Freitag, 30. März 2012

Emden, der Mob und die Unschuldsvermutung

Der 17-jährige, der wegen des Tötungsdelikts in einem Parkhaus festgenommen worden war, ist wieder auf freiem Fuß.

Nach einem Bericht der Welt könne er als Täter ausgeschlossen werden.

Presseberichten zufolge waren Lynchaufrufe laut geworden, das Polizeipräsidium belagert worden, bei Facebook war der Schüler beschimpft worden.

Hartes Brot für einen 17-jährigen, der als Täter nicht in Frage kommt. Da hilft es auch nicht, wenn der GdP Vorsitzende Witthaut nun Bestrafungen für die Lynchjustizbefürworter fordert.

Blicken wir zurück: es ereignet sich ein tragisches Tötungsdelikt, kurze Zeit später wird ein Jugendlicher festgenommen, wiederum kurze Zeit später wird er freigelassen. Er kann nicht der Täter gewesen sein. Wie es dazu kommt, kann man derzeit nur vermuten. Vielleicht konnte er mittels DNA-Gutachten ausgeschlossen werden. Wenn dem so gewesen sein sollte, dann frage ich mich, warum man nicht mit der Mitteilung, einen jugendlichen (!!!) Tatverdächtigen festgenommen zu haben, so lange zugewartet hat bis das Ergebnis des DNA-Gutachtens vorlag.

Dass die zum Teil wenig differenziert denkende Bevölkerung nicht viel von der Unschuldsvermutung weiß, dürfte den Ermittlungsbehörden schwerlich entgangen sein. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer und bislang hat noch keiner unschuldig gesessen, dröhnt es aus dem Volksmund, schwadroniert es am Stammtisch.

Nun hat es einen 17-jährigen Schüler erwischt. Man kann bestenfalls eine vage Vorstellung von der Situation und den Gefühlen eines Jugendlichen entwickeln, der wegen Mordsverdachts "einkassiert" wird. Als Verteidiger kennt man immerhin die äußeren Umstände, man weiß, wie Zugangszellen aussehen, weiß, wie es beim Haftrichter und bei polizeilichen Verhören zugeht und man weiß um die Wiedrigkeiten, die mit einer Untersuchungshaft einhergehen. Wirklich nachempfinden, wie es einem jungen Menschen (und dessen Eltern) gehen muss, der all dem und obendrein noch dem tobenden Mob ausgesetzt ist, kann man nicht.

Dienstag, 27. März 2012

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Der frühe Vogel fängt den Wurm

Heute war ich ein ganz früher Vogel. Ich bin gleichsam lange vor dem Wachwerden aufgestanden und in bester Verteidigungsabsicht zu einem auswärtigen Amtsgericht gefahren.

Wäre ich noch früher aufgestanden und erst einmal ins Büro gefahren, dann hätte ich es gesehen, das Fax meines Mandanten, bestehend aus einem ärztlichen Attest über dessen Verhandlungsunfähigkeit.

So aber zeigte es mir kurz vor 9 Uhr die Protokollbeamtin im Sitzungssaal kurz vor Beginn der Verhandlung und nahezu zeitgleich rief meine inzwischen in der Kanzlei eingetroffene ReNo an, die gerade das Fax aus dem Gerät gefischt hatte.

Zurück zum Wurm und dem frühen Vogel: Das Stichwort stimmt. Ich habe nämlich den Ausflug zum Amtsgericht genutzt um auf dem Heimweg jenes entzückende Schuhgeschäft anzufahren um dort als früher Vogel Würmer in Gestalt von noch entzückenderen Schuhen zu fangen.

Montag, 26. März 2012

Emotional engagiert

In Strafsachen kennt man es ja, dass sich die Prozessbeteiligten emotional engagieren. Da ist der Staatsanwalt schon mal mürrisch, wenn ein Zeuge nicht wie erwartet aussagt und der Verteidiger beleidigt, weil das Gericht seinen fein gesponnenen Beweisantrag nicht mal halb so gut findet wie er selbst und der Angeklagte befindet sich ohnehin in einem Ausnahmezustand.

Anders verhält es sich üblicherweise in Zivilsachen. Da werden erstmal Schriftsätze gewechselt, dann folgt irgendwann ein Gütetermin, zu dem die Parteien zwar häufig persönlich geladen werden, aber nur in seltenen Fällen durch mehr als Anwesenheit glänzen und schließlich wird verhandelt, in dem man auf die Anträge Bezug nimmt, die man schon weiland in seinen Schriftsätzen gestellt hat. Alles in Allem also wenig aufregend.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen wie ich unlängst in einer Familiensache erlebt habe. Die Gegenseite hatte sich schriftsätzlich schwer verausgabt und ich habe erst im Termin eine einseitige Stellungnahme zu deren Ergüssen überreicht. Drin stand nichts wirklich Streitentscheidendes. Trotzdem reagierte die Kollegin, die die Gegenseite vertrat, stark emotional engagiert. Zunächst einmal vermochte sie die Tageszeit nicht zu nennen, wobei ich ihr ein "Guten Morgen" zumindest in Bezug auf das "Guten" ohnehin nicht ganz abgenommen hätte und dann äusserte sie, sie wisse gar nicht, ob sie meinen Schriftsatz überhaupt haben wolle. Auf mein gut Gelauntes "Kein Problem, ich nehm ihn auch wieder mit", folgten mürrische Kommentare zur einer von ihr vermuteten Verspätung meines Vorbringens und als dann noch das Gericht zu erkennen gab, dass es meinen bisherigen Vortrag durchaus für geeignet hält, in die Beweisaufnahme einzutreten, war es ganz vorbei. Frau Kollegin lief rot an und empörte sich unter mündlicher Wiederholung all Dessen, was sie bereits geschrieben hatte.

Wer nun denkt, sie habe das nur getan, damit ihre Mandantschaft sie für besonders engagiert hält, irrt. Ein "Schaulaufen" war nicht nötig, da die Parteien nicht zum Termin geladen waren. Das waren echte Emotionen.

Ich frage mich, ob dergleichen Emotionalität zu irgendetwas nütze ist. Die Kollegin hat sich rein fachlich betrachtet nichts vorzuwerfen. Sie hat vorgetragen, was vorzutragen war, ich ebenfalls und nun ist es am Gericht, eine Entscheidung zu fällen. Da muss man sich doch nicht drüber aufregen und die Farbe wechseln oder hektische rote Flecken produzieren, die nun wirklich nicht vorteilhaft sind.

Viel gescheiter scheint es - zumindest an Tagen wie heute - das schöne Koblenzer Frühlingswetter zu genießen. Sonne schadet dem Teint zwar ebenfalls, aber eine leichte Bräune ist einer tiefen Zornesröte auf jeden Fall vorzuziehen.

Montag, 12. März 2012

Kartenvorrat

Ich habe hier Karten zu den üblichen Ereignissen liegen: Hochzeit, Trauerfall, Geburt. Diese verschicke ich, wenn mir bekannt wird, dass bei einem Mandanten bzw. in dessen Familie ein solches Ereignis eingetreten ist.

Die traurige Bilanz des vergangenen Jahres hat mich unlängst veranlasst, die Karten mit dem schwarzen Rand nachzukaufen.

Umso mehr freue ich mich, dass mir heute ein Mandant mitteilte, er sei Vater geworden.

Endlich kann ich mal wieder eine erfreuliche Karte schreiben.

Donnerstag, 8. März 2012

Heulende Ehefrau und gute Reno - Ergebnis

Ich hatte hier davon berichtet, dass meine Reno (wie eigentlich immer) schwer auf Zack war und zu verhindern wusste, dass eine Sache ein vorzeitiges, für den Mandanten eher unerfreuliches Ende gefunden hätte.

Vor einigen Wochen trudelte ein Kommentar zum Ursprungsbeitrag ein, in dem nach dem Ausgang der Sache gefragt wurde.

Das Verfahren wurde nach § 153 StPO eingestellt.

Nachdem ich für den Mandanten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, wurde Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Es bedurfte eines von mir beantragten Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Tatsache, dass mein Mandant keine Falschaussage gemacht hatte.

In Unfallsachen ist es nicht selten so, dass es auf die Einholung von Gutachten ankommt, da weder Richter noch Staatsanwalt oder Anwalt aus eigenem Wissen beurteilen können, wie sich ein Unfall zugetragen haben muss bzw. was ein Beteiligter wahrgenommen haben muss. Da derartige Gutachten schnell mal einige tausend Euro kosten können, sollte man sich allerdings vorher überlegen, ob man ein derartiges Risiko auf eigene Kosten eingehen möchte, sofern man über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, die für solche Kosten im Streitfall aufkommt.

Mittwoch, 7. März 2012

Scheidungsblumen

"Normalerweise gibt´s doch Blumen zur Hochzeit", bemerkte die Richterin leicht irrtiert gegenüber meiner Mandantin, die mit einem Blumenstrauß in der Hand zum Scheidungstermin erschien.


Den Scheidungsstrauß hatte sie aber nicht von ihrem Angetrauten bekommen, sondern sie hatte ihn für mich mitgebracht.


Und so sieht er aus:



Beinahe ebenso schön wie der Blumenstrauß war übrigens die Erläuterung der Vorsitzenden zum Thema Versorgungsausgleich: "Diese Zahlen sind Entgeltpunkte. Wer weiß, vielleicht haben wir in ein paar Jahren eine andere Währung - die Drachme zum Beispiel."






Dienstag, 6. März 2012

Missbrauch und Minirock

8 Jahre soll er gekriegt haben, der Vater, der seine Tochter missbraucht haben soll und irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass es für den Angeklagten hätte besser laufen können, wenn sein Verteidiger nicht gar so unglücklich agiert hätte. Doch von vorne:

Eine Kollegin bat mich, für sie einen Termin in einer Nebenklagesache wahrzunehmen. Gegenstand: sexueller Missbrauch Vater an Tochter. Der Angeklagte bestritt die Taten. Ich kenne derartige Verfahren, allerdings als Verteidiger und weniger als Vertreter der Nebenklage und war gespannt auf den Ausflug ins eher ungewohnte Terrain.

Ein entspannter Staatsanwalt begrüßte mich mit den Worten: "Heute sitzen Sie ja mal auf der richtigen Seite" und bald kannte ich auch den Grund seiner Tiefenentspanntheit. Für die An- und Nebenklage konnte es besser nicht laufen. Der Verteidiger hatte allerhand Leumundszeugen im Gepäck, die u.a. dazu bekunden sollten, dass die Nebenklägerin sich häufig aufreizend angezogen haben soll. Was das nun sollte bei einem Angeklagten, der die Vorwürfe leugnet, erschloss sich mir nicht. Hätte er nun ein kleinlautes Geständnis abgelegt, und sich damit verteidigen wollen, das Opfer habe ihn zur Tat provoziert, wäre das für sich genommen zwar geschmacklos gewesen, aber wenigstens hätte man einen Zusammenhang erkennen können. Da er aber diese Strategie nicht gewählt hatte, grenzten die Fragen nach der Rocklänge, die eher eine Kürze gewesen sein soll, an groben Unfug.

Die Kammer hörte sich geduldig die Zeugen an, die die Standardfrage des Verteidigers, ob denn die Nebenklägerin häufiger mal Miniröcke und tiefe Ausschnitte getragen habe, brav bejahten.

Das Milieu, aus dem die Zeugen stammten, kennt der geneigte Leser aus nachmittäglichen Gerichtssendungen, so dass der Sache ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen war. Es ergaben sich mehrfach Gelegenheiten zum Stellen zielführender Beweisanträge, etwa auf Einholung von Sachverständigengutachten, aber keiner dieser Anträge wurde gestellt.



Ich räume ein, dass mich Teile der Verhandlung sehr amüsiert haben. Wenn ich mir aber den Angeklagten in Erinnerung rufe, der wie ein begossener Pudel neben seinem Verteidiger hockte und mitbekam, dass dessen Agieren für Heiterkeit sorgte, dann schlägt das Verteidigerherz.




Montag, 5. März 2012

Billige Strafe für eine noch billigere Lüge

Ich hatte hier von einem Prozess berichtet, in dem 6 Männer vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurden. Die Anzeigeerstatterin hatte sie zu Unrecht bezichtigt.

Kürzlich wurde gegen sie verhandelt wegen Falschaussage und schwerer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft. Mein Mandant war Nebenkläger und durch mich vertreten.

Die Dame bestritt zunächst noch in der Hauptverhandlung, gelogen zu haben, was angesichts der Tatsache, dass immerhin zwei der Herren zum behaupteten Tatzeitpunkt sicher hinter Schloss und Riegel untergebracht waren, schon sehr seltsan anmutete.

Die später folgende Erklärung ihres Verteidigers, die Vorwürfe würden eingeräumt, machte dem Prozess dann ein schnelles Ende, das leider nicht im Sinne der Nebenklage war. Die angeblich Vergewaltigte wurde für ihr Verhalten mit 2 Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, bedacht. Das ist angesichts der Tatsache, dass den seinerzeit Beschuldigten Freiheitsstrafen nicht unter 5 Jahren geblüht hätten, wenn das Gericht der Amzeigeerstatterin geglaubt hätte, eine sehr billige Strafe.

Die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, so dass noch die Hoffnung besteht, dass das Berufungsgericht der Dame verdeutlicht, dass es sich nicht lohnen kann, Unschuldige hinter Gitter zu bringen und die Justiz an der Nase herumzuführen.