafsachen gewährt wird, ergibt sich doch unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Satz 2 BerHG.
Daß man in den Mandanten ohne Akteneinsicht nur eingeschränkt beraten kann, liegt auf der Hand. Viele wollen doch aber nur eine grundsätzlich Beratung, z.B. darüber, welche Rechte sie im Strafverfahren haben, ob sie als Beschuldigter bei der Polizei aussagen müssen, welche Rechtsfolgen sie erwarten könnten, wenn ihnen der Vorwurf nachgewiesen werden könnte, usw.
Eine solche allgemeine Beratung ist von der Beratungshilfe umfaßt und mit 30,- Euro auch nicht unterbezahlt (wenn man es schafft, den Mandanten nach spätestens 20 Minuten wieder aus der Kanzlei zu kehren). Die 12,- Euro für die Akteneinsicht können die meisten Beratungshilfe-Kandidaten gerade noch aufbringen. Und bei manchem Fall, der zunächst einfach erscheint, springt am Ende doch noch eine Pflichtverteidigung heraus.
Und selbst wenn nicht: ein bißchen eigenes Kostenrisiko gehört zur Mandantenwerbung. Bei einem Handwerker wird ja auch nicht aus jedem Kostenvoranschlag ein Auftrag.
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